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Marco Alberti: Wir haben kein Ressourcen-, sondern ein Priosierungsproblem

Personal, Geld, Rohstoffe – alles ist knapp und am Ressourcenmangel wird sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern. Marco Alberti erklärt, wie Unternehmen mit dieser Situation am besten umgehen: Sie müssen lernen, ihre Ziele zu priorisieren

Marco Alberti ist Gründer und Geschäftsführer von Murakamy, einer Beratung mit Fokus auf Visions-, Missions- und Strategieentwicklung sowie Objectives and Key Results (OKRs). In seiner mehr als 20-jährigen Berufslaufbahn hat er schon viele namhafte Unternehmen wie Mymuesli, Daimler und Vaillant in strategischen Fragen und bei der Einführung von OKRs beraten. Gemeinsam mit Murakamy setzt er sich für eine Arbeitswelt ein, in der Menschen mehr Wirksamkeit erfahren und sich

Fast jedes Unternehmen in Deutschland leidet gerade unter einem Ressourcenmangel. Ganz gleich ob Personal, Geld oder Rohstoffe. Alles ist knapp. Und die harte Wahrheit lautet: Daran wird sich auf absehbare Zeit auch nicht wirklich viel ändern. Das Gefühl der Knappheit wird die Wirtschaft wahrscheinlich die nächsten Jahre weiterhin beschäftigen.

Was aber, wenn wir unseren Blick auf die Dinge verändern würden? Wenn wir die vorhandenen Ressourcen als gegeben akzeptieren – zumindest für einen gewissen Zeitraum – und dann konsequent entscheiden, wofür wir sie einsetzen wollen?

Dann lautet die Frage nicht mehr, wie ich mehr Ressourcen kriege, um meine Ziele zu erreichen, sondern vielmehr: Welche Ziele lassen sich am sinnvollsten mit den vorhandenen Ressourcen erreichen? Die Gleichung wird nach einer anderen Unbekannten sortiert – dem Umfang der realistisch zu erreichenden Ziele. Das macht gleichzeitig den Tradeoff deutlich, den Unternehmen akzeptieren müssen: Wenn wir dieses Ziel verfolgen, können wir mit den gleichen Ressourcen kein anderes Ziel verfolgen. Die große Frage, die dann bleibt: Welches Ziel lohnt es sich wirklich zu verfolgen?

Was bringt mich als Unternehmen voran und was blockiert mich?

Ein dankenswerter Ansatz kann beim italienischen Ökonom Vilfredo Pareto gefunden werden. Nach ihm wurde das berühmt-berüchtigte Pareto-Prinzip benannt. Es geht auf seine Aussage zurück, dass oftmals 20 Prozent des Aufwandes für 80 Prozent des Erfolges verantwortlich sind. Mittlerweile ist das Phänomen auch ziemlich gut erforscht. Die Krux an der Sache: Man muss lernen, welche Bemühungen wirklichen Mehrwert generieren – und welche nicht.

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, müssen Unternehmen sich zunächst zwei – auf den ersten Blick recht profane – Fragen stellen:

Denken in Wetten statt in Wünschen

Diese Fragen sind aber nur vermeintlich profan. Denn sie zu beantworten, ist extrem schwierig. Um zu wissen, welche Themen das Unternehmen ganzheitlich nach vorn bringen, ist es hilfreich, die möglichen Initiativen für das kommende Quartal mit einer Einschätzung zu versehen, wie das Kosten-Nutzen-Verhältnis der einzelnen Initiativen aussieht. Also wie viel Aufwand in Form von Zeit, Ressourcen und Geld zu welchem Nutzen führt. Da man konkrete Annahmen trifft, welche Initiative mit einer gewissen Eintrittswahrscheinlichkeit zu einem erstrebten Output führt, gleicht dies einem „Denken in Wetten“ – oder alternativ ausgedrückt einer hypothesenbasierten Investitionsentscheidung.

Frank Arnold

Wie kitzelt man ein paar Extra-Prozente Motivation aus den Mitarbeitern heraus, wenn es beispielsweise um die Umsetzung eines wichtigen Projektes geht. Frank Arnold über den hohen Stellenwert, den die Vermittlung von Sinn dabei spielt 

Wenn ein Unternehmen beispielsweise die Strategie verfolgt, künstliche Intelligenz zum Ausgleich der knappen Ressourcen zu verwenden, dann muss es vor diesem Hintergrund all seine Initiativen bewerten und eine Einschätzung vornehmen, wie sehr diese Initiativen innerhalb eines Quartals auf die Strategie einzahlen können. Recht schnell dürfte klar werden, dass es Projekte gibt, die stärker darauf einzahlen als andere. Und genau diese Projekte sollte man priorisieren, um die größtmögliche Wirkung pro eingesetzte Ressource zu erzielen. Wichtig dabei ist, dass die Initiativen innerhalb des Quartals einen messbaren Output generieren müssen. Nur so lässt sich bewerten, ob die Investition im kommenden Quartal sinnvoll ist. Größere Projekte müssen ganz nach dem agilen Grundgedanken in kleinere Teilbereiche zerlegt werden, die sich im Quartal umsetzen und bewerten lassen.

Um zu lernen und zukünftige Entscheidungen zu verbessern, schaut man jedes Quartal zurück und analysiert, welche dieser Wetten aufgegangen sind und welche nicht. Eine wichtige Eigenschaft für den Prozess ist das Aushalten von Unsicherheit, weil man im Vorfeld nicht weiß, was funktioniert. Man nähert sich dem ganzen aufgrund von Hypothesen an und agiert nicht im Blindflug. Aber eben auch nicht mit letzter Gewissheit. Die neuen Kategorien des Denkens sind daher wahrscheinlich und weniger wahrscheinlich statt richtig oder falsch.

Tetris ist ein gutes Beispiel für den sinnvollen Umgang mit Ressourcen

Die zweite Frage – wie findet man die Dinge, die sich nicht lohnen – berührt den Aspekt der Verschwendung von Ressourcen. Hier hilft es, sich die Frage zu stellen, welches die „knappste Ressource“ ist. Im Management spricht man hier auch von der „engpass-orientierten Steuerung“.

Das Problem, vor dem viele Unternehmen immer wieder stehen: Führungskräfte schieben viele Projekte an. Ihre Wirkung entfalten die meisten Projekte aber nur, wenn die Bemühungen unterschiedlicher Teams aufeinander abgestimmt werden. Dabei begrenzt die jeweils knappste Ressource den Durchsatz. Man kann sich das wie bei Tetris vorstellen: Erst wenn eine Reihe voll ist, ist die Anordnung der Steine „wirksam“. Nur dann waren die Ressourcen gut investiert. Passiert das nicht, hat man lauter „Halbfertigerzeugnisse“. Dann stapelt man einen Stein auf den anderen. Man kommt irgendwie voran. Es sieht aus wie Arbeit, es fühlt sich an wie Arbeit, hält uns aber von der Arbeit ab, die wirklich weiteren Nutzen generieren würde. Und am Ende hat man an ganz vielen Dingen gearbeitet und nicht wirklich etwas zu Ende gebracht. Weil überall, in jeder Reihe, ein Steinchen fehlt, damit man die Reihe vervollständigt.

Von richtig zu wahrscheinlich, von falsch zu „ging so zumindest nicht“

Einer der wichtigsten Aspekte hieran ist die Veränderung der Optimierungslogik von einer lokalen zu einer globalen Optimierung. Man optimiert nicht mehr darauf, dass ein Team mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen am meisten Output generiert, sondern dass die Summe der Outputs aller Teams den meisten Nutzen generiert.

Markus Väth

Es gibt Dinge, die gehören einfach zum Job, dafür dürfen wir keine Lobeshymnen erwarten. Anerkennung verdient dagegen echte Leistung, eingegangene Risiken und das Verlassen der Komfortzone. Leider ist das in Vergessenheit geraten

Damit der Sprung gelingt, muss man lediglich ein wenig den Blickwinkel ändern: Von richtig zu wahrscheinlich und von falsch zu „ging so zumindest nicht“. Das Denken in Wetten setzt beispielsweise eine gute Fehler- und Experiementierkultur voraus. Eine gute Fehlerkultur ist heute einer der Erfolgstreiber für Innovation. Diese wiederum erreicht man durch ein hohes Maß an psychologischer Sicherheit. Mitarbeiter:innen sollten das Gefühl haben, dass sie Experimente machen können. Denn das ist ja die Grundidee der ganzen Vorgehensweise: Sich ganz bewusst auf bestimmte Initiativen zu fokussieren – mit dem Wissen, dass man es nicht sicher vorhersagen kann, aber der Gewissheit, dass man die Ziele verfolgt, die mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit den größten Einfluss auf die gerade wichtigsten Strategien nehmen.

Wenn Unternehmen lernen, besser zu priorisieren und die gegebenen Ressourcen hypothesengetrieben im Spannungsfeld mit allen anderen potentiell sinnvollen Zielen zu investieren, sind sie gleichzeitig extrem gut aufgestellt für die Zukunft.

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