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News des Tages: Warnstreik im öffentlichen Dienst, Eskalation in Israel, Ausstellung über Krieg in Köln

1. Und niemand stellt von Grün auf Rot das Licht

Wenn diejenigen, die uns voranbringen sollen, ihre Arbeit niederlegen, dann scheint sich die Menschheit in Lager aufzuspalten: Zum einen gibt es Leute, die sich solidarisch mit den Streikenden zeigen und einigermaßen entspannt bleiben, die ihre Reise schon einen Tag vorher antreten oder morgens aufs Fahrrad umsteigen. Und zum anderen gibt es Leute, die sehr schlechte Laune bekommen und ihr Nicht-Erscheinen mit diesem unsäglichen, super nervigen und sinnbefreiten Streik begründen.

Indifferent ist kaum jemand, denn die meisten Menschen wollen an einem Wochentag eben irgendwo hin. Zu welchem Lager gehören Sie? Schreiben Sie an streikberichte@spiegel.de.

Millionen Menschen mussten und müssen wegen des Warnstreiks von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Ver.di an diesem Montag auf Züge, Flüge, Busse, womöglich sogar auf Schiffe verzichten (alle wichtigen Entwicklungen im Newsblog hier). Es ist einer der größten Warnstreiks der vergangenen Jahre in Deutschland.

Versuchen wir, es den Entspannten gleichzutun – und uns den guten Nachrichten in dieser Angelegenheit zu widmen: Trotz des Totalausfalls heute blieb es auf den Straßen überraschend ruhig. Wenig Stau, Autobahntunnel blieben geöffnet. An Flughäfen konnte man zwar in den meisten Fällen nicht abfliegen, dafür aber ankommen, etwa in Hamburg. Wer zu Ostern eine Zugreise geplant hat, kann beruhigt sein – die EVG plant nach eigenen Angaben keine Warnstreiks über die Feiertage  .

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Ich habe leicht reden, schließlich musste ich heute nur von meiner Wohnung ins SPIEGEL-Gebäude kommen, das sind ein paar Kilometer, die der nicht mitstreikende Hamburger Busfahrer für mich zurücklegte. Im Bus habe ich mitgehört, wie eine Frau zu ihrer Begleitung sagte, sie sei wirklich happy, dass sie heute vorankomme, damit sei ihr Tagesziel schon erreicht – wie müsse es da, fragte sie, nur den Beschäftigten der Betriebe gehen, »die sich so ungerecht behandelt fühlen«? Es war etwas unangenehm, dass diese Unterhaltung unweit des Fahrers stattfand, wahrscheinlich hat er sie mitbekommen. Ja, wie geht es ihm, der die Leute erst mal nicht kümmert – solange er fährt?

Meine Kolleginnen und Kollegen haben das Vorankommen und Stehenbleiben in Deutschland heute begleitet:

  • In dieser Analyse geht es um die Frage, ob die Forderungen der Gewerkschaften übertrieben sind – und was Ihr eigenes Gehalt damit zu tun hat.

  • Diese Übersicht verrät, von welchen Rechten Sie als Pendlerin oder Pendler jetzt profitieren.

  • Unser Kolumnist Nikolaus Blome merkt an, dass der Warnstreik nichts gegen den Irrsinn sei, den Frankreich gerade erlebe.

2. »Demokratie«

In Israel spitzt sich der politische Streit über die geplante Justizreform zu. Premier Benjamin Netanyahu hat am Sonntag Verteidigungsminister Joav Gallant abgesetzt, nachdem dieser erklärt hatte, die durch die Reformpläne hervorgerufene Spaltung der Gesellschaft sei eine Gefahr für die nationale Sicherheit.

Noch einmal zur Einordnung: Die israelische Regierung wirft dem Höchsten Gericht übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Dem Parlament soll es künftig möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen vor einer Staatskrise.

Dem Aufruf der Gewerkschaften zum landesweiten Ausstand folgten am Montag Menschen im ganzen Land. Kindergärten, Einkaufszentren und Fastfood-Restaurants blieben geschlossen, Flüge wurden gestrichen. Der Vorsitzende des Dachverbands der Gewerkschaften sagte: »Ich rufe den Premierminister auf: Stoppen Sie die Gesetzgebung, bevor es zu spät ist. Wir haben das Land gemeinsam aufgebaut, wir haben gemeinsam gegen Corona gekämpft, wir haben gemeinsam mit Ihnen gekämpft, um den Staat Israel zu retten, und wozu? Wir haben die Aufgabe, diese Welle von Gesetzen zu stoppen.«

Ein Journalist der Tageszeitung »Haaretz« postete ein Video auf Twitter, das offenbar Demonstranten zeigt, die gerade mit dem Zug in Jerusalem ankommen und »Demokratie« rufen.

Wie geht es weiter? Israels Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hat am späten Nachmittag angekündigt, die umstrittene Justizreform werde verschoben. Er habe sich mit Netanyahu auf eine Verschiebung bis nach der Pause des Parlaments Ende Juli verständigt. Im Gegenzug werde eine »Nationalgarde« unter der Führung des rechtsextremen Ministers eingerichtet. Was dies konkret bedeutet, war zunächst unklar.

3. Erst Türme, dann Stümpfe

Wie unvorstellbar Krieg ist, zeigen uns jeden Tag Bilder, die uns aus der Ukraine erreichen. Diese Bilder sind Beweise, Mahnmale, Erinnerungen daran, dass jeder Tag das Leid der Menschen und ihr Sterben verlängert. Als der Galerist Franz van der Grinten vor einem Jahr zum ersten Mal die Bilder von den Zerstörungen in den Städten Charkiw und Mariupol sah, habe er gewusst, dass es Zeit war, eine besondere Sammlung zu zeigen – davon hat er meiner Kollegin Solveig Grothe berichtet.

Van der Grinten ist Organisator einer Kölner Ausstellung, die Aufnahmen aus der Stadt vor und nach dem Zweiten Weltkrieg eindrücklich gegenüberstellt. »Das Besondere: Jeweils zwei Motive sind aus der exakt gleichen Perspektive aufgenommen, einmal zwischen 1920 und 1938, einmal 1947«, schreibt Solveig. »Zunächst als imposante Gebäude und dann als Gerippe; erst als hoch aufragende Türme, dann Stümpfe; einst Wohnhäuser, dann Baulücke; was Straße war, wurde Schutthalde, was Brücke war – war weg.«

Der Galerist erzählte Solveig, dass es auch hätte schiefgehen können: Die Leute hätten den Impuls missverstehen und es geschmacklos finden können, zum Jahrestag des russischen Angriffskrieges Bilder vom zerstörten Köln zu zeigen. Doch das Fotomaterial führt Betrachterinnen und Betrachtern die Parallelen vor: »Es wird Leben zerstört, und es wird mit dem Leben gleichzeitig auch die geistige Verankerung, also die Kultur zerstört. Und darum geht es Aggressoren und totalitären Tyrannen immer in der Geschichte – damals war Hitler schuld, heute ist es Putin«, so van der Grinten.

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Deutsche Leopard-Panzer in der Ukraine angekommen: Rund zwei Monate nach dem Entschluss der Bundesregierung, schwere Kampfpanzer zu liefern, ist es jetzt so weit: Leopard-2-Panzer aus Deutschland sind nach SPIEGEL-Informationen der Ukraine übergeben worden .

  • Ukraine evakuiert Awdijiwka, Wut über Putins Atompläne für Belarus: Awdijiwka bei Donezk steht unter schwerem Beschuss – und soll geräumt werden. Litauen verlangt neue Sanktionen wegen der russischen Atomvorhaben. Und: Selenskyj würdigt Soldaten.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

Podcast Cover

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Einigung im Koalitionsausschuss verfehlt – Ampel vertagt sich: Rund 20 Stunden tagte der Koalitionsausschuss – doch ihre Streitfragen konnte die Ampel nicht klären. Nun wollen SPD, Grüne und FDP am Dienstag weiterverhandeln.

  • Humza Yousaf wird schottischer Regierungschef: Die Parteibasis hat entschieden: Nach Nicola Sturgeons Rücktritt führt künftig Humza Yousaf die schottische Regierungspartei SNP. Am Dienstag soll er zum Regierungschef gewählt werden.

  • Gläubigerversammlung stimmt Galeria-Rettungsplan zu: Der angeschlagene Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof kämpft ums Überleben. Bei einer Gläubigerversammlung wurde nun ein zuvor ausgearbeiteter Insolvenzplan abgesegnet.

  • Berliner Vater scheitert mit Eilantrag gegen das Gendern an Schulen: Hauptsache, die Regeln der Rechtschreibung gelten weiter: Berliner Schulen dürfen geschlechterneutrale Sprache verwenden und vermitteln. Das hat das zuständige Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren entschieden.

  • Fake-Franziskus geht viral: Der Papst in einer Jacke, wie sie sonst Rapper in Musikvideos tragen: Künstliche Intelligenz macht solche Motive möglich. Die Technik ist schon gut genug, um selbst Social-Media-Profis zu täuschen.

Meine Lieblingsgeschichte heute: Geister in Thailand

Meine Kollegin Maria Stöhr ist für den SPIEGEL in Thailand unterwegs. Heute nimmt sie uns in dem buddhistischen Land mit zu Menschen, die an Geister glauben. Es sind Menschen, die die unsichtbaren Wesen beschenken oder austreiben – das hilft ihnen, im Alltag klarzukommen, durchzuhalten. Das wiederum zeigt offenbar viel über die Ungleichheit der Gesellschaft. Die Zahl der Menschen, die an Geister glauben, steige parallel zu den Krisen, schreibt Maria in ihrem Text. »Das Leben im Land ist teurer geworden, die Gehälter sind nicht mitgestiegen. Die Pandemie hat den Leuten zugesetzt, viele haben dadurch ihre Jobs verloren, die Wirtschaft erholt sich nur langsam. Doch es gibt zu wenige Psychologinnen, zu wenige Beratungsstellen. Also gehen die Leute zum Geisterbeschwörer.«

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Die Klimabewegung macht es sich zu einfach: Die Schlappe beim Berliner Volksentscheid ist eine Warnung: Wer mit seinen Forderungen den Pfad der Wissenschaft verlässt, gefährdet seine Glaubwürdigkeit .

  • Bot der Baumeister: Kaum eine Branche hat Erneuerung so nötig wie die Bauindustrie. Dabei tüftelten Ingenieure in ihren Laboren längst Lösungen aus, mit denen der gesamte Sektor umgekrempelt werden könnte .

  • Die Preußen-Aufarbeitung muss weitergehen: Endlich verzichten die Hohenzollern auf einen Teil ihrer Eigentumsansprüche. Doch die ehemalige Königsfamilie muss sich auch ihrer Verantwortung stellen .

  • »Gnadenlosigkeit kann man trainieren«: Niclas Füllkrug ist erst mit 29 in die Nationalelf gekommen und seitdem kaum noch aus ihr wegzudenken. Ein Gespräch über seinen Spätstart im DFB-Team, fehlende Mittelstürmer – und die Angst vor dem Tor .

Was heute weniger wichtig ist

Hinweis in einem Blumenladen in Bielefeld

Und heute Abend?

Werde ich mich zunächst darüber ärgern, dass ich für gefühlt jedes Film- beziehungsweise Serienerlebnis eine neue Streamingdienst-Mitgliedschaft abschließen muss – kann man das mal vereinfachen? Ich werde mit Null-Bock-Miene googlen, wo man diesen Hype, von dem gerade viele reden, denn jetzt gucken kann (Joyn). Ich werde eine Probemitgliedschaft abschließen (und mir eine Erinnerung einspeichern, wann die abläuft!) – und dann wird geglotzt.

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Anja Rützel hat über »Intimate« geschrieben, dass diese Serie noch heftiger ist als »Die Discounter« und »Jerks« . Es geht um ein paar Männer zwischen 20 und 30, denen man dabei zuschauen kann, was Männer zwischen 20 und 30 so beschäftigt. Es geht um Intimitäten. Und wie unendlich peinlich sie sein können. Wenn man sich verliebt, muss man zwischendurch mal aufs Klo. Wenn man Körperflüssigkeiten austauscht, platzt zwischendurch mal jemand rein. Wenn man sich die gemeinsame Zukunft ausdenkt, quillt plötzlich der Aschenbecher über. Ist halt so, im echten Leben. Es wird schnell unangenehm. Aber so lange man selbst nicht drinsteckt, ist dieses Leben wirklich irre lustig – für harte »Jerks«-Fans scheint mir dieses Stück Seriengeschichte eine absolute Pflichtveranstaltung.

Versuchen Sie, sich möglichst selten Augen und Ohren zuzuhalten – genießen Sie Ihren Status als Voyeuristin und Voyeur.

Ihre Nike Laurenz, stellvertretende Ressortleiterin Leben