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News des Tages: Wehrpflicht, Gautam Adani, Grundsteuererklärung

1. Selbst innerhalb der Bundeswehr fänden viele eine Wehrpflicht schwierig – auch weil dort hoch spezialisiertes Personal gebraucht wird

Ich habe nach meinem Abitur den Dienst in der Bundeswehr, der damals noch für alle jungen Männer in Deutschland vorgeschrieben war, verweigert und als Zivildienstleistender in einem Krankenhaus gearbeitet. Ich bin froh, dass meine Söhne in einem Land ohne Wehrpflicht aufwachsen. Heute wird in Deutschland darüber diskutiert, ob die Wehrpflicht wieder eingeführt werden soll. Für sinnvoll hält das offenbar unter anderem die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Würde das unserem Land und der Bundeswehr in diesen Krisenzeiten wirklich helfen?

Meine Kollegen Henrik Bahlmann und Matthias Gebauer haben die Probleme einer verpflichtenden Einberufung einleuchtend zusammengefasst  .

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine ist die Sicherheits- und Verteidigungspolitik eines der zentralen Themen – auch in Deutschland. Die Bundeswehr befindet sich in einem teils desolaten Zustand . »Die alte Wehrpflicht scheiterte an der sogenannten Wehrgerechtigkeit. Die Bundeswehr benötigt schlicht nicht so viele Menschen, wie bei einer Wehrpflicht eingezogen würden«, schreiben die Kollegen. »Die Frage, wer eingezogen wird und wer nicht, würde auch bei einer erneuten Einführung aufkommen. Klagen gegen die Wehrgerechtigkeit hatten schon bei der vergangenen Wehrpflicht Aussicht auf Erfolg, das würde sich bei einer erneuten Einführung nicht ändern.«

Auch dass die Pflicht zum Wehrdienst bisher nur für Männer formuliert ist, lässt sich schwer mit der heutigen Zeit vereinbaren. Für weibliche Bundeswehrverpflichtete aber müssten Kasernen neu gebaut oder erweitert werden, eine Zeit- und Kostenfrage. Gegenwind kommt auch aus der Bundeswehr selbst. Nach Beginn des Ukrainekriegs hat sich Generalinspekteur Eberhard Zorn gegen eine Wehrpflicht ausgesprochen, weil die Streitkräfte heutzutage in erster Linie »gut ausgebildetes, in Teilen sogar hoch spezialisiertes Personal« bräuchten.

Derzeit erreichen pro Jahr rund 700.000 Männer und Frauen in Deutschland das 18. Lebensjahr und wären damit dienstpflichtig. »Einziehen« und ausbilden könnte man nur einen Bruchteil von ihnen, was abermals für Ungerechtigkeit sorgen würde, schreiben die Kollegen. »In den letzten Jahren der Wehrpflicht war die Bundeswehr noch in der Lage, jährlich 30.000 Wehrdienstleistende aufzunehmen und auszubilden. Derzeit schätzt man diese Zahl auf nur noch 10.000 im Jahr.«

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • »Uns bleibt keine Zeit mehr, meinen Vater lebend nach Hause zu bringen«: Im November eroberte die ukrainische Armee Cherson von den russischen Besatzern zurück. Doch der Bürgermeister der Stadt ist bis heute verschwunden. Sein Sohn sucht verzweifelt nach ihm – und stößt in Kiew auf Widerstand .

  • Die Angst vor einer Eskalation in der Luft: Auch wenn der Kanzler nicht darüber reden möchte: Die Debatte über Kampfjetlieferungen ist in vollem Gange – mitbefeuert von SPD-Chefin Esken. Wofür sollen westliche Flieger eingesetzt werden – und was könnten sie ausrichten? 

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

2. Das Firmenimperium des Inders Gautam Adani wird von einem US-Hedgefonds attackiert – aber dürfte trotz Milliardenverlusten nicht untergehen.

Wenn sehr reiche Menschen plötzlich in wirtschaftliche Bedrängnis geraten, dann hat das oft dramatische Qualitäten. Manchmal kann man sogar Theaterstücke aus dem Straucheln vermögender Menschen machen. Elfriede Jelinek hat zum Beispiel ein Theaterstück mit dem Titel »Die Kontrakte des Kaufmanns« geschrieben, in dem es heißt: »Wir haben in etwas investiert, was wir für sicher hielten. Wir hätten das Geld aber gleich verbrennen können.«

An Jelineks Stück habe ich mich heute wegen einer hochspannenden Geschichte meiner beiden Kollegen Tim Bartz und Claus Hecking erinnert. Sie berichten von der Attacke eines US-amerikanischen Hedgefonds auf den indischen Milliardär Gautam Adani und dessen Unternehmens-Imperium . Adanis Geschäft spielt in Indien und dessen aufstrebender Volkswirtschaft eine zentrale Rolle. Der Hedgefonds Hindenburg Research attackiert die Adani Group, ein Geflecht von Unternehmen aus allen möglichen Branchen, nun mit heftigen Vorwürfen. Sie reichen von Marktmanipulation über Intransparenz bis zu Überschuldung und Bilanzbetrug.

Die Hindenburg-Leute haben Adani mit einer Liste von 88 Fragen konfrontiert, von denen die Inder 62 bis jetzt angeblich nicht konkret beantwortet haben. Seither ist der Milliardär um einen zweistelligen Milliardenbetrag ärmer, weil die Aktien vieler seiner börsennotierten Unternehmen abgestürzt sind. Insgesamt wurde der Wert des Konglomerats auf weit mehr als 200 Milliarden US-Dollar geschätzt, allein die Holdinggesellschaft Adani Enterprises, die Kohle und Eisenerz abbaut, hat aber in den vergangenen Tagen mehr als 16 Prozent verloren.

»Die Auseinandersetzung der ungleichen Gegner Adani und Hindenburg ist in vielerlei Hinsicht spektakulär«, schreiben die Kollegen, »in erster Linie wegen Adanis überragender Bedeutung für Indiens Aufstieg zur fünftgrößten Volkswirtschaft der Erde«. Dass Adanis Reich im Zuge der Hindenburg-Vorwürfe untergeht, ist angesichts seiner Bedeutung für das Land unwahrscheinlich. Das Firmenkonglomerat ist schlichtweg »too big to fail«, also zu bedeutsam für Indien und seinen nationalistischen Premierminister Narendra Modi, der Gautam Adani nahesteht.

Der Angriff der Amerikaner ist keineswegs uneigennützig. Der Fonds analysiert Unternehmen, die er für überbewertet hält. Hindenburg leiht sich Aktien eines analysierten Unternehmens, verkauft sie an der Börse und deckt sich nach einem Kurssturz billiger wieder ein, um sie dem Verleiher zurückzugeben; die Differenz vereinnahmt die Firma dann als Gewinn.

»Hedgefonds werden von vielen als Aasgeier verachtet, die bloß viel Lärm machen und daran verdienen, wenn Unternehmen in Not geraten und ihre Aktien in den Keller rutschen«, sagt mein Kollege Tim Bartz. Das komme zwar gelegentlich vor, insgesamt sei diese Sicht aber enorm unterkomplex. »In vielen Fällen stellen Leerverkäufer wie Hindenburg Research ein Korrektiv dar. Sie durchleuchten mit viel Expertise die schlecht geführten Konzerne auf Schwachstellen, wo andere wegschauen oder sich täuschen lassen – frag nach bei Wirecard!«

3. Heute läuft für die meisten Deutschen die Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung ab – denjenigen, die sich nur wenig verspäten, droht aber wohl keine Strafe

Heute hat das Bundesland Bayern im Alleingang die Frist für die Abgabe einer Steuererklärung verlängert, die derzeit die Nerven vieler Deutscher strapaziert. Es geht um die Grundsteuererklärung, die eigentlich bis 31. Januar abgeliefert werden muss. Der bayerische Finanzminister Albert Füracker, ein Mann der CSU, gibt den Wohnungs- und Grundstückseigentümern seines Bundeslands jetzt aber drei Monate länger Zeit, bis Ende April.

Haben auch Sie Ihre Grundsteuererklärung, die ursprünglich sogar schon Ende Oktober 2022 fällig war, bevor die Frist bundesweit auf den heutigen 31. Januar verlängert wurde, noch nicht hinbekommen? Ein Drittel derjenigen Deutschen, die zur Abgabe verpflichtet sind, haben es bisher offenbar nicht geschafft. Meine Kollegen Michael Brächer und Matthias Kaufmann schreiben, womit säumige Immobilienbesitzer rechnen müssen – und ob es sich lohnt, die Erklärung noch nachzureichen .

Bei insgesamt 36 Millionen Gebäuden in Deutschland geht es um eine zweistellige Millionenzahl von Steuererklärungen.

Die Finanzbehörden stünden selbst unter Zeitdruck, so die Kollegen, weil das Bundesverfassungsgericht eine Frist für die Reform der Grundsteuer gesetzt hat: 2025 soll erstmalig nach der neuen Bemessung gezahlt werden. »Die Möglichkeit, Daten abzugeben, besteht weiterhin, schriftlich wie digital«, so die Kollegen. »Wer es mit wenigen Tagen Verzug schafft, dürfte oft auf still schweigende Akzeptanz bei den Finanzbeamten treffen: Die bisher eingegangenen Erklärungen sind noch lange nicht abgearbeitet, Nachzügler sorgen zunächst kaum für Mehraufwand – der ja noch größer wird, wenn Strafen verhängt werden.« Ein Rechtsanspruch auf einen kulanten Umgang bestehe aber nicht.

Was droht denen, die noch länger brauchen? Einige Finanzverwaltungen haben angekündigt, zunächst Erinnerungsschreiben zu verschicken. Spätestens nach Erhalt einer Erinnerung vom Finanzamt sollten Immobilienbesitzer aktiv werden. Danach droht ein Verspätungszuschlag von 25 Euro pro Monat sowie, auch diese Möglichkeit führen die Kollegen an, »ein Zwangsgeld bis zu 25.000 Euro, mit dem die Abgabe erzwungen werden soll«. Werde die Erklärung dann immer noch nicht abgegeben, nimmt das Finanzamt eine Schätzung des Grundsteuerwerts vor, die höchstwahrscheinlich nicht zugunsten des Immobilienbesitzers ausfallen dürfte.

Podcast Cover

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Bundesrechnungshof fordert ultimativ Ende von Vergünstigungen bei Kfz-Steuer: Die Reform sei »seit Jahren überfällig«: Der Bundesrechnungshof drängt Finanzminister Lindner, Ermäßigungen bei der KfZ-Steuer für die Land- und Forstwirtschaft zu streichen. Es geht um rund eine Milliarde Euro.

  • Viele Dutzend Tote, Hunderte Verletzte nach Anschlag in Pakistan: Bei einem Attentat auf eine Moschee im Nordwesten Pakistans sind mindestens 89 Menschen gestorben – darunter wohl vor allem Polizisten. Der Premier spricht von einem »Anschlag auf Pakistan«.

  • Lehrkräfte sollen länger arbeiten: Eine Stunde mehr pro Woche, damit der Lehrermangel abgefangen wird: In Sachsen-Anhalts Schulen soll die wöchentliche Arbeitszeit erhöht werden. Die Landesregierung hofft auf spürbare Effekte, die Lehrerverbände sind empört.

  • Weltgrößter Staatsfonds schreibt Rekordverlust von 152 Milliarden Euro: Steigende Zinsen und schwächelnde Börsen infolge des Ukrainekriegs haben Norwegens Staatsfonds einen kräftigen Verlust eingebrockt. Den größten seit der Finanzkrise 2008. Er beendet eine Rekordserie.

  • Raumsonde fotografiert Bärengesicht auf dem Mars: Die Nase könnte ein Vulkan- oder Schlammschlot sein: Eine Raumsonde hat ein Foto zur Erde geschickt, das an ein Bärengesicht erinnert.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Gott. Gewehre. Gasherde: Sind Gasherde gesundheitsschädlich und sollten verboten werden? Seit einer Warnung der Produktsicherheitsbehörde tobt ein ideologischer Krieg um Amerikas Küchen .

  • Was ist kaputter, mein Rücken oder das Gesundheitssystem? Mein Kreuz schmerzt so sehr, dass ich mich kaum bewegen kann. Doch mein Orthopäde hat erst in sechs Wochen einen Termin. Kassenpatientin halt. Na ja, den Weg in die Praxis hätte ich sowieso nicht geschafft .

  • »Süchtig sind immer nur die anderen«: Millionen Menschen in Deutschland trinken zu viel, 1,6 Millionen sind abhängig, die Schäden gehen in die Milliarden. In einer Klinik im Ruhrgebiet wird versucht, Menschen zu therapieren, die gefährdet, aber noch nicht abhängig sind .

  • Online-Trolle lassen Emma Watson »Mein Kampf« vorlesen: Beim Voice-Cloning werden echte Stimmen von Software nachgeahmt. Gerade macht diese Technik wieder Schlagzeilen – weil es einen neuen US-Dienst bislang kaum interessiert, wer dort wen imitieren lässt .

  • Sollten Irans Revolutionswächter auf die EU-Terrorliste? Die Revolutionswächter sind maßgeblich verantwortlich für die Unterdrückung der Proteste in Iran. Trotzdem zögern die Europäer, die Organisation auf die Terrorliste zu setzen. Um diese Argumente geht es in dem Streit .

Was heute weniger wichtig ist

Musterneffe: Jaafar Jackson, 26-jähriger Nachwuchsdarsteller, soll in einem Film über das Leben seines Onkels Michael Jackson die Hauptrolle spielen. Jaafar ist ein Sohn des US-amerikanischen Musikers und Michael-Jackson-Bruders Jermaine Jackson. Nach Meinung des Regisseurs Antoine Fuqua, der das von Missbrauchsvorwürfen überschattete Leben des 2009 gestorbenen »King of Pop« verfilmen will, ist Jafaar Jackson ein »Künstler mit der Kraft, dem Charisma und der musikalischen Begabung von Michael Jackson«.

Mini-Hohlspiegel

Aus einer Werbebroschüre des Gesundheitszentrums Ludwigsburg

Und heute Abend?

Könnten Sie sich in der ARD-Mediathek den Film »Das Leben ist eine Baustelle« aus dem Jahr 1997 ansehen, meiner Meinung nach ist es einer der tollsten Berlin-Filme überhaupt. Es spielen unter anderem Christiane Paul und Jürgen Vogel mit. Das Werk des Regisseurs Wolfgang Becker zeigt die deutsche Hauptstadt als Heimat von Träumern und Alkoholikern, schönen Nachtmenschen und Proletariern in Jogginghosen. Es handle sich, so lobte meine Kollegin Susanne Weingarten damals zum Kinostart, um einen »ganz und gar ernsthaften Film, in dem die Zuschauer erstaunlich viel zu lachen haben, einen großartig lakonischen Film ohne Eitelkeiten, ohne Angst und ohne angestrengtes Schielen auf den Markterfolg«.


Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Wolfgang Höbel, Autor im Kulturressort