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Nach Messerangriff in Zug: Hamburg sieht bei Ibrahim A. kein Terrormotiv

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Beim Umgang der Behörden mit dem Messerangreifer lief noch mehr schief als bislang bekannt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Messerangreifer von Brokstedt bereitet der Justiz weiter Kopfzerbrechen. Trotz seiner Sympathie mit dem Attentäter Amri will man bei ihm in Hamburg keinen Terrorhintergrund sehen. Derweil muss die Ausländerbehörde Missgriffe in seiner Akte einräumen.

Trotz eines Vergleichs mit dem Attentäter Anis Amri haben die Behörden in Hamburg während der Haft des mutmaßlichen Messerangreifers von Brokstedt bei ihm keine Anzeichen für einen terroristischen Hintergrund gesehen. Es habe außer der Äußerung keine Indizien dafür gegeben, sagte Hamburgs Justizstaatsrat Holger Schatz im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags in Kiel. Der 33-jährige Ibrahim A. habe keine Kontakte in islamistische Kreis gehabt, weder einen Koran noch einen Gebetsteppich im Haftraum gehabt.

Der Palästinenser hatte am 25. Januar in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg mit einem Messer auf andere Fahrgäste eingestochen. Zwei junge Menschen starben, fünf weitere wurden teils schwer verletzt. Knapp eine Woche zuvor war er aus der U-Haft in Hamburg entlassen worden. Während seiner rund einjährigen Haft in Hamburg hatte sich Ibrahim A. mit Amri, dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, verglichen. "Es gibt nicht nur einen Anis Amri, es gibt mehrere, ich bin auch einer" - diese Aussage von Ibrahim A. sei vom Personal der JVA in einem sogenannten Wahrnehmungsbogen festgehalten worden. Nach Schatz' Angaben fiel Ibrahim A. häufig mit aggressiven Äußerungen auf, immer dann, wenn er seinen Willen nicht bekam.

Ausländerbehörde führte Messerangreifer als Syrer

Im Umgang der Behörden mit dem 33-Jährigen lief wohl noch mehr schief als bislang bekannt. Mehrere Teilnehmer einer nicht-öffentlichen Sitzung des Innenausschusses des Bundestags berichteten übereinstimmend, der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Mahmut Özdemir, habe gesagt, in die Akte, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu Ibrahim A. anlegte, sei fälschlicherweise ein Ausweis aus Syrien von einer anderen Person gelangt. Daher sei das Bamf zwischenzeitlich davon ausgegangen, dass der Mann ein staatenloser Palästinenser aus Syrien sei.

Ein Bamf-Abteilungsleiter hatte zuvor im Innenausschuss des Landtages von Schleswig-Holstein erklärt, Ibrahim A. selbst habe nach seiner Einreise 2014 gesagt, er stamme aus dem Gazastreifen und sei staatenlos. Das Bamf teilte dazu auf Anfrage mit: "Eine syrische ID-Karte war dem Verfahren zunächst fälschlicherweise zugeordnet, ist danach aber wieder der korrekten Person zugeordnet worden." Unabhängig davon hätte im Jahr 2016 aufgrund der dargestellten Fluchtgeschichte - Verfolgung durch die Hamas - ein Schutzstatus erteilt werden müssen. Im Ausschuss wurde allerdings auch darüber gesprochen, dass dem Bamf, als die Entscheidung über Schutz für Ibrahim A. fiel, nicht bekannt gewesen war, dass der Antragsteller in Nordrhein-Westfalen, wo er zunächst lebte, schon mit dem Gesetz in Konflikt geraten war.

Hin und Her wegen Aberkennung des Schutzstatus

Die Behörden in Hamburg und Schleswig-Holstein schieben sich in Bezug auf den Umgang mit dem mutmaßlichen Täter gegenseitig die Verantwortung zu. Dabei geht es unter anderem um die Frage, warum das Verfahren des Bamf zur Rücknahme des sogenannten subsidiären Schutzstatus für den Palästinenser nicht zu Ende gebracht worden war. Rückführungen in die Palästinensergebiete sind nach Auskunft des Bundesinnenministeriums grundsätzlich möglich, aber sehr schwierig. Der Gazastreifen hat keinen internationalen Flughafen. 2018 war - mit erheblichem Aufwand - ein Palästinenser aus Deutschland via Jordanien ins Westjordanland abgeschoben worden.

Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte den Ländern am Montag vorgeschlagen, dass künftig die Strafverfolgungsbehörden die Ausländerbehörden "umgehend darüber informieren, wenn die betroffene Person inhaftiert wird und wo sie inhaftiert wurde sowie wenn die betroffene Person aus der Haft entlassen wird und welche Entlassungsanschrift angegeben wurde".