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Mord an Walter Lübcke: "Der Tod meines Vaters hätte verhindert werden können"

Vor dreieinhalb Jahren wurde der CDU-Politiker Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten ermordet. Erstmals spricht nun sein Sohn Christoph über den tragischen Fall – und erklärt, was gegen den Hass gegen Politiker getan werden muss.

Ein Haus im Ortsteil Istha in der nordhessischen Kleinstadt Wolfhagen. Hier sitzt die BLG Project GmbH, die sich auf die Planung und den Bau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen spezialisiert hat. Gegründet hat die Firma Christoph Lübcke, zusammen mit seinem Bruder und seinem Cousin. Der Name ist die Abkürzung ihrer Familiennamen (Braun-Lübcke-Grimmelbein), darunter auch der ihrer Großeltern.

Im Konferenzraum wartet Christoph Lübcke mit Kaffee, belegten Brötchen und einem freundlichen, zurückhaltenden Lächeln. In Wolfhagen ist er aufgewachsen, hier lebt er noch heute mit Frau und Kindern. Nur wenige Meter von dem Haus entfernt, in dem sein Vater, der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke, am 1. Juni 2019 auf der Terrasse erschossen wurde.

Der heimtückische Mord nahm der Familie nicht nur den Vater, Großvater und Ehemann, sondern katapultierte Christoph Lübcke, seinen Bruder und seine Mutter in die Öffentlichkeit. Christoph Lübcke sucht sie nicht.

Deshalb spricht er dreieinhalb Jahre nach dem Tod seines Vaters erstmals mit einem Medium über den Verlust seines Vaters und was er für ihn, seine Familie, aber auch die Politik bedeutet. An seiner Seite sitzt an diesem Tag: Peter Tauber, Ex-Generalsekretär der CDU, Ex-Staatssekretär und Freund der Familie.

Herr Lübcke, was für ein Mensch war Ihr Vater?

Christoph Lübcke: Er war zielstrebig und bodenständig. Er wusste, woher er kam. Diese Verwurzelung hat er uns immer vorgelebt. Vor allem aber war er ein absoluter Familienmensch und ein liebevoller Vater für mich und meinen Bruder.

Warum ist er Politiker geworden?

Er wollte etwas bewegen. Mein Vater hat sich schon immer ehrenamtlich engagiert, war bei der Freiwilligen Feuerwehr und Schiedsrichter im Fußball. Es war ihm wichtig, etwas für die Gemeinschaft zu tun und Menschen auch etwas mit auf den Weg zu geben. Da lag es nahe, dass er eines Tages von örtlichen CDU-Politikern angesprochen wurde, ob er nicht in die Politik gehen wolle. Er wollte und er hat es zeitlebens gern gemacht.

Herr Tauber, Sie haben Walter Lübcke kennengelernt, als Sie Landesvorsitzender der Jungen Union in Hessen waren und er Landtagsabgeordneter. Wie haben Sie ihn erlebt?

Peter Tauber: Walter Lübcke war ein Mensch, der nicht zu übersehen war. Er war ein stattlicher Mann mit lautem, fröhlichen Lachen, der immer sagte, was er dachte. Damit eckte er auch manchmal in der eigenen Partei an. So war für ihn sehr früh schon Windkraft ein Thema, als die CDU noch dagegen war. Das hat ihn aber nie von etwas abgehalten.

Christoph Lübcke: Deshalb hatte er auch den Spitznamen "der grüne Schwarze".

Am 1. Juni 2019 wurde Ihr Vater vor seinem Haus heimtückisch von einem Neonazi mit einem Kopfschuss ermordet. Sie haben mit Ihrem Bruder und Ihrer Mutter am Prozess gegen den Haupttäter als Nebenkläger teilgenommen. Woher haben Sie die Kraft genommen und war das rückblickend für Sie die richtige Entscheidung?

Christoph Lübcke: Die Entscheidung war richtig. Es hätte uns bei der Trauerbewältigung gefehlt, wenn wir es nicht gemacht hätten. Kraft hat uns der Gedanke gegeben, dass wir es für unseren Vater und Ehemann tun. Ich hatte auch während des ganzen Prozesses das Gefühl, dass er hinter mir stand und die Hand auf meine Schulter legte.

Hat der Verlust die Familie enger zusammengeschweißt?

Christoph Lübcke: Wir waren schon immer sehr eng. Aber dass wir auch alle nah beieinander wohnen, hilft uns sehr, gemeinsam mit dem Schmerz umzugehen. Die Familie ist die große Kraftquelle.

Christoph Lübckes Handy klingelt. Wenig später kommt seine Mutter kurz vorbei. Eine herzliche Frau, die viel Energie und Wärme ausstrahlt. Man spürt, dass sie nie nur die "Frau an der Seite" eines bekannten Politikers war. Sondern gemeinsam mit ihrem Mann den Mittelpunkt der Familie bildete.