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News: Wladimir Putin, Russland-Ukraine-Krieg, Ramsan Kadyrow, Elon Musk, Twitter

Die Ukrainer haben ihre Taktik bei den Briten gelernt

Warum gelingt es den Ukrainer gerade täglich, die russischen Truppen zurückzudrängen, im Osten wie im Süden des Landes? Die Erklärung dafür seien nicht nur westliche Waffen, sagt der ukrainische Militärexperte Oleh Schdanov im Interview mit unserem Reporter Thore Schröder – sondern auch eine neue Taktik der ukrainischen Truppen: »Sie attackieren nicht frontal, sondern von den Seiten und sogar von hinten. So entsteht Panik unter den russischen Soldaten, weil sie nicht verstehen, von wo sie angegriffen werden, nicht wissen, ob sie bereits umzingelt sind. Deshalb ziehen sie sich zurück oder treten sogar ungeordnet die Flucht an.«

Die neuen Taktiken hätten die Ukrainer bei Lehrgängen in Nato-Taktik in Großbritannien und andernorts erlernt. Die russische Kriegsführung entstamme dagegen noch der Sowjetzeit – und sei deshalb unterlegen.

Natürlich ist keineswegs gesichert, dass die Ukrainer in den nächsten Wochen genauso erfolgreich sein werden wie in den vergangenen. Aber je mehr Gelände die ukrainischen Soldaten zurückerobern, desto mehr Schilderungen befreiter Zivilisten über das Gebaren der vertriebenen Russen kommen zutage.

Zerstörtes Haus in der Gegend um Isjum

Foto: ATEF SAFADI / EPA

Die Nachrichtenagentur AP hat in der kürzlich durch die Ukraine befreiten Stadt Isjum recherchiert und dabei Erschreckendes zutage gefördert  : Allein in dieser Stadt haben die Journalisten zehn Orte ausfindig gemacht, in denen russische Soldaten und Geheimdienstler Ukrainer folterten. Örtliche Ärzte berichten, wie ihnen immer wieder Gefolterte gebracht wurden, mit Schusswunden in Händen und Füßen. Die Journalisten sprachen zudem mit 15 Männern, die von ihrer Folter berichteten und ihre Verletzungen zeigten – sie waren etwa mit Hämmern geschlagen worden. Die Recherche ist aufwendig, gut dokumentiert und glaubwürdig. Auch in den Massengräbern, die nach dem Rückzug der Russen aus dem Oblast Charkiw zum Vorschein kamen, waren bereits Dutzende Menschen mit Folterspuren aufgefunden worden.

Was zeigt sich in diesen furchtbaren Berichten? Schon in Butscha hatte die russische Armee in den wenigen Wochen der Besatzung gewütet, Zivilisten getötet und vergewaltigt. In Isjum, wo die Russen sieben Monate lang einen Stützpunkt unterhielten, errichteten sie offenkundig ein systematisches Terrorregime. Das zeigt einmal mehr, dass es für die Ukrainer in diesem Krieg nicht nur um abstrakte Grenzziehungen geht, sondern um ihre Freiheit, ihre Würde, ihre Leben und ihr Überleben.

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Das geschah in der Nacht: Ihm werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen – nun ist Tschetscheniens Machthaber Kadyrow in der russischen Armee aufgestiegen. Kiew bewirbt sich für ein Großevent. Und Cem Özdemir ist empört. Der Überblick.

  • Welche Gebiete kontrolliert Russland in den annektierten Regionen? Die völkerrechtswidrige Annexion von vier ukrainischen Regionen wird international nicht anerkannt. Nach den jüngsten Erfolgen der ukrainischen Armee haben Putins Soldaten auch de facto keine der Regionen mehr vollständig besetzt.

  • Der Pater, der in die Hölle hinabsteigt: Patrick Desbois spürte NS-Massakern in der Ukraine nach – nun ist er zurückgekehrt, um russische Kriegsverbrechen aufzuklären. Seine düstere Erfahrung: »Massenmord ist eine menschliche Krankheit, gegen die niemand immun ist.« 

  • Latte Macchiato in Tiflis: Täglich verlassen Tausende russische Männer ihre Heimat, vor allem in Richtung Georgien. Dort sorgen sie für steigende Einkünfte – aber auch für wachsendes Unbehagen. 

Ein ukrainischer Anschlag in Moskau?

Eine spektakuläre Enthüllung machte in der Nacht auf heute die »New York Times« : Demnach sollen »Teile der ukrainischen Regierung« hinter dem Mordanschlag auf Alexander Dugin im August stecken, den Vordenker der russischen Ultranationalisten, dessen Tochter Daria dabei ums Leben kam. Als Quelle werden US-Geheimdienste genannt.

Ultranationalist Dugin mit einem Porträt seiner ermordeten Tochter Daria

Foto: MAXIM SHIPENKOV / EPA

Erstaunlich ist daran nicht nur, dass die Ukrainer offenbar eine solche Aktion mitten in der russischen Hauptstadt ausführen konnten. Sondern auch, dass die USA diese Erkenntnisse nun öffentlich machen und klarstellen, darüber vorher nicht im Bilde gewesen zu sein. Die USA sind die größten Unterstützer der Ukraine, gerade diese Woche gaben sie eine große Lieferung von Munition und Himars-Raktenwerfern bekannt.

Mit der ungewöhnlichen öffentlichen Distanzierung sollen die Ukrainer offensichtlich ermahnt werden, keine derartigen Anschläge auszuführen – gleichzeitig wollen die USA klarstellen, dass sie nichts damit zu tun hatten. Die US-Behörden machen sich offensichtlich Sorgen, dass Russland zu ähnlichen Aktionen in der Ukraine provoziert werden könnte. Aus dem Bericht geht nicht hervor, ob Präsident Wolodymyr Selenskyj von der Aktion gewusst oder sie abgesegnet haben soll. Die Ukraine hat die Beteiligung an dem Anschlag stets abgestritten.

Elon Musks Twitter – wer will die globale »Everything-App«?

Twitter kann ein toxischer Ort sein. Unschlagbar, was die Fülle an Informationen angeht. Aber auch schwer auszuhalten, was Emotionalität, Narzissmus, Aggressivität angeht. Bald dürfte es auf Twitter noch schmutziger zugehen. Denn Elon Musk, Tesla-Chef, politischer Wirrkopf und reichster Mensch der Welt (circa eine Viertelbillion Euro schwer) will Twitter nun doch kaufen. Er hatte bekanntlich zwischenzeitlich versucht, sich aus dem 44-Milliarden-Dollar-Deal herauszuwinden. Und nun: Will er doch wieder. Wenn es nun tatsächlich zur Übernahme kommt, könnte das chaotisch werden – für Musk, aber auch für die Nutzerinnen und Nutzer.

Denn erstens ist vollkommen unklar, was Musk mit Twitter eigentlich will. Neuerdings erklärte er, daraus eine globale »Everything App« machen zu wollen – also quasi ein Pendant zum chinesischen WeChat, das alles vereint: Man kann damit News empfangen, Restaurants reservieren, Reisen buchen, Bankgeschäfte erledigen. Aber wie er das erreichen will, wie das funktionieren soll, weiß niemand. Es klingt einerseits groß, andererseits vage.

Elon Musk vergangene Woche bei der Vorstellung eines Roboters

Foto: Tesla / Handout / AFP

Zweitens: Wenn Musk seine Pläne wahrmacht, könnte Twitter den politischen Diskurs noch mehr vergiften. In den vergangenen Jahren hat die Firma einige Energie darauf verwendet, die Diskussionen auf Twitter zu verbessern, Hass auszusortieren, Profile zu blockieren, die zu Gewalt aufrufen und Desinformation verbreiten. Das will Musk rückgängig machen, er spricht davon, die App zu einem Paradies der Meinungsfreiheit zu machen. Und sicher: Man kann darüber diskutieren, ob es richtig ist, Donald Trump auf Twitter zu sperren, aber den iranischen Revolutionsführer Khamenei zu tolerieren – ein Twitter ohne jede Moderation wird aber schwer auszuhalten sein.

Drittens hat Elon Musk zuletzt immer deutlicher gemacht, dass er eine politische Agenda hat. Er ist ein Libertärer, der sich selbst als moderat bezeichnet, aber die ganze Zeit gegen die »woke Linke« schimpft und die Nähe rechter Republikaner sucht. Wenn er Twitter übernimmt, kann das auch Auswirkungen auf Wahlen haben – etwa auf die Präsidentschaftswahl 2024 in den USA.

Sicher ist: Ein Mann, der geradezu fantastisch reich ist, wird demnächst wohl das wichtigste Informationstool der Welt besitzen. Falls es zum Kauf wirklich kommt: In der Nacht auf Donnerstag wurde bekannt, dass einige Investoren, die Musks Kauf finanzieren wollten, offenbar keine Lust mehr auf den Deal haben.

Macron ruft zum Treffen der Europäer

Eigentlich ist der Name »Europäische Politische Gemeinschaft« verbrannt. Denn so hieß 1952 der gescheiterte Versuch, aus den sechs Mitgliedstaaten der damaligen Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl eine politische Union zu bilden. Doch nun ist der Name wieder da, soll aber etwas Neues bezeichnen: Die heute erstmals tagende Zusammenkunft der EU-Staaten mit jenen europäischen Staaten, die entweder in die EU möchten, aber noch nicht dürfen (Westbalkan, Ukraine) oder denen es außerhalb der EU besser gefällt (Großbritannien, Norwegen, Schweiz).

Da sahen sie sich zuletzt: Emmanuel Macron bei Olaf Scholz am Tag der deutschen Einheit

Foto: Fabian Sommer / dpa

Die Idee stammt vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Sie wurde von vielen als Trick gesehen, um die Aufnahme neuer EU-Länder auf dem Balkan zu verhindern, womit Macron sich aber ganz falsch verstanden fühlt.

Grundsätzlich ist die Idee gut, auch jene Europäer zusammenzubringen, die nicht in der EU sind. Doch die neue Europäische Politische Gemeinschaft kann die Aufnahme von Staaten in die EU nicht ersetzen: Zu lange schon lässt die EU auf dem Balkan ein politisches Vakuum entstehen, weil es seine Beitrittskandidaten hängen lässt. Weil sie Staaten wie Montenegro oder Albanien keine Perspektive bietet, gibt sie in der Region Störenfrieden wie Russland Raum und riskiert neue Konflikte.

Hier geht's zum aktuellen Tagesquiz

Die Startfrage heute: Wie hoch war 2021 die Anzahl der Gefangenen und Verwahrten in deutschen Justizvollzugsanstalten (geschlossener und offener Vollzug)?

Gewinner des Tages…

Kadyrow Ende September im Kreml

Foto: Mikhail Metzel / SNA / IMAGO

… ist Ramsan Kadyrow, der Machthaber von Tschetschenien, der mit seinen Kämpfern medienwirksam in der Ukraine zugange ist – und seit Wochen immer schärfer die reguläre Armee, die Generäle und das Verteidigungsministerium kritisiert, weil der Krieg schlecht läuft. Präsident Wladimir Putin hat Kadyrow gestern nun zum dritten Mal seit Kriegsbeginn befördert: Er ist nun Generaloberst, das ist der dritthöchste Rang der russischen Armee.

Dass ihn das ruhigstellt, ist eher unwahrscheinlich. Der Mann hat zuletzt immer lauter über den Einsatz von Atomwaffen geredet und gleichzeitig angekündigt, seine drei minderjährigen Söhne zum Kriegseinsatz in die Ukraine schicken zu wollen. Dass ein Mann wie Kadyrow – kriegslüstern, exzentrisch, für Folter und ein Schreckensregime in seiner Heimat bekannt – im heutigen Russland stetig an Bedeutung gewinnt, zeigt: Der russische Staat und seine Führung befinden sich seit dem Überfall auf die Ukraine in einer Abwärtsspirale.

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • Sparen mit einem Haushaltsbuch: »Ich bin erschrocken, wie viele Drogerieausgaben ich habe.« Um in Zeiten hoher Inflation die Kosten im Griff zu behalten, muss man sie erst mal kennen. Die 26-jährige Hannah hat es mit einem Haushaltsbuch ausprobiert – hier gibt sie einen Einblick in ihre Einnahmen und Ausgaben. 

  • Droht in der Schweiz ein neues Lehman Brothers? Die Credit Suisse wird seit Jahren von Skandalen erschüttert. Nun hat sich die Lage der Bank an den Finanzmärkten binnen Tagen dramatisch verschlechtert. Schuld daran ist auch ein unbedachter Tweet. 

  • Boom-Reiseziel Kroatien: »Wir haben die Kontrolle verloren.« Istriens Städte und Strände ächzen unter einem Urlauberansturm – und die Menschen vor Ort unter den Folgen des Klimawandels. Nun versucht die Region, den nachhaltigen Tourismus zu fördern. Mit ersten Erfolgen. 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Mathieu von Rohr