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News: Corona in China, Reichsbürger-Terrorzelle, Friedrich Merz

Neue Gefahr im Hintergrund

Jede und jeder Zehnte in Deutschland leidet in diesen Tagen laut Robert Koch-Institut (RKI) unter einer akuten Atemwegserkrankung, besonders betroffen sind Kinder und junge Erwachsene. Aus der vielerorts prognostizierten Winter-Coronawelle ist glücklicherweise noch nichts geworden. Dafür quälen uns nun aber Grippe- oder RS-Viren oder die gemeine Erkältung.

PCR-Test in Shanghai

Foto: --- / dpa

Corona habe seinen Schrecken verloren, heißt es jetzt allerorten. Ich weiß, dass es so einfach nicht ist – siehe etwa zum Hintergrund hier  – aber ich lese und höre diesen Satz dennoch gern. Weil er mir das Gefühl postpandemischer Leichtigkeit beschert.

Neulich hat Christian Drosten der »Zeit« ein Interview gegeben und darüber stand: »Die Lage für das Virus wird prekär.« Ich lieb’s. Hätte ich nur nicht weitergelesen. Denn der Virologe erklärt, eine wirklich neue Variante könnte wohl nur drohen durch »erneute massive Verbreitung irgendwo auf der Welt, wo das jetzt noch möglich ist«. Looking at you, China!

Und tatsächlich hat das Regime in Peking unter dem Druck der Straße die strikte Null-Covid-Politik gelockert. Das ist grundsätzlich ein richtiger Schritt, weil diese Politik gegen die hochinfektiöse Omikron-Variante nicht funktionieren kann. Nur hat Alleinherrscher Xi Jinping das Land null darauf vorbereitet: Westlichen, hochwirksamen Impfstoff gibt es für die breite Bevölkerung nicht, jeder Zehnte ist überhaupt nicht geimpft, viele sind nicht geboostert. Das Virus trifft in der Folge auf eine epidemiologisch weitgehend naive Bevölkerung.

Mein Kollege Christoph Giesen in Peking kommentiert: »Mit einer politischen 180-Grad-Wende schickt die chinesische Regierung das Land in die Pandemie. Nichts ist vorbereitet. Nicht mehr die Partei kümmert sich um das Wohlergehen der Chinesen, sondern ein jeder um sich selbst. Es ist ein kaum vorstellbares Sozialexperiment.« China habe ähnlich viele Intensivbetten wie Deutschland, aber dort leben 17-mal mehr Menschen. »Hunderttausende, ja Millionen könnten sterben«, warnt Christoph.

Xi Jinping

Foto: BANDAR ALJALOUD / HANDOUT / EPA

Welch’ ein Wahnsinn. Erneut zeigt sich, welches Ungemach autoritäre Regime über die eigene Bevölkerung bringen können. Chinas Pandemiepolitik ist ideologiegetrieben, die Wirklichkeit hat sich nach geltender Parteilinie zu richten.

Beim Ausbruch der Pandemie vor bald drei Jahren war das schon einmal zu beobachten: Zu lange wurde der ursprüngliche Coronaausbruch vertuscht, die Gefahr geleugnet. Eine Demokratie mit ihrem systemimmanenten Transparenzgebot hätte womöglich die Welt vor dieser Seuche bewahren können. Xi Jinpings Diktatur aber verfolgte eben keine Null-Covid-Politik, als das dringend geboten war: sofort nach den allerersten Anzeichen eines Ausbruchs.

Viel Geld, viele Waffen

»Nach allen Mitteilungen, die ich in letzter Zeit bekommen habe, sieht es böse aus. Es steht nicht gut um die Republik. Sie hat harte, gefährliche, mächtige Feinde – und ein Haufe gleichgültiger, schadenfroher, politisch vernagelter Zuschauer wartet ruhig ab, was da werden wird.« So schrieb Kurt Tucholsky vor hundert Jahren über die Republik von Weimar.

Verhafteter Heinrich XIII. Prinz Reuß

Foto: Boris Roessler / dpa

Wir sind also heute in einer weit besseren Lage: Die Feinde der Republik sind weniger mächtig, ihre Bürgerinnen und Bürger weniger gleichgültig. Und doch bekomme ich ein mulmiges Gefühl, wenn ich die Enthüllungen unseres Teams um meinen Kollegen Jörg Diehl zur »Reichsbürger«-Terrorzelle lese.

Inzwischen sind 54 Männer und Frauen Beschuldigte des Verfahrens. In mehr als 50 Wohnungen, Häusern und Lagerräumen haben die Sicherheitsbehörden nach eigenen Angaben Waffen entdeckt, darunter Gewehre und Munition. Nach SPIEGEL-Informationen wurden unter anderem beschlagnahmt: Neun-Millimeter-Pistolen, Schwerter, Messer, Elektroschocker, Gefechtshelme, Nachtsichtgeräte sowie die Dienstwaffen einer Polizistin und eines Polizisten, die zu den Verdächtigen gehören.

Kurt Tucholsky

Foto: picture-alliance / dpa

Noch einmal Tucholsky aus dem Jahr 1922: Die Waffenlager der »Geheimorganisationen« reichten zur »Überrumpelung einer fast völlig waffenlosen Bevölkerung« immer noch aus. Und die antirepublikanischen Geldgeber würden nicht gefasst, obgleich man viele kenne.

Zurück in die Gegenwart: Die Ermittler fanden nach SPIEGEL-Informationen große Mengen von Geld und Wertgegenständen. Demnach sollen mehr als 130.000 Euro in bar sowie eine erhebliche Menge Gold und Silber sichergestellt worden sein.

Die Republik in der Version 2022 wehrt sich.

Endlich Chef, verspätet

Es gibt in diesem Land manches Ding, das einen gefühlt das ganze Leben begleitet. Sahnebonbons einer gewissen Marke etwa. Oder Waschpulver. Oder Friedrich Merz. Der gehört für mich zum Politinventar der Bundesrepublik. Und seit Jahresbeginn steht er wieder ganz vorne, in Reihe eins, als CDU-Chef, endlich gewählt im dritten Anlauf, und als Oppositionsführer im Bundestag.

Freidrich Merz

Foto: Michael Kappeler / dpa

Fraktionschef war der heute 67-Jährige vor vielen Jahren schon mal, es war nicht von Erfolg gekrönt. Merz verlor das große Steuerreformspiel gegen den gewieften Kanzler Schröder und später verlor er das große Vorsitzspiel gegen die gewiefte CDU-Chefin Merkel. Aber damals schwamm Merz gewissermaßen im politischen Mainstream. Heute wirken seine Forderungen manchmal altbacken, auf eine behäbige Art konservativ.

Kann er die Union so vor dem ideellen Bankrott retten? Meine Kollegin Sophie Garbe hat für unsere Jahreschronik – hey, es ist schon Dezember! – Merz’ erstes Jahr als Chef Revue passieren lassen und hat festgestellt, dass der Mann eine neue Disziplin für sich entdeckt habe: die politische Akrobatik. Vom Jonglieren über die Rolle rückwärts zum Spagat.

Ich verrate Ihnen hier natürlich nicht, was das im Detail bedeutet, Sie sollen den schönen Text ja selbst lesen. Nur soviel: »Merz steckt in einer Zwickmühle, in der sich derzeit viele konservative Parteien befinden. Es geht darum, wie man sich angesichts multipler Krisen und gesellschaftlicher Veränderungen aufstellen soll«, schreibt Sophie: »Ob man sich als Partei für progressivere, urbane Milieus öffnet, wie es die CDU in Teilen unter Merkel getan hat, oder ob man sich stärker nach rechts orientiert.«

Nun wolle die CDU aber immerzu »Partei der Mitte« sein – »nur was ist die konservative Mitte in einer Zeit, in der vieles zu den Rändern zu streben scheint?«

Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Selenskyj beklagt Terror durch russische Minen, Waffenhändler But in Moskau empfangen: Russland vermint den Boden in der Ukraine – laut der Regierung in Kiew auch mit Zivilisten als Ziel. Wiktor But ist wieder in der Heimat. Und: Oligarchen machen offenbar in Lettland weiter Geld. Die wichtigsten Entwicklungen.

  • Putins perfider Deal: Die Freilassung von Brittney Griner sorgt in den USA für Erleichterung – doch ein anderer US-Bürger wird weiter in Russland festgehalten. Wladimir Putin lässt sich als Gewinner des Tauschhandels feiern. 

  • »Ein kompletter Stromausfall wäre eine Katastrophe«: Elf Millionen Menschen in der Ukraine bekommen derzeit humanitäre Hilfe. Noch können die Uno und NGOs sie versorgen – doch vielleicht nicht mehr lange, warnt Denise Brown, die ranghöchste Uno-Diplomatin in der Ukraine. 

  • Russlands Loch im Schutzschirm: Bei Attacken auf russische Flughäfen flogen Drohnen lange Strecken durch Russlands Luftraum. Dabei verfügt Moskau eigentlich über genug Militärtechnik zur Verteidigung. Welches Problem hat Putins Flugabwehr? 

Hier geht's zum aktuellen Tagesquiz

Die Startfrage heute: In welchem EU-Land ist der Mindestlohn am höchsten? (Stand 2022)

Gewinner des Tages …

… ist Chris de Burgh. Seit vielen Jahren habe ich von diesem irischen Sänger nichts mehr gehört. Also im doppelten Sinne nichts gehört. Habe das auch nicht vermisst.

Gestern aber bin ich über eine Meldung aus dem niedersächsischen Hameln gestolpert: de Burgh trägt sich heute ins Goldene Buch der Stadt ein, am Samstag werde dort sein »Robin-Hood-Musical« aufgeführt, das in Deutschland zuvor nur im hessischen Fulda gezeigt worden sei. Hameln, Fulda – das sind jetzt so die Orte für Chris de Burgh.

Schmalzbarde de Burgh

Foto: Hendrik Schmidt / dpa

Ich erinnere mich daran, dass ich während seiner großen Zeit mal eines seiner Lieder aus dem Radio mitgeschnitten habe, auf Kassette. Diese Dinger mit dem Magnetband drin. Natürlich hatte ich nicht exakt den Anfang abgepasst – wie auch? – sodass noch ein Stück Anmoderation mit darauf war. Also leierte der Radiomann auf meiner Kassette ein ums andere Mal: »Hier ist der irische Heino«, bevor die Musik startete. Das hat sich mir damals ins Hirn gebrannt und ist bis heute nicht mehr überspielt worden.

In das neue Musical habe ich nun natürlich einmal reingehört. Na ja, was soll ich sagen, es klingt so wie Chris de Burgh immer klang. Schmalz in der Stimme, paar Oktavsprünge, Streicher. Fertig ist der Pathosmix.

Ist gar nicht so abfällig gemeint. In Hameln spielen sie am Wochenende dann eben ein wenig heile Welt, das Gute triumphiert übers Böse und so. Kann doch nicht schaden.

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • Die drei Verrenkungen des Friedrich Merz: Friedrich Merz muss sich als CDU-Vorsitzender neu erfinden – und gleichzeitig seine Partei an die Opposition gewöhnen. Wie er versucht, die Christdemokraten vor dem ideellen Bankrott zu retten. 

  • »Ich mache keine beruflichen Termine vor acht Uhr«: Sie hat einen Vorstandsposten und ein Aufsichtsratsmandat, arbeitet als Speakerin, ist Buchautorin. Wie bekommt Fränzi Kühne das alles unter? Hier zeigt sie ihren Kalender und erzählt, warum sie zum Ausgleich GZSZ guckt. 

  • Sie lässt den Hass an sich abperlen wie die Meerjungfrau das Wasser: Die Realfilmversion von Disneys »Arielle, die Meerjungfrau« sorgt für heftige Reaktionen im Netz. Und die Titelheldin? Reagiert auf rassistische Kommentare, in dem sie die Bedeutung ihrer Rolle für viele Menschen hervorhebt. 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Sebastian Fischer