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News: Warntag, 11 Uhr, Katastrophenfall, Razzia gegen Rechtsterror, Olaf Scholz, Ministerpräsidentenkonferenz

Punkt 11 macht Ihr Handy (hoffentlich) Sachen

Als Kind der Achtzigerjahre, aufgewachsen im Zonenrandgebiet, bin ich gewissermaßen Sirenen-affin. Gefühlt war ja alle paar Monate Alarm, also zur Probe natürlich. Und wir Grundschüler lernten, dass es neben dem klassischen Feuer noch ganz andere Dinge gab, vor denen Sirenen zu warnen vermochten: vor den Sowjets zum Beispiel. Oder dem GAU im nächstgelegenen Atomkraftwerk. Tja, war auch nicht alles Zucker damals.

Notfallhinweis auf dem Handy (Symbolbild)

Foto: Jochen Tack / IMAGO

Heute steht wieder ein solcher Probealarm an, bundesweiter Warntag heißt das jetzt. Um Punkt 11 Uhr sollen die (paar verbliebenen) Sirenen heulen, Lautsprecherwagen sprechen, die Radiosender warnen, die Deutsche Bahn Durchsagen machen (hoffentlich auch auf Englisch, gnihi). Vor allem aber soll Ihr Mobilfunkapparat Alarm schlagen.

Vielleicht haben Sie vor ein paar Tagen, so wie ich, bereits eine SMS Ihres Anbieters bekommen, mit der präventiv auf den Warntag hingewarnt wird: »Wir informieren Sie heute, damit Sie auf diese neue Art der Warnung vorbereitet sind.« Ich habe die Botschaft verstanden, am Warntag wird nichts dem Zufall überlassen. Ich bin vorbereitet.

Nur was, wenn wir alle bereit sind für den großen Alarm, dieser dann aber nicht richtig funktioniert? So geschehen beim letzten Warntag vor zwei Jahren. Und furchtbare reale Folgen zeitigten im Jahr darauf die ausbleibenden Warnungen bei den Überschwemmungen im Ahrtal.

Im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, kurz BBK, wollen sie daraus gelernt haben. Neu in diesem Jahr ist der Test des sogenannten Cell Broadcasting, das nach dem Prinzip des Radios funktioniert: Alle technisch geeigneten Handys in Reichweite sollen mit der Warnbotschaft erreicht werden, auch ohne App.

»Da kann fast nichts mehr schiefgehen«, meint mein Kollege Wolf Wiedmann-Schmidt, Experte in Sachen Innere Sicherheit: »Und falls doch, stünden Bundesinnenministerin Nancy Faeser und das ihr unterstellte BBK blamiert da.«

Ich bin gespannt. Sie können Ihre Erfahrungen nachher ganz seriös hier  beim BBK hinterlegen – oder Ihre Warnanekdote gern mit mir teilen: sebastian.fischer@spiegel.de .

Schlag gegen den Rechtsterror

Einsatzkräfte der Polizei bei Razzia in Thüringen

Foto: Bodo Schackow / dpa

Wir haben auf SPIEGEL.de in den vergangenen 24 Stunden ausführlich über eine der größten Polizeiaktionen gegen Extremisten berichtet, die es in der Bundesrepublik je gegeben hat. Im Milieu der »Reichsbürger« ist eine rechtsextreme Terrorgruppe entstanden, Generalbundesanwalt und Bundeskriminalamt haben am Mittwoch 25 mutmaßliche Rechtsterroristen verhaften lassen.

Ich möchte Ihnen unsere wesentlichen Texte dazu heute noch einmal ans Herz legen. Wir werden in den nächsten Tagen dranbleiben, weitere Details und Zusammenhänge präsentieren:

Mich hat diese Großrazzia aus mehreren Gründen bewegt: Erstens, weil der demokratische Staat sich hier als stark und wehrhaft gegen Extremisten erwiesen hat. Zweitens, weil sie belegt, dass eine Demokratie stets gefährdet ist und gegen ihre Feinde verteidigt werden muss.

Und drittens, weil alle Verschwörerinnen und Verschwörer überwiegend und teils deutlich jenseits der 40 sind. Der skurrile adelige Anführer Heinrich XIII. Prinz Reuß ist gar 71 Jahre alt. Es sind Leute aus der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft darunter, ein Pilot, ein Gourmetkoch, ein Rechtsanwalt, ein klassischer Tenorsänger, ein Dachdeckermeister, eine Richterin.

Wie tief ist der Extremismus eingesickert? Sind die 25 nur die Spitze eines Eisbergs?

Erst Fortschritt, dann Krise

»Ich frage Sie, Herr Abgeordneter Scholz, nehmen Sie die Wahl an?« – »Ja.«

Das war vor exakt einem Jahr im Bundestag, der 8. Dezember 2021 als Startpunkt nach 16 Merkel-Jahren nicht nur für einen neuen Kanzler, sondern auch für ein bis dahin auf Bundesebene nicht gekanntes Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP.

Kanzler Scholz

Foto: Kay Nietfeld / dpa

Die drei machten das, was Partner in frischen Beziehungen so machen: Man erzählt sich wieder und wieder eine gemeinsame Story, Kanten werden schön geschmirgelt. Die Geschichte der Ampel ist die der Fortschrittskoalition und vom gemeinsamen Überwinden des Lagerdenkens. Der dauernde GroKo-Zank soll der Vergangenheit angehören.

Ein paar Monate funktionierte das. Alle fanden es ganz schön toll, endlich zu regieren, insbesondere die grüngelben Vertreterinnen und Vertreter, weil die zuvor in der Opposition waren. Doch aus der Koalition des Fortschritts wurde die Koalition der Krisen. Coronapandemie, Klimawandel, russischer Überfall auf die Ukraine. Viel mehr geht nicht.

Beliebt sind die Ampel und ihr Kanzler nicht mehr beim Volk. Mehr als 60 Prozent der Deutschen sind unzufrieden mit der Arbeit von Scholz, dies ergab gerade eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für den SPIEGEL.

An diesem Donnerstag steht für den Kanzler erneut ein echtes Krisenformat auf der Tagesordnung: die Teilnahme an der Ministerpräsidentenkonferenz. Die MPK, seit Beginn der Coronapandemie ein Symbol fürs vertrackte deutsche Krisenmanagement, soll sich heute mit den Folgen des Ukrainekriegs und der Energiekrise beschäftigen. Und ja, natürlich auch mit der Corona-Lage.

Letzteres ist deshalb brisant, weil Deutschland in der Maskenfrage gespalten ist. Manche Länder sind für die Aufhebung der Pflicht in Bus und Bahn, andere würden gerne noch daran festhalten. Ausgerechnet Sachsen-Anhalt ist ab diesem Donnerstag das erste Bundesland, das auf die Maskenpflicht im ÖPNV verzichtet. Das ist interessant, weil die zuständige Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne nicht nur die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz ist, sondern auch SPD-Parteifreundin des Maskenanhängers Karl Lauterbach.

Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Die jüngsten Entwicklungen: Der Kanzler sieht einen »Pflock eingeschlagen« gegen die nukleare Eskalation des Kriegs. Im Kreml behält man sich dies allerdings ausdrücklich vor. Und: mehr als tausend Attacken auf das Stromnetz. Der Überblick.

  • »Natürlich, es kann ein langer Prozess werden«: Nach etlichen Rückschlägen zeigt sich Russlands Präsident Wladimir Putin zurückhaltender, was den Ausgang der Invasion in der Ukraine angeht. Von Nuklearwaffen will er nach eigener Aussage nur im Verteidigungsfall Gebrauch machen.

  • Polen wirft Bundesregierung Vertrauensbruch vor: Patriots für Polen – damit machte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht Schlagzeilen. Das Problem: Warschau hatte nach eigener Aussage um Geheimhaltung gebeten. Nun gibt es Kritik aus dem Nachbarland.

  • Deutschland erzeugt deutlich mehr Strom aus Kohle: In der Krise setzt Deutschland bei der Stromproduktion stärker auf Kohlekraft, mehr als ein Drittel stammt wieder aus der fossilen Energie. Laut Internationaler Energieagentur gibt es aber auch Chancen für Erneuerbare.

Hier geht's zum aktuellen Tagesquiz

Die Startfrage heute: Wie hieß die erste organisierte Partei in Deutschland?

Verlierer des Tages...

… ist das Haus Reuß. Die Thüringer Adelssippe macht nach dem vereitelten mutmaßlichen Terrorplot von Heinrich XIII. Prinz Reuß international Schlagzeilen.

Clanchef Heinrich XIV. Fürst Reuß (»Wir sind 30 Heinriche«) sagte dem MDR: »Das färbt natürlich katastrophal auf die Familie ab. Wir waren 850 Jahre lang ein, glaube ich, tolerantes, weltoffenes Fürstenhaus in Ostthüringen. Und jetzt sind wir in der ganzen Welt, bis nach Amerika, Terroristen und Reaktionäre, das ist ganz fürchterlich.« Bitter, ja.

Wobei man sicher darüber streiten kann, ob im Feudalismus, selbst in dessen Ostthüringer Spielart, Toleranz und Weltoffenheit herrschten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Weitere Geheimdokumente in Lagerraum von Donald Trump entdeckt: Seit Monaten streitet der frühere US-Präsident mit den Behörden über den Umgang mit teils vertraulichen Unterlagen aus dem Weißen Haus. Nun sind weitere Papiere aufgetaucht – aber dieses Mal nicht in seiner Privatvilla.

  • Ehemaliger Theranos-Manager muss fast 13 Jahre ins Gefängnis: Elizabeth Holmes' Bluttests sollten die Gesundheitsbranche revolutionieren, entpuppten sich jedoch als Betrug. Nun muss auch ihr einstiger Geschäftspartner Ramesh »Sunny« Balwani in Haft – länger als sie.

  • Französische Marine stoppt Schiff mit über 4,6 Tonnen Kokain: In einer gemeinsamen Aktion von Europol und nationalen Behörden wurde ein Schiff aus Brasilien vor der Küste Afrikas festgesetzt. An Bord: Rauschgift im Wert von etwa 150 Millionen Euro.

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • Der grüne Gasminister: Seit Russland die Gaslieferungen nach Deutschland gedrosselt hat, leben wir in einem neuen Energiezeitalter. Mittendrin: Wirtschaftsminister Habeck .

  • »Wo steht geschrieben, dass wir unsere Eltern nicht enttäuschen dürfen?«: Wer erwachsen ist, hat nicht unbedingt ein erwachsenes Verhältnis zu den Eltern. Die Psychotherapeutin Sandra Konrad erklärt, wie man eine gesunde Ablösung und eine Annäherung auf Augenhöhe schafft .

  • Er erzählt es, bevor er es vergisst: Der ehemalige Wasserspringer spricht in einer Dokumentation darüber, dass er jahrelang von seinem Trainer vergewaltigt worden sei. Er hat sich für den Gang an die Öffentlichkeit entschieden – auch weil er an Alzheimer erkrankt ist .

  • »Meines Sohns Gemahlin säuft sich alle Woch drei oder viermal sternsvoll«: Sie machte Ludwig XIV. mit Räucherhering bekannt, ertrug Intrigen und Affären – und lästerte über alles. Die Briefe der Fürstentochter Liselotte von der Pfalz liefern pikante Einblicke in das Leben der barocken Oberschicht .

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Sebastian Fischer