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Mit der Atomwaffen-Stationierung wird Belarus zum Teil des neuen russischen Reiches

Wladimir Putin liebt es, westliche Gesellschaften mit mehr oder weniger subtilen Atomdrohungen in Schrecken zu versetzen. Die neuste Nummer: Die Ankündigung des Kremlherrschers, Atomwaffen im Nachbarland Belarus zu stationieren. Viele werden das im Westen als neues Bedrohungsszenario im aktuellen Krieg empfinden. Tatsächlich hatte sich das jedoch schon vor dem erneuten russischen Überfall auf die Ukraine abgezeichnet.

Schon Ende 2021, also vor Ausbruch des Krieges, hatte der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko eine Verfassungsänderung angestrebt, die den nuklearwaffenfreien Status des Landes abschaffen und damit die Stationierung russischer Atomwaffen ermöglichen sollte. Das „Referendum“ wurde dann kurz nach Kriegsausbruch von einer angeblichen Mehrheit der Belarussen angenommen – in einem Land, das für Wahlmanipulationen der Führung bekannt ist.

Putin begründet die Entscheidung damit, dass Großbritannien panzerbrechende Munition an die Ukraine liefern will mit abgereicherten Uranköpfen. Das ist eine weitere Propagandamasche des Kreml, schließlich hat abgereicherte Uranmunition mit Atombomben nichts zu tun. Tatsächlich setzt Russland diese Art von Munition selbst als panzerbrechende Waffe ein, weil abgereichertes Uran über besonders hohe Masse verfügt, um Panzerungen zu durchbrechen. Dass die britische Munition nur als Vorwand dient, zeigt sich allein schon daran, dass die Bestrebungen, Belarus in Sachen Nuklearwaffen an Russland anzuschließen, sehr viel weiter zurückreichen. Bis 1. Juli sollen nun Lagergebäude in Belarus fertiggestellt werden, in denen taktische Nuklearwaffen untergebracht werden sollen.

Tatsächlich verändert sich mit Putins Entscheidung weder die militärische Lage in der Ukraine – noch die Bedrohung des Westens. „Das ist Teil von Putins Spiel, zu versuchen, die Nato einzuschüchtern“, sagt Hans Kristensen, Atomwaffenexperte der Föderation amerikanischer Wissenschaftler, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Stationierung in Belarus hat keinen militärischen Nutzen, weil Russland schon über so viele dieser Waffen und Kräfte innerhalb Russlands verfügt.“ Will heißen: Putin bräuchte Belarus weder, um taktische oder strategische Nuklearwaffen auf die Ukraine abzuschießen, wenn er sich den dafür entscheiden sollte, noch erhöht das die Bedrohungslage für die Nato.

Es ändert sich auch nichts an dem Status von Minsk im aktuellen Krieg. Schließlich ist Belarus seit Langem eine Operationsbasis für Russlands Krieg gegen die Ukraine. So hatte Diktator Lukaschenko sein Land von Anfang an für Russlands Soldaten zur Verfügung gestellt, die von dort ihren Sturm auf Kiew begannen. Belarus ist auch weiterhin Basis für konventionelle russische Raketen, die auf zivile Ziele in der Ukraine abgeschossen werden, und für russische Kampfflugzeuge, die von dort Angriffe gegen das Nachbarland fliegen.

Putin zeigt, dass die Unabhängigkeit von Belarus nur noch eine Farce ist

Putins Ankündigung hat also kaum militärische, sondern vor allem politische und symbolische Bedeutung. Es ist ein weiterer Schritt hin zum vollständigen Anschluss von Belarus an das neue russische Imperium, die Eingemeindung in Putins Kolonialreich. Es ist jedenfalls kein Zufall, dass Putin die Entscheidung zur Stationierung von Atomwaffen just an jenem Tag verkündete, an dem Belarussen weltweit den vom Regime verbotenen Tag der Freiheit begehen – in Erinnerung an die Unabhängigkeitserklärung der demokratischen Republik Belarus im Jahr 1918. Putin signalisiert damit, dass die Unabhängigkeit von Belarus ohnehin nur noch eine Farce ist, weil Diktator Lukaschenko sein Land inzwischen weitgehend zu Moskaus Vasallen gemacht hat.

Die Nuklearentscheidung dürfte für Putin auch ein politischer Befreiungsschlag sein. Denn wenige Tage, nachdem der Kremlherrscher sich beim Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping zum Bittsteller und Juniorpartner Pekings degradieren lassen musste, spielt er sich nun selbst gegenüber Belarus als neuer Kolonialherr auf, um die Demütigung durch China vergessen zu lassen.

Für Belarus gehen damit 27 Jahre Atomwaffenfreiheit zu Ende. Im Jahr 1996 war noch mit großem Tamtam die Überführung der letzten sowjetischen Atomwaffen nach Russland gefeiert worden. Schließlich war Belarus wie Kasachstan und die Ukraine Teil des Budapester Memorandums von 1994, in dem sich Russland verpflichtete, die Grenzen der drei Länder anzuerkennen – im Gegenzug sollte Moskau die Atomwaffen bekommen, die in den ehemaligen Sowjetrepubliken stationiert waren. Das dieses Abkommen das Papier nicht wert war, auf dem Russland unterzeichnet hatte, zeigte sich erst mit Moskaus Überfall auf die Ukraine 2014 und dann erneut im aktuellen russischen Krieg. Nun kehren auch Moskaus Atomwaffen nach Belarus zurück. Putin kommt damit der Restaurierung einer Zwergenversion des sowjetischen Reiches einen wichtigen Schritt näher.

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