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Mindestlohn-Erhöhung in der Teuer-Krise - „Eigentlich müssten wir noch mehr kriegen“

Seit Samstag bekommt jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland mehr Lohn. Die Regierung hat den Mindestlohn von 10,45 auf 12 Euro erhöht – ein Plus von knapp 15 Prozent.

Kanzler Olaf Scholz (64, SPD) zu BILD am Sonntag: „Für mehr als sechs Millionen Beschäftigte bedeutet dies eine Gehaltserhöhung – und die ist bitter nötig. Es geht um mehr Geld, aber auch um mehr Respekt. Gerade in diesen schwierigen Zeiten ist die Erhöhung des Mindestlohns ein gutes Signal.“

Für einen Single in Vollzeit sind das laut Arbeitsministerium im Monat 270 Euro brutto mehr (160 Euro netto). „Für diese Menschen ihre bisher größte Lohnerhöhung“, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil (49, SPD). Aber: Das Gehaltsplus wird zu großen Teilen von der Rekordinflation (aktuell 10 Prozent) aufgefressen.

Wer bekommt Mindestlohn in Deutschland?

6,2 Millionen Beschäftigte (Statistisches Bundesamt), davon 2,7 Millionen Männer und 3,5 Millionen Frauen. 1,4 Millionen arbeiten voll, 1,8 Millionen in Teilzeit, 3 Millionen in einem Minijob.

Im Osten haben bisher 29,1 Prozent der Beschäftigten weniger verdient als 12 Euro die Stunde, im Westen 16,1 Prozent (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut). Die Landkreise mit dem höchsten Mindestlohn-Anteil liegen alle in Ostdeutschland: Sonneberg in Thüringen (44 Prozent), Teltow-Fläming in Brandenburg (43,1 Prozent), Saale-Orla in Thüringen (40 Prozent) und Vorpommern-Rügen in Mecklenburg-Vorpommern (39 Prozent).

Typische Berufe mit Mindestlohn sind Friseure, Bäckerei- und Metzgereifachverkäufer, Gärtner, Floristen, Einzelhandelskaufleute, Rechtsanwaltsfachangestellte, Reiseverkehrskaufleute, Restaurantfachkräfte. In der Gastronomie sind 60,3 Prozent der Mitarbeiter betroffen.

Foto: BILD

Vernichtet der höhere Mindestlohn jetzt Jobs?

Nein, sagen 155 Arbeitsagenturen in einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

Steigt die Inflation noch stärker, weil die höheren Lohnkosten auf die Preise umgewälzt werden?

Die Bundesbank erwartet nur einen geringen zusätzlichen Preisanstieg, 0,06 Prozent in 2023, 0,14 Prozent in 2024.

Die 12 Euro gelten bis Januar 2024. Erst dann kann der Mindestlohn erneut steigen. In Zeiten von Rekordinflation eine ziemlich lange Durststrecke.

Florian Wunderlich (39) arbeitet seit 2013 bei einem Pflanzencenter in Berlin

Foto: Christian Spreitz

Zierpflanzengärtner Florian Wunderlich arbeitet seit 2013 beim Pflanzen- und Staudencenter Guschke in Berlin-Dahlem: „Ich bekomme jetzt 12 Euro, davor hatte ich weniger, um die 10 Euro. Ich freue mich, denn das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Aber mit der steigenden Inflation müssten wir eigentlich noch mehr kriegen, um das zu meistern, damit ich mir das leisten kann, was ich mir vorher leisten konnte.“

Helga Klug (66) arbeitet für Mindestlohn in einer Spielothek in Plauen (Sachsen)

Foto: PASTIEROVIC

Helga Klug arbeitet seit Jahren als Servicekraft in einer Spielhalle in Plauen (Sachsen): „Ich arbeite als Minijobberin etwa 45 Stunden im Monat für 450 Euro. Ab 1. Oktober bekomme ich für die gleiche Arbeitszeit 70 Euro mehr. Das finde ich wirklich sehr gut. Aber den Mindestlohn hätte man eigentlich schon vor Jahrzehnten gleich nach der Wende anheben müssen! Dann hätte ich jetzt mehr Rente.

Ich habe 45 Jahre lang gearbeitet, zuerst als gelernte Buchbinderin, später in einer Metallbaufirma und bekomme gerade mal 1016 Euro Rente, mit der ich irgendwie hinkommen muss. Das ist manchmal nicht ganz leicht zurzeit.“

Thomas Trieb hat 28 Mitarbeiter in seiner Textilreinigung in Stuttgart

Foto: Andreas Rosar Fotoagentur-Stuttg

Thomas Trieb (56) ist Inhaber der Textilreinigung Trieb in Stuttgart: „Unsere Branche steht schwer unter Druck. Erst war Corona, jetzt herrscht eine hohe Inflation und die Preise für Energie steigen und steigen. Und aktuell auch noch die Anhebung des Mindestlohns. Das bedeutet für mich natürlich eine weitere finanzielle Belastung – inklusive Nebenkosten sind es rund 24.000 Euro im Monat.

Eigentlich müssten meine Mitarbeiter noch mehr Lohn bekommen, weil auch für sie alles teurer wird. Ich habe im Sommer meine Preise bereits um 15 bis 20 Prozent erhöht, aber das reicht kaum.“

Dieser Artikel stammt aus BILD am SONNTAG. Das ePaper der gesamten Ausgabe gibt es hier.