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News: Recep Tayyip Erdoğan, Türkei-Wahl, Bundesliga, Markus Söder, China, Rohstoffe

Erdoğan vor dem Sieg?

Am 28. Mai 2013 rollt in der Türkei eine Protestwelle an. Tausende Menschen demonstrieren im Herzen Istanbuls gegen die geplante Bebauung des Gezi-Parks. Die Polizei geht gewaltsam gegen die Menschen vor, aus »Occupy Gezi« wird eine landesweite Bewegung, die sich bald grundsätzlich gegen die autoritäre Politik der Regierung Erdoğan richtet. Bei schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften sterben in den folgenden Wochen mehrere Menschen, Tausende werden verletzt.

Recep Tayyip Erdoğan

Foto: MURAD SEZER / REUTERS

Zehn Jahre nach Ausbruch der Gezi-Proteste ist Recep Tayyip Erdoğan immer noch Staatschef der Türkei. Und genau zehn Jahre danach kann er damit rechnen, bei der Stichwahl um die Präsidentschaft am Sonntag, an diesem symbolträchtigen Datum, erneut im Amt bestätigt zu werden.

In der ersten Runde hatte Erdoğan die absolute Mehrheit nur knapp verfehlt, sein Konkurrent Kemal Kılıçdaroğlu lag rund fünf Prozentpunkte hinter ihm. Der drittplatzierte Ultranationalist Sinan Oğan hat seine Anhänger zur Wahl Erdoğans aufgerufen – was diesem den Sieg sichern könnte.

Viele türkische Oppositionelle sind desillusioniert, andere üben sich in (Zweck)-Optimismus. Hat Herausforderer Kılıçdaroğlu doch noch eine Chance? Der zuvor so versöhnlich auftretende Kandidat inszeniert sich plötzlich als nationalistischer Hardliner, verspricht, Millionen Geflüchteter aus Syrien zurückzuschicken.

»Furchterregend« findet die Autorin Ece Temelkuran solche Töne  – und glaubt dennoch, dass dies der einzige Weg sei, Erdoğan noch zu schlagen: »Ich hoffe, dass sich die Menschen erinnern, warum die Opposition das macht: Es geht darum, zur parlamentarischen Demokratie zurückzukehren.«

Nur fast zu doof

Das Original der Meisterschale liegt in Dortmund bereit. Womit schon mal geklärt wäre, wer als Favorit in das Finale dieser Fußball-Bundesliga-Saison geht.

Borussia Dortmund hat vor dem letzten Spieltag zwei Punkte Vorsprung vor Bayern München. Dortmund spielt zu Hause gegen den Tabellenneunten Mainz. Die Bayern müssen beim Zehnten in Köln ran, auf jeden Fall gewinnen und auf Mainzer Schützenhilfe hoffen. Nur dann könnten sie doch noch feiern – mit einer Kopie der Schale.

Markus Söder im Bayern-Trikot, Uli Hoeneß (im August 2019)

Foto: Peter Kneffel / dpa

Wem gönnen Sie die Meisterschaft? Also wenn Sie nicht Bayern- oder Dortmund-Fan sind oder Fußball Sie einfach null interessiert? Die letzte Umfrage der Voting-Plattform FanQ im Auftrag des SID brachte ein ziemlich eindeutiges Ergebnis: Gut 70 Prozent (der Nicht-Bayern und Nicht-Dortmund-Anhänger) sind für die Borussia, nur knapp neun Prozent für München. Nach zehn Bayern-Titeln in Serie wollen die Fußballfans lieber Pils- statt Weizenbierduschen sehen.

Aber, Obacht! Der – qua Amt – Bayern-Fachmann Markus Söder, unbestritten ein Siegertyp, analysierte noch vor ein paar Wochen messerscharf: »Die Dortmunder sind eigentlich fast zu doof, um deutscher Meister zu werden.« Aber eben nur fast. Inzwischen hat auch Söder die Realitäten anerkannt und eingeräumt, dass der BVB eine reelle Chance auf den Titel hat – auch wenn ihn das »schmerzen« würde.

Dabei ist der Ministerpräsident ja Franke und eigentlich Fan des 1. FC Nürnberg. Dem Club droht am Sonntag am letzten Spieltag der zweiten Liga übrigens noch der Sturz auf Platz 16 – und damit ein Relegationsdrama um Klassenerhalt oder Sturz in Liga drei. Analyse Söder jüngst im Gespräch mit den Kollegen von der »SZ«: »Im Gegensatz zum FC Bayern kann der Club es am Sonntag noch aus eigener Kraft schaffen.« Ein kluger Mann.

Die Jagd nach den seltenen Erden

Wir müssen unabhängiger von China werden. So hört und liest man das derzeit ständig aus dem Munde von Politikern, Unternehmern, Experten. Klingt immer nachvollziehbar und erstrebenswert – und doch ziemlich abstrakt.

Bayan Obo, die weltweit größte Abbaustätte für seltene Erden in China

Foto: China Stringer Network / REUTERS

Wer verstehen möchte, wie groß unsere Abhängigkeit von der Volksrepublik wirklich ist – wirtschaftlich, geostrategisch, beim Kampf gegen den Klimawandel – dem empfehle ich den eindrucksvollen Report meiner Kollegen aus dem Wirtschaftsressort im neuen SPIEGEL. Sie haben sich auf die Spuren des Kampfes um die Rohstoffe der Zukunft begeben: Es geht um Lithium, Kobalt, Nickel oder Grafit, um seltene Erden wie Neodym oder Praseodym. Stoffe, ohne die kein Handy, kein E-Auto, kein Windrad, keine Solaranlage funktioniert.

China hat diesen Markt fest im Griff, mit der ruchlosen Ausbeutung und Verarbeitung eigener und weltweiter Vorkommen der kritischen Rohstoffe. Und weil diese überall begehrt sind, kann das Riesenreich sie leicht als geopolitisches Machtinstrument einsetzen.

Politik und Wirtschaft in Europa haben dieser Entwicklung lange zugesehen. Die Unternehmer schauten immer nur auf den Preis, und der war in China meist unschlagbar. Erst die stockenden Lieferketten in der Pandemie, Russlands Angriff auf die Ukraine und Chinas Aggressionen gegen Taiwan haben den Wirtschaftsbossen hierzulande die Augen geöffnet. »Zu unersetzlich ist China als Versorger geworden, zu mächtig«, schreiben meine Kollegen.

Und jetzt? Ist der Westen mitten in der Aufholjagd. Die kann durchaus erfolgreich sein, doch es muss schnell gehen. Der SPIEGEL-Report erklärt, warum ein 78-jähriger »Rohstoff-Opa« dabei eine entscheidende Rolle spielt.

Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Kampfjetkoalition mit Jetlag: Die Ukraine wirbt seit Monaten um F-16-Flugzeuge, die USA und andere Länder haben jetzt zugesagt, Piloten auszubilden. Aber liefern sie demnächst tatsächlich Kampfjets aus – und vor allem: Würde das überhaupt etwas bringen? 

  • Mehrheit der Deutschen befürwortet Russlandsanktionen: Die meisten Bürger stehen weiter hinter den Strafmaßnahmen für Russland. Das geht aus einer repräsentativen Erhebung hervor, die dem SPIEGEL vorliegt. Nur die Anhänger einer Partei sind mehrheitlich dagegen. 

  • »Die Politik lässt russische Kriegsdienstverweigerer im Stich«: Immer mehr russische Militärdienstverweigerer fliehen nach Deutschland. Selten wird ihnen Asyl gewährt. Rudi Friedrich, Experte für Kriegsdienstverweigerung, erklärt, warum die Bundesregierung damit womöglich Leben gefährdet. 

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Die Startfrage heute: Welcher Bestsellerautor war einst als Diplomat an der britischen Botschaft in Bonn beschäftigt?

Verlierer der Woche …

… sind die Personenschützer des Kanzlers. Vielleicht auch die Bundespolizei. Und die hessische Landespolizei. Und der Sicherheitsdienst des Frankfurter Flughafens. Sie alle haben Mitte der Woche versagt, als ein Mann mit seinem Privatauto sich mal eben der Kolonne des Bundeskanzlers anschließen, bis vor den Regierungsflieger fahren und Olaf Scholz dann auch noch umarmen konnte.

Kanzlerkolonne und Regierungmaschine auf dem Rollfeld in Tallinn

Foto: Michael Kappeler / dpa

»Das darf nicht passieren«, sagt SPD-Kollegin Nancy Faeser, als Innenministerin für die Bundespolizei und die Sicherheitsleute des Bundeskriminalamtes zuständig. Die Panne dürfte Konsequenzen haben.

Scholz selbst versucht, die Sache im Scholz-Sprech kleinzureden: »Was die Frage betrifft, dass mir Leute guten Tag sagen und mich begrüßen, ist das nie etwas, was mich besonders beeindruckt.« Schade eigentlich.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Familienministerin Paus zeigt sich gesprächsbereit: Seit Monaten herrscht in der Ampelkoalition Streit über die Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung. Nun hat sich Bundesfamilienministerin Lisa Paus offen gezeigt, über eine »belastbare Zahl« zu sprechen.

  • Serbiens Präsident Vučić zieht sich von Parteivorsitz zurück: Auf einer Solidaritätsveranstaltung in Belgrad mit Zehntausenden Teilnehmern hat Serbiens Präsident Aleksandar Vučić den Rückzug vom Parteivorsitz angekündigt. Laut Beobachtern wird das aber kaum einen Unterschied machen.

  • Geldstrafe für bekannte Abtreibungsärztin in den USA: Caitlin Bernard hatte den Schwangerschaftsabbruch bei einem zehnjährigen Vergewaltigungsopfer öffentlich gemacht – und muss dafür nun 3000 Dollar zahlen. Eine Ärztekammer sah die Privatsphäre des Mädchens verletzt.

Podcast Cover

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • Deutsche Firmen jagen weltweit nach Bodenschätzen: Ohne Lithium, Kupfer oder seltene Erden funktioniert kein Handy, kein Auto, kein Windrad. Doch Politik und Wirtschaft haben sich China ausgeliefert. Wie wir uns aus der Abhängigkeit befreien können. Der SPIEGEL-Report. 

  • »Die Leute werden von Ärzten zum Teil nicht ernst genommen«: Die Anwältin Anja Dornhoff vertritt mutmaßliche Covid-19-Impfopfer, die Entschädigung vom Staat und Schadensersatz von den Pharmakonzernen verlangen. Hier sagt sie, was sie ihren Klienten rät und welche Erfolgschancen sie haben. 

  • Der Fluch des Akzents: Menschen beurteilen einander danach, wie sie sprechen – und unterschätzen die Konsequenzen. Für Russlanddeutsche oder Türken können sie besonders hart sein. Ein Essay von Alexander Neumann-Delbarre. 

  • Mutter muss sterben: Bei »iCarly« lächelte Jennette McCurdy einem Millionenpublikum zu. Hinter den Kulissen litt die Schauspielerin unter dem Missbrauch ihrer narzisstischen Mutter. Darüber hat sie ein beeindruckendes Memoir geschrieben. 

Ich wünsche Ihnen ein wunderbares, langes Wochenende.

Herzlich,

Ihr Philipp Wittrock, Chef vom Dienst in Los Angeles