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News des Tages: Verbrenner-Aus, Volker Wissing, Rupert Stadler, Thomas Tuchel

1. Ausgebrannt

In der EU dürfen ab 2035 keine Neuwagen mehr verkauft werden, die mit Benzin oder Diesel fahren. Das weitgehende Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor, es ist beschlossen. Und der deutsche Verkehrsminister? Von Volker Wissing (FDP) hat man noch kein Statement zum Kompromiss gehört, er hängt immer noch im Koalitionsausschuss in Berlin fest, bei dem es nach wie vor keine Einigung gibt. Die Brüsseler Gesetzgebung kann nach Zustimmung der Energieminister nun in Kraft treten. Demnach dürfen Neuwagen ab 2035 keine CO2-Emissionen mehr ausstoßen. Im Jahr 2030 müssen die Werte 55 Prozent unter dem Niveau von 2021 liegen.

»Es ist damit der Weg frei, zu 100 Prozent emissionsfreier Mobilität«, sagte Österreichs grüne Energieministerin Leonore Gewessler. Sie sei froh, dass die Blockade gelöst wurde. »Dass es jetzt ein Schlupfloch gebraucht hat, um noch Zauderer mit auf den Weg zu nehmen, das finde ich schade.«  

Eigentlich hatten sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments bereits Ende Oktober auf das Vorhaben geeinigt. Die Bundesregierung stellte aber Nachforderungen und verzögerte so die Bestätigung des Verhandlungsergebnisses um mehrere Wochen. Die deutsche Bundesregierung setzte durch, dass es auch nach 2035 noch möglich sein soll, ausschließlich mit klimafreundlichen synthetischen Kraftstoffen betankte Verbrenner-Autos neu zuzulassen. Sogenannte E-Fuels. Oder besser: FDP-Fuels.

Wissing wird den Brüsseler Kompromiss also sicher anders interpretieren als seine Kollegin in Österreich.

Womöglich spielten sich beim Koalitionsausschuss in Berlin ähnliche Szenen ab wie zuvor in Brüssel. Einer der Streitpunkte ist das Thema Heizen. Es gab längst eine Einigung, die jetzt wieder zur Debatte steht. Schon 2022 verständigte sich die Ampel darauf, dass ab 2024 »möglichst jede neu eingebaute Heizung« zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Schon damals war klar, dass dies auf ein Verbot neuer Öl- und Gasheizungen hinauslaufen wird.

Das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) hat die Einigung von 2022 in einen Gesetzentwurf gegossen, der für den Einbau neuer Heizungen ab 2024 verschärfte Regeln vorsieht. Jetzt besteht die FDP aber darauf, dass die Bürger nicht weiter belastet werden, »weder durch Steuererhöhungen noch durch ein übereiltes Verbot von Öl- und Gasheizungen«, wie FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sich ausdrückte.

Als ich diese Lage am Abend zu Ende geschrieben habe, gab es noch keine Einigung. Wenn es wie in Brüssel läuft, ist der Koalitionsausschuss womöglich zu Pfingsten noch nicht zu Ende – und Deutschland hätte eine veritable Regierungskrise.

2. Ablass für Abgas

Der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler und drei Mitangeklagte stehen wegen manipulierter Dieselfahrzeuge und möglichen Betrugs vor Gericht. Der Prozess dreht sich um einen der größten Wirtschaftsskandale der Nachkriegsgeschichte, er dauert bereits zweieinhalb Jahre. Als das Verfahren gegen Stadler begann, hielten es seine Verteidiger für eine Zumutung: »Die Justiz in Bayern hat den Ehrgeiz zu zeigen, dass der harte Weg zum Erfolg führt«, sagte sein Anwalt damals. Die Staatsanwaltschaft habe unbedingt einen prominenten Namen präsentieren wollen, als Trophäe gewissermaßen.

Weitere hochrangige Beschuldigte wie der ehemalige VW-Boss Martin Winterkorn, den die US-Behörden sogar mit internationalem Haftbefehl suchen ließen, entzogen sich einer drohenden Gefängnisstrafe. Sie vermieden Reisen ins Ausland – aus Angst, verhaftet und ausgeliefert zu werden. In Deutschland kommen die Gerichtsverfahren auch wegen der drei Pandemiejahre nur langsam voran.

Die Beweislage gegen Stadler war dünn, dennoch saß der Automanager in Untersuchungshaft. Dem früheren Audi-Boss wird nicht vorgeworfen, den Abgasbetrug selbst veranlasst oder gebilligt zu haben. Er soll lediglich zu wenig für die Aufklärung getan und den Verkauf manipulierter Dieselautos nicht gestoppt haben. Stadler bestritt das bislang.

Das Landgericht München sieht das offenbar anders. Es ist wohl von seiner Schuld überzeugt. Heute signalisierte es, dass er mit einer Verurteilung rechnen muss. »Die Angeklagten Hatz und Stadler sind nicht geständig«, sagte der Richter. Für Stadler sowie den früheren Audi-Motorenchef und Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und den Ingenieur Giovanni P. kämen Freiheitsstrafen in Betracht, sagte der Richter am 161. Verhandlungstag. Die Strafen könnten nur »bei einem vollumfänglichen Geständnis« zur Bewährung ausgesetzt werden. Laut Gesetz kann Betrug mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft werden, in schweren Fällen mit bis zu zehn Jahren. Mit einem Urteil wird im Lauf der kommenden Monate gerechnet.

3. Alles tanzt nach seiner Pfeife

Wenn bei Bayern München ein neuer Trainer antritt, hat das für manche Menschen in Deutschland dieselbe Dimension wie ein Regierungswechsel und die erste Rede eines neuen Bundeskanzlers im Bundestag. Wenn man so will, hatte Münchens Neu-Coach Thomas Tuchel heute seine erste Regierungserklärung. Minutiös wurde beobachtet, wie er sich schlägt:

  • Er kam sechs Minuten zu spät zum Training.

  • Er trug wegen der winterlichen Temperaturen Mütze und Handschuhe.

  • Er zählte Stoppuhr und Pfeife zu seiner Ausstattung – beides um den Hals baumelnd.

  • Er kontrollierte den Rasen!

Leroy Sané verpasste Tuchel beim Warmlaufen einen freundschaftlichen Tritt in den Hintern, Bouna Sarr bekam später eine Kopfnuss. Vor allem aber griff der neue Trainer bei den ersten Übungen sofort energisch ein. Er korrigierte Nachwuchsspieler, aber auch Stars wie Eric Maxim Choupo-Moting. Als Feldspieler aus dem Profikader waren ansonsten nur Thomas Müller und Joao Cancelo dabei.

Ansonsten kamen von Tuchel ähnliche Stanzen, wie sie auch mitunter am Rednerpult im Bundestag zu hören sind. »Die Herausforderung« am Samstag könne »nicht höher sein«, sagt Tuchel. Dann trifft Bayern als Tabellenzweiter auf den Tabellenersten, seinen früheren Verein Borussia Dortmund. Das Spiel, sagte er, »hat eine ganz neue Brisanz bekommen«, sie ergebe sich »durch unseren Rückstand in der Tabelle und den außergewöhnlichen Ergebnislauf des BVB«.

Der frühere Chelsea- und PSG-Trainer Tuchel bekommt keine lange Eingewöhnungszeit. Voraussichtlich erst am Freitag steht ihm im Abschlusstraining der Kader mit den Rückkehrern des Länderspiels gegen Peru zur Verfügung. Und dann muss er schaffen, was zuletzt Jupp Heynkes vor zehn Jahren gelang: das berühmte Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League zu gewinnen. Nur dann dürfte Tuchels Legislatur wohl länger dauern als vier Jahre.

Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Alleinerziehender russischer Vater zu zwei Jahren Haft verurteilt: Seine Tochter malte ein Antikriegsbild, dann begannen Ermittlungen gegen ihn: Ein russisches Gericht will Alexey Moskaljow zwei Jahre in die Strafkolonie schicken – doch der ist offenbar auf der Flucht.

  • Wie Frankreich sein eigenes Hyperschallprojekt bekam: Russland attackiert die Ukraine mit Hyperschallraketen – und EU-Staaten streiten monatelang, wer Forschungsgelder für ein Abwehrsystem bekommt. Nun wird es einfach doppelt entwickelt .

  • »Uns wurde mit Erschießung gedroht, wenn wir nicht vorstoßen«: Mutmaßlich russische Soldaten haben in einem Video schwere Anschuldigungen gegen die eigene Armeeführung erhoben: Sie sprechen darin auch von »Blockadeeinheiten«, die Rückzügler aus den eigenen Reihen erschießen sollen.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

Podcast Cover

Was heute sonst noch wichtig ist

  • IOC empfiehlt Wiederzulassung russischer und belarussischer Sportler: Das Internationale Olympische Komitee spricht sich trotz heftiger Kritik für die Rückkehr russischer und belarussischer Athleten in den Weltsport aus. Verbannte Sportler sollen wieder starten dürfen – doch es gibt Einschränkungen.

  • Polizei findet »Manifest«: Eine Person hat an einer US-Grundschule sechs Menschen getötet. Nun geben Ermittler neue Details bekannt: Die Person soll die christliche Privatschule einst selbst besucht haben – und Lagepläne vom Tatort besessen haben.

  • Schufa verkürzt Speicherdauer für Einträge zu Privatinsolvenzen: Informationen über Privatinsolvenzen sind bei der Schufa ab sofort nur noch sechs Monate lang zu finden. Die Agentur verkürzte die Frist, obwohl der Bundesgerichtshof die Entscheidung vertagt hatte.

  • Baukredite werden wieder billiger: Eine positive Nachricht in Zeiten von Leitzinsanhebungen und kriselnden Banken: Die Zinsen für Baukredite sind in den vergangenen zwei Wochen recht deutlich gesunken.

  • Plus 17,5 Prozent – Lebensmittelpreise in Großbritannien steigen so stark wie noch nie: Im März haben sich die Preise für Lebensmittel in Großbritannien offenbar im Rekordtempo verteuert. Zugleich müssen sich die Briten wohl länger auf leere Gemüseregale einstellen, warnen Branchenvertreter.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • So abhängig ist der Globale Süden von China: Erst hat China die Seidenstraßen-Anrainer mit Krediten versorgt; nun muss Peking viele Staaten vor der Pleite retten. Der Einfluss der Volksrepublik auf die Schwellen- und Entwicklungsländer wächst – und mit ihm die Risiken .

  • Wie der falsche Heilpraktiker die Notlagen von Frauen ausnutzte: Als vermeintlicher Heilpraktiker und Geburtshelfer soll Michael W. über Jahre Frauen missbraucht haben – ohne dass seine kranke Ehefrau etwas ahnte. Als er aufzufliegen droht, kommt es zur Katastrophe .

  • Der einsame Präsident: Frankreich erlebt den zehnten Streik- und Protesttag gegen die umstrittene Rentenreform. Seit Tagen sucht Emmanuel Macron nach Wegen, die aus der politischen Krise herausführen. Es bleiben ihm nur wenige. 

  • Der amerikanische Fluch: Sechs Menschen tot, drei davon Kinder: Der Amoklauf von Nashville erschüttert die USA. Daten der vergangenen gut 20 Jahre zeigen, wie die Gewalt immer wiederkehrt und die Opferzahlen steigen .

Was heute weniger wichtig ist

Aus der »Stuttgarter Zeitung«

Und heute Abend?

Alle reden von KI, von künstlicher Intelligenz also. Der SPIEGEL widmete dem Thema kürzlich eine Titelgeschichte , die Unternehmerinnen Miriam Meckel und Léa Steinacker halten das Thema für gar »das größte Live-Experiment in der Geschichte der Menschheit«. Wenn Sie über den SPIEGEL-Titel hinaus noch Bedarf an Informationen haben, könnten Sie das neue Buch von Kenza Ait Si Abbou lesen.

Autorin Ait Si Abbou: Wie muss KI gestaltet sein, dass sie uns nicht über den Kopf wächst?

Foto: Metodi Popow / IMAGO

Es heißt »Menschenversteher« und geht der Frage nach, ob Roboter Gefühle haben oder erkennen können. Ich war kürzlich bei der Buchpremiere und war ziemlich fasziniert, was die Autorin zu berichten hatte.

So kommen schon bald bei der Früherkennung von Parkinson Diagnose-Instrumente zum Einsatz, die Gesichtsausdrücke und Emotionen lesen können. Die Oberflächen von Robotern werden künftig so gestaltet sein, dass sie einer echten Haut ähnlich sind und empfindsam auf Wind oder Kälte reagieren.

Abbou beantwortet Fragen, wer davon profitiert. Was das für unser menschliches Miteinander bedeutet. Und wie wir Emotionale Künstliche Intelligenz so gestalten können, dass sie uns nicht über den Kopf wächst. Abbou weiß, wovon sie schreibt.  Sie wurde 1981 in Marokko geboren. Ihr Abitur im Spezialzweig »Wissenschaft« schloss sie 1999 in Fès/Marokko ab. Anschließend studierte sie in Valencia und Barcelona Elektrotechnik und Telekommunikation. 2099 schloss sie den Masterstudiengang in Berlin ab. Von 2011 bis 2021 war sie für die Deutsche Telekom tätig, seit 2018 für Robotik und Künstliche Intelligenz. Seit 2021 ist sie bei IBM Deutschland für KI-Produkte zuständig.

Eine gute Lektüre und einen schönen Abend. Herzlich

Ihr Janko Tietz, Ressortleiter Deutschland/Panorama