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NATO-Außenminister in Bukarest: Wo Merkel einst die Ukraine ausbremste

In Ceausescus Diktator-Palast verhinderte die deutsche Bundeskanzlerin Merkel 2008 den sofortigen NATO-Beitritt der Ukraine. Heute beraten an dem historischen Ort die Außenminister des Bündnisses über Winterhilfen für das überfallene Land. Außenministerin Baerbock wählt starke Worte.

Ein monströser Bau im Zuckerbäcker-Stil, Marmortreppen und Kristallleuchter sowie endlose Gänge, die zu tausend Zimmern und 400 Sälen führen: Im Protz-Palast des früheren rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu in Bukarest tagen noch bis Mittwoch die Außenminister der 30 NATO-Länder. Der Ort ist für die NATO hoch symbolisch. Dort sagten die Staats- und Regierungschefs der Ukraine 2008 die Mitgliedschaft in der Militärallianz zu.

"Die NATO begrüßt die euro-atlantischen Bestrebungen der Ukraine und Georgiens, der NATO beizutreten. Wir haben heute vereinbart, dass diese Länder Mitglieder der NATO werden", hieß es vor fast 15 Jahren in der Abschlusserklärung des Bukarester NATO-Gipfels. Erfüllt ist das Versprechen bis heute nicht. Allerdings unterstützen die Bündnisländer Kiew im russischen Angriffskrieg in "beispielloser Weise", wie Generalsekretär Jens Stoltenberg nun in Bukarest betonte.

In der rumänischen Hauptstadt stellten die USA, Deutschland und andere Verbündete nun weitere Hilfen in Aussicht, um die Ukraine über den Winter zu bringen. Dazu zählt laut Stoltenberg "nicht-tödliche" Unterstützung mit Winterkleidung, Medikamenten, Minenräumgeräten oder Drohnen-Störsystemen. Aber auch die ukrainische Luftabwehr müsse weiter gestärkt werden, sagte der Generalsekretär.

Baerbock spricht von "Bruch der Zivilisation"

"250 Kilometer von hier beginnt der russische Terror", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mit Blick auf den Tagungsort. Sie beriet am Rande des NATO-Treffens in Bukarest mit den Außenministern der sieben großen Industrieländer (G7) und bis zu 20 Partnerländern. Dabei ging es um Hilfen zum Wiederaufbau der Energie-Infrastruktur der Ukraine, die durch die jüngste Angriffsserie schwer in Mitleidenschaft gezogen ist. Deutschland will nach Baerbocks Worten unter anderem Generatoren und Krankenwagen liefern.

Baerbock bezeichnete den russischen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine auch als "Bruch der Zivilisation". Die Grünen-Politikerin benutzt damit einen Begriff, der oft als Beschreibung für den Holocaust gebraucht wird. Dieser ist wiederum die nahezu weltweit gebräuchliche Bezeichnung für den Völkermord an Europas jüdischer Bevölkerung durch die Nationalsozialisten mit etwa sechs Millionen Toten. Baerbock sagt konkret: "Wir erleben auf brutale Art und Weise, dass der russische Präsident jetzt Kälte als Kriegswaffe einsetzt - ein brutaler Bruch nicht nur mit dem Völkerrecht, sondern mit unserer Zivilisation." Die Bombardierung von Infrastruktur bedeute, dass Familien mit kleinen Kindern bei Minustemperaturen ohne Strom, Wasser und Wärme leben müssten.

Mit diesen und den umfangreichen militärischen Hilfen hätten die NATO-Länder seit dem russischen Angriff vor gut neun Monaten demonstriert, dass "die Tür der NATO offen steht" für die Ukraine, sagte Stoltenberg in Bukarest - "nicht nur in Worten, sondern auch in Taten". Osteuropäischen Bündnisländern wie Polen und den Baltenstaaten reicht dies nicht aus: Sie wollen den Beitrittsprozess der Ukraine beschleunigen und damit die Forderung von Präsident Wolodymyr Selenskyj erfüllen. Einen "neuen Ansatz" für einen Beitritt der Ukraine forderte in Bukarest auch Tschechien.

"Historischer Fehler"

In Osteuropa gibt es viele, die den Gipfelkompromiss der NATO von 2008 für einen historischen Fehler halten. Damals bremste Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit Frankreich und anderen Ländern US-Präsident George W. Bush aus, der die Allianz zu einer sofortigen Aufnahme der Ukraine wie Georgiens drängte. Auch der heutige NATO-Generalsekretär Stoltenberg zählte als norwegischer Regierungschef zu den Kritikern der Mitgliedschaft. Ein Aufnahmeversprechen ohne Zieldatum kam bei dem Gipfel heraus. "Russland ist ein Partner", konnte daraufhin Merkel zum Abschluss des Bukarester Gipfels verkünden, an dem der russische Präsident Wladimir Putin sogar noch persönlich teilnahm.

Hätte die NATO die Ukraine und Georgien schon damals aufgenommen, hätte Putin beide Länder niemals überfallen, glauben Merkel-Kritiker unter anderem in Osteuropa. Bereits im Sommer 2008 marschierten russische Truppen in Georgien ein, 2014 annektierte Russland die ukrainische Krim-Halbinsel, im Februar dieses Jahres folgte der Angriffskrieg auf die ganze Ukraine.

Einer NATO-Mitgliedschaft dürfte die Ukraine in Bukarest nicht näher kommen, auch wenn Außenminister Dmytro Kuleba persönlich zu einem Abendessen anreist. Denn Deutschland, aber auch die USA unter Präsident Joe Biden, haben kein Interesse daran, die NATO in den Krieg mit Russland hineinziehen zu lassen. Eine Mitgliedschaft der Ukraine jetzt voranzutreiben, wäre völlig "unverantwortlich", hieß es in Bukarest.