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News des Tages: Erdbeben in der Türkei, Letzte Generation, Maskenentsorgung

1. Ein Beben, das die Welt erschüttert

Bei schweren Erdbeben im Südosten der Türkei sind heute mehrere Tausend Menschen getötet oder verletzt worden. Türkische und syrische Behörden sprachen von mehr als 2000 Todesopfern. Angesichts vieler Verschütteter werde die Zahl noch steigen, heißt es.

Das erste Beben erschütterte die Grenzregion kurz nach vier Uhr morgens; es folgten Dutzende Nachbeben. Zur Mittagszeit gab es dann einen zweiten Stoß, der ähnlich stark war wie das Hauptbeben am frühen Morgen. Nach Berechnungen des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) in Potsdam hatte die stärkste Erschütterung eine Magnitude von 7,7.

Das Ausmaß der Schäden ist noch nicht absehbar. Überlebende berichten von dramatischen Szenen. Die Wetterbedingungen erschwerten die Rettungsarbeiten, erklärte der türkische Präsident Erdoğan. In den betroffenen Provinzen herrschen zurzeit Minusgrade, in einigen Gegenden schneit es.

Der syrische Machthaber Baschar al-Assad berief eine Krisensitzung seines Kabinetts ein, wie das Präsidialamt mitteilte. Das syrische Staatsfernsehen zeigte Aufnahmen von Rettungsteams, die bei starkem Regen und Schneeregen nach Überlebenden suchten.

Mein Kollege Christoph Seidler   hat mit dem Erdbebenexperten GFZ-Forscher Marco Bohnhoff vom GFZ gesprochen. Er sagt, es sei eine Frage der Zeit gewesen, dass so etwas passiert. Geologisch erklären lässt sich das Beben mit der Kollision der Kontinentalplatten. Im Bereich der Türkei liege die kleine Anatolische Erdplatte zwischen der aus Süden drückenden Arabischen und der im Norden liegenden Eurasischen Platte. Die Anatolische Platte wird in Richtung Westen weggeschoben. Dabei reiben sich die Platten aneinander.

An der Ostanatolischen Verwerfung – sie besteht aus mehreren Einzelsegmenten – bewegen sich die Platten im Schnitt um bis zu einem Zentimeter pro Jahr seitlich gegeneinander. »Mit der Zeit staut sich das auf«, so Erdbebenexperte Bohnhoff. Bei einem Erdbeben entladen sich die Spannungen dann mit einem Mal. »Beide Platten verschieben sich binnen Sekunden um mehrere Meter. Die gesamte spröde Erdkruste reißt bei so einem Beben bis in etwa 20 Kilometer Tiefe auf.« Innerhalb kürzester Zeit werden so über mehrere Jahrhunderte aufgebaute Spannungen gelöst.

Die Katastrophe löste weltweite Anteilnahme aus. Bundeskanzler Olaf Scholz versprach Hilfe, ebenso die Nato, die Vereinigten Staaten, Israel und weitere Länder. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilte mit, Unterstützung sei bereits auf dem Weg.

2. Ferienende bei der »Letzten Generation«

Die Klimaprotestgruppe »Letzte Generation« hat, soweit sie vereinzelt nicht noch im Urlaub in Fernost ist, heute wieder Straßen in mehreren deutschen Städten blockiert. In Berlin klebten sich Aktivistinnen und Aktivisten an einer Autobahnausfahrt und vor Kreuzungen fest, was lange Staus zur Folge hatte, deren klimaschädliche Wirkung vorsichtshalber noch niemand ausgerechnet hat. In Hannover kippten sie Farbe auf das Ernst-August-Denkmal. Auch in Leipzig, Magdeburg, Jena und München gab es Aktionen.

Nachdem am Wochenende Bundeskanzler Olaf Scholz die Klebeproteste kritisiert hatte (»Viele schütteln den Kopf. Ich auch«), wandte sich heute die Fraktionschefin der Grünen, Katharina Dröge, gegen die Aktionen. »Was ist die Botschaft daran? Was wollen die bewirken?«, so Dröge in einem RTL-Interview. »Wollen sie den Leuten etwa sagen, fahrt nicht mehr zur Arbeit oder bringt eure Kinder nicht mehr zur Schule – da passt Handeln und Botschaft nicht zusammen.«

Mitglieder der »Letzten Generation« haben dennoch angekündigt, die Proteste in den nächsten Tagen fortsetzen zu wollen. Tatsächlich ist es offenbar falsch zu glauben, von Festnahmen und Klageandrohungen ginge eine abschreckende Wirkung aus. Das Gegenteil ist der Fall: Erst die Auseinandersetzung mit der Staatsmacht führt zu jener Emotionalisierung, mit der die Aktivisten die Bevölkerung aufzurütteln gedenken. Auf die eine oder andere Weise.

Dazu passt, was am Wochenende die »Welt am Sonntag« über das Innenleben der »Letzten Generation« berichtete. In Excel-Tabellen mit persönlichen Daten, die unverschlüsselt im Internet kursierten, fanden sich demnach Kommentare über Gesundheitszustand und psychische Robustheit einzelner Mitglieder, auch über die Bereitschaft, im Zuge eines Protests ins Gefängnis zu gehen.

Eine »Letzte Generation«-Sprecherin sagte zwar, der Ordner seit veraltet. Dennoch bestätigt der Vorgang, wie ernst es der Bewegung ist. Und wie deprimierend es sein muss, sich und seine Gesundheit bei Aktionen zu verschleißen, die an Sinnlosigkeit kaum zu überbieten sind.

3. Coronamasken: Auch nicht haltbarer als Himalayasalz

Erst waren sie heiß begehrt, nun sollen sie verbrannt werden: Das Gesundheitsministerium von Nordrhein-Westfalen will zehn Millionen überzählige Coronamasken loswerden, ebenso mehr als sieben Millionen Schutzkittel und etwa eine Million Schutzbrillen. Grund dafür sei das ablaufende Verfallsdatum. Sofern die Ware nicht doch abgerufen werde, »erfolgt die thermische Verwertung (Entsorgung)«, teilte das Ministerium mit.

Ich erinnere mich gut, mit welch großem Aufwand die Kittel im Frühjahr 2020 beschafft wurden. Lieferant war das Unternehmen Van Laack aus Mönchengladbach, ein Premiumhersteller, dessen Businesshemden kaum unter 100 Euro zu bekommen sind. Der Sohn des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet hatte den Kontakt vermittelt, was monatelange Diskussionen zur Folge hatte. 45 Millionen Euro gab NRW damals allein für die Kittel aus.

Überrascht hat mich hingegen nun die Information, dass Schutzmasken, Kittel und Brillen über ein Verfallsdatum verfügen, mit dessen Ablauf sie offenbar ihre Funktion verlieren. Man kennt das vom Himalayasalz: Abermillionen Jahre lagert es qualitativ unbeeinträchtigt in der Natur. Doch sobald es im deutschen Einzelhandel auftaucht, verdirbt es binnen weniger Monate, jedenfalls legt das der Verpackungsaufdruck nahe.

Hier ein Vorschlag: Da nicht auszuschließen ist, dass sich Pandemien in näherer Zukunft wiederholen, wäre ich dafür, das Containern von Corona-Schutzgegenständen zu legalisieren, ähnlich wie bei abgelaufenen Lebensmitteln im Supermarkt. Das NRW-Gesundheitsministerium müsste die Kisten mit Masken und Kitteln nur vor die Tür stellen; die Bürgerinnen und Bürger könnten sich frei bedienen. Und bei der nächsten Coronawelle wären sie damit wohl deutlich besser dran als mit den Stofflappen, die sich viele ansonsten wieder selbst schneidern müssten.

Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Raketen auf Cherson, Polen drängt auf Entscheidung über Kampfflugzeuge: Geht es nach Polen, soll auf der Sicherheitskonferenz über Kampfjets für Kiew entschieden werden. Kriegsflüchtlinge landen oft in mittelgroßen deutschen Städten. Und: Debatte über russische Sportler. Die wichtigsten Entwicklungen.

  • Sechs Dinge, die Europas Politiker über die ausgewanderten Russen wissen sollten: Rund eine Million Russinnen und Russen haben ihr Land seit Kriegsbeginn verlassen. Oft in Richtung Westeuropa. Und viele weitere könnten folgen. Wie sollte die EU damit umgehen ?

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

Podcast Cover

Was heute sonst noch wichtig ist

  • EU lädt Selenskyj zu Gipfeltreffen am Donnerstag ein: Am Donnerstag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel. Nach SPIEGEL-Informationen wird zudem mit einem zusätzlichen Gast geplant: dem ukrainischen Präsidenten.

  • Mehrheit der Demokraten gegen zweite Amtszeit von Joe Biden: Wenn US-Präsident Biden für eine zweite Amtszeit kandidiert, wäre er bei Amtsantritt 82 Jahre alt. Ob er antritt, ist noch unklar – aber eine deutliche Mehrheit der US-Bevölkerung hat sich bereits eine Meinung gebildet.

  • AKW Emsland wieder am Netz – nach letzter Revision: An sich wäre es keine Nachricht: Nach einer kurzen Revision produziert das AKW Emsland nun wieder Strom. Das Besondere: Diesen Vorgang wird es in Deutschland wohl nie wieder geben.

  • Dänemark erlaubt CO₂-Einlagerung unter der Nordsee: Die dänische Regierung hat mehreren Unternehmen grünes Licht für die Speicherung von CO₂ unter dem Meeresboden gegeben. Es geht um Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr.

Meine Lieblingsgeschichte heute: Wie ich lernte, Luxusuhren zu lieben

Foto:

Roderick Aichinger / DER SPIEGEL

Wie so viele Männer, die der statistisch erwartbaren Lebensmitte zustreben, hat mein Kollege Felix Dachsel eine Begeisterung für teure mechanische Uhren entdeckt : Rolex, Omega, Patek Philippe. Sein Erweckungserlebnis hatte er vor ein paar Wochen in einem kleinen Uhrengeschäft in der Münchner Innenstadt. Felix schreibt: »Ich sitze also in diesem Laden und halte eine Omega Seamaster in der Hand. Eine Taucheruhr aus Stahl. Ich versinke im tiefblauen Ziffernblatt. Wie ein kleiner Ozean. Der Sekundenzeiger tickt nicht, er gleitet. James Bond trägt eine Seamaster, das habe ich vielleicht im Hinterkopf.«

Woher kommt die Begeisterung für Uhren, die keine präzisere Zeitangabe machen als eine Swatch oder das Handy, dies aber zu einem grotesk höheren Preis? Um eine Antwort zu bekommen, unternahm Felix eine Recherchereise, um die ihn einige Menschen in der Redaktion beneideten. Er traf die Munich Wrist Busters, zwei Influencer Anfang zwanzig, die mit Luxusuhren, echten wie falschen, zu Internetstars geworden sind. Und er fuhr ins schweizerische Biel zum Omega-Hauptquartier, wo sich Firmenchef Raynald Aeschlimann spontan den Vormittag freimachte, um Felix durch die Fabrik zu führen.

»Ich bin mit Kritik am Kapitalismus aufgewachsen, mit Kritik am unendlichen Wachstum«, schreibt Felix.  »Als ich älter wurde, merkte ich, dass ich den Kapitalismus eigentlich ganz gut finde, Kaufen machte mir Spaß. Nun aber spüre ich diese sentimentale Sehnsucht nach etwas, das lange hält. Nach Dingen, die bleiben. Diese Unlust, eine kurzlebige Smartwatch zu tragen. Meinen Ärger über die wachsenden Berge von Elektroschrott.«

Und so habe er wohl seine Form der Kapitalismuskritik gefunden: Luxusuhren.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • »Ich habe Herrn Musk klargemacht, dass er sich an das Gesetz halten muss«: Die EU muss ihre Interessen gegen die USA und China robust verteidigen, sagt Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Dafür will er Zukunftstechnologien subventionieren – und Social-Media-Plattformen notfalls abschalten .

  • Chief Executive Ottifant: Dieter Zetsche nennt sich in seinem Buch selbst »Dieter Z.«? Otto Waalkes ist Vorstandsvorsitzender? Warum Sprachprogramme wie ChatGPT mitunter halluzinieren – und wie das Problem gelöst werden soll .

  • Die Frau, die sich schon als Zwölfjährige mit dem Disney-Konzern anlegte: Was die Schauspielerin und Regisseurin Sarah Polley erlebt hat, reicht für fünf Leben: Krankheit, Missbrauch, ein schrecklicher Unfall. Ihre Erfahrungen nutzt sie für so weise Filme wie das #MeToo-Drama »Die Aussprache« .

  • Der Kapitän haut erst auf den Tisch, wenn es um ihn geht: Manuel Neuer hat mit einem Interview den eigenen Arbeitgeber brüskiert. Er geht damit auch ein hohes Risiko ein. Das hätte man sich von dem Kapitän bei anderen Gelegenheiten schon früher gewünscht .

Was heute weniger wichtig ist

Grammy-Flut: US-Sängerin Beyoncé, 41, hat den Rekord für die meisten Grammys aller Zeiten aufgestellt. Bei der Verleihung des Musikpreises gestern Abend in Los Angeles gewann sie in den Kategorien beste Dance-Aufnahme, bestes Dance-Album, beste traditionelle R&B Performance und bester R&B Song und kommt damit auf nunmehr 32 Auszeichnungen. Unter den diesjährigen Grammy-Gewinnerinnen ist auch eine Deutsche: Die Sängerin Kim Petras  und der britische Sänger Sam Smith wurden für ihren Klubhit »Unholy« ausgezeichnet – sie gewannen die Trophäe als bestes Popduo.

Mini-Hohlspiegel

Schild nahe Zell (Mosel)

Und heute Abend?

Annalena Baerbock und Humor: eine Kombination, die nach allgemeiner Einschätzung so gut zusammenpasst wie Olaf Scholz und Ekstase, Friedrich Merz und Demut, Karl Lauterbach und Zwiebelmett. Also eher nicht so gut. Bis jetzt. Denn nun wurde die Außenministerin mit dem berühmtesten Humorpreis Deutschlands ausgezeichnet. Der Aachener Karnevalsverein (AKV) verlieh ihr den Orden wider den tierischen Ernst. Baerbock habe sich großen Respekt auf internationaler Ebene erarbeitet, lobten die Karnevalisten. Dabei bleibe sie bei allen Herausforderungen des Amts »schlagfertig, selbstironisch und menschlich nahbar«.

Wie sich Baerbock als Ordensträgerin schlug, können Sie heute Abend ab 21.45 Uhr in der Aufzeichnung der ARD sehen  . Der Anfang ihrer Rede war schon mal nicht schlecht: »Ich habe sehr lange überlegt, was meine heutige Verkleidung angeht«, sagt Baerbock. »Ich wollte eigentlich als Leopard kommen. Aber dann hatte ich doch etwas Sorge, dass mir das Kanzleramt wochenlang keine Reisegenehmigung erteilt.«


Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.

Herzlich Ihr Alexander Neubacher, Leiter Meinung und Debatte