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Milliardenstreit: Viktor Orbán macht, was er will

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es ist ein Kreuz mit dem Nachwuchs und der Erziehung: Die Lütten machen, was sie wollen, und tanzen einem bei jeder Gelegenheit auf der Nase herum. Da kommt zum Beispiel der Sohnemann an und verlangt mit unschuldigem Augenaufschlag sein Taschengeld. Man weiß sofort, was da im Busch ist: Sobald keiner hinsieht, wird die elterliche Kohle ohne Sinn und Verstand verballert. Eigentlich sollte das eigene Geld ihm den verantwortungsbewussten Umgang mit den Finanzen nahebringen: Es war als Budget für seine Klamotten gedacht, hatte man mit den Kids doch schließlich so vereinbart! Aber sobald man sich umdreht, verdaddelt der Junior jeden Cent auf irgendwelchen Zocker-Websites, die man ihm neulich erst strengstens verboten hat.

Da braucht man als Erziehungsberechtigter Nerven wie Drahtseile. Es ist ja leider nicht so, dass man als Erwachsener eine einsame Entscheidung trifft und das Kind sie akzeptieren würde – erst recht nicht, wenn der Nachwuchs schon etwas älter ist. Dann macht er Rabatz. Dann grätscht er voll rein in den Familienalltag. Klopft krasse Sprüche am Esstisch, vor allem, wenn Besuch kommt und es besonders peinlich ist. Verbarrikadiert sich in seinem Zimmer, wenn man zum Wochenendausflug aufbrechen will. Und wenn man ihm das Taschengeld streicht, macht er erst recht Randale, hat er gesagt. Wir haben schon eine ganze Weile echt große Probleme mit unserem Viktor.

Da fällt mir auf, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Also, ich bin die Ursula. Und ich bin stolz auf unsere Familie, normalerweise jedenfalls. Wir haben uns ganz viel ausgedacht, damit es keinen unnötigen Zoff gibt und auch die Kinder Mitspracherecht haben, sogar die kleineren. Das ist eigentlich echt gut: Niemand wird übergangen, und auch wir als Eltern kommandieren nicht einfach nur so rum, sondern halten uns an Regeln, die für alle gelten.

Jetzt zum Beispiel wollen wir dem Viktor tatsächlich das Taschengeld kürzen. Das kann so nicht weitergehen mit ihm. Aber wir beschließen solche Sachen alle zusammen im Familienrat. Wir Eltern sind nur sozusagen die Kommission, die das vorbereitet. Am morgigen Mittwoch teilt unsere elterliche Kommission dem Familienrat also mit: Wir haben festgestellt, dass der Viktor mit seinem Taschengeld nicht wie vereinbart umgeht. Wir haben das abgecheckt. Der missbraucht das Familieneinkommen, das er zum Einkaufen von Klamotten verwenden sollte. Wir haben sogar gehört, dass er in seiner Klasse seine Kumpels besticht, damit er wieder zum Klassensprecher gewählt wird. Mit unserem Geld! Wenn jemand für seinen Konkurrenten stimmt, kriegt der von Viktors bezahlten Buddys was auf die Nase. Der macht da bei sich in der Schule die Demokratie kaputt! Das geht echt gar nicht.

Jetzt geht die Sache also an den Familienrat. Wir von der Kommission schlagen vor, das Taschengeld nicht zu streichen, aber zurückzuhalten. Als wir vor einiger Zeit schon mal ein ernstes Gespräch mit Viktor geführt haben, hat er eigentlich versprochen, sich zu bessern. Zusammen haben wir sogar 17 konkrete Punkte vereinbart, an denen er arbeiten wollte, damit das Geld nicht bei seiner Bande versickert und er aufhört, die anderen Schüler zu mobben. Das sind aber alles nur Lippenbekenntnisse gewesen. Jetzt kriegt er eben Ärger.

Das Geld nur zurückzuhalten, fanden wir eine echt gute Idee. Denn wir haben wirklich Sorge, dass unser Sorgenkind ausrastet und uns ein paar Möbel zerlegt. Damit gedroht hat er ja schon ein paar Mal. Aber wenn er das macht, kann er sich die Euro endgültig abschminken. Und das weiß er ganz genau.

Im Moment steht auch noch die Entscheidung über ein extra fettes Weihnachtsgeschenk für Viktor an. Das hat uns ganz schön Stress gemacht, denn entweder liegt das Teil unter dem Tannenbaum und belohnt ihn auch noch für seine Dreistigkeit – oder es gibt eben nichts und wir haben ein monatelanges Riesentheater. Wir schlagen dem Rat jetzt vor, das Geschenk abzusegnen – und es dann aber ebenfalls beiseitezulegen. Viktor kriegt es erst in die Finger, nachdem er Schritt für Schritt 27 Meilensteine auf dem Weg zu besserem Betragen erreicht hat. Die 17 ursprünglichen Vorsätze sind da mit dabei, und ein ganzer Batzen weitergehender Auflagen kommen noch dazu. Ist dafür aber auch ein wirklich großes Geschenk.

Aber wie gesagt, die Kommission empfiehlt das nur, entscheiden dürfen wir das gar nicht. So sind die Regeln. In einer Woche ist dann der Rat am Zug. Unsere Familie ist übrigens so groß, dass wir der Übersichtlichkeit halber vor uns kleine Fähnchen auf den Tisch stellen, wenn wir uns treffen. Ich habe eine blaue mit ganz vielen goldenen Sternchen. Bei den anderen stehen Länderflaggen, und dann rufen wir zum Beispiel "Finnland" und Sanna hat das Wort. "Ungarn" rufen wir nicht so gern, denn dann ist Viktor dran und schwadroniert wieder ewig rum.

Die Frage ist jetzt bloß, ob der Rat das alles so abnickt wie geplant. Den Viktor mag inzwischen zwar fast keiner mehr, aber viele müssen sich mit ihm arrangieren. Zum Beispiel möchten die Sanna, pardon Finnland, und Schweden in den Selbstverteidigungssportclub in unserer Gegend aufgenommen werden. Nato nennt der sich. Der Viktor ist da aber schon drin, kann über die Aufnahme neuer Mitglieder mitentscheiden und droht mit einem Veto. Zumindest will er sich erst mal nicht festlegen und lässt die anderen zappeln.

Deshalb steht uns ein nervenaufreibender Advent bevor. Aber immerhin: Wenn es im Rat für Ungarns Abstrafung keine Mehrheit gibt, sind wir von der Kommission am Scheitern nicht schuld. Wir haben klare Kante gezeigt, das erwartet man ja schließlich von uns. Wir stehen sowieso oft genug in der Kritik für unsere sprachlichen Marotten: Viel zu umständlich und zu bürokratisch würden wir uns ausdrücken. Statt von Taschengeldkürzungen würden wir von "Rechtsstaatsmechanismus" und "Fördergeldern aus dem Gemeinschaftsetat" reden, und wenn das Weihnachtsgeschenk "Corona-Wiederaufbaufonds" heiße, verstehe das alles irgendwann ja kein Mensch mehr.

Die Allianz rüstet auf