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Nord Stream-Sabotage | Sprengte Putin die Pipeline?

Die russische Marine hat kurz vor den Explosionen der Nord-Stream-Pipelines mutmaßlich mit einem Mini-U-Boot in deren Nähe operiert. Das wirft Fragen zu den Ermittlungen auf.

Während vieler Jahre war der Tatort der Nord-Stream-Anschläge nordöstlich der Insel Bornholm nichts weiter als eine beliebige Stelle in der Ostsee. Knapp außerhalb der dänischen und schwedischen Radarzonen gelegen, ist dort nichts als Wasser, so weit das Auge reicht. Und darunter, in fast 80 Metern Tiefe, eine Gaspipeline, von deren exakter Lage höchstens Insider wussten.

Alarm vor den Anschlägen

Dänische Patrouillenboote verirrten sich fast nie dorthin. Jeden Morgen um etwa die gleiche Uhrzeit hob zwar ein schwedisches Radarflugzeug am Militärflugplatz Malmen ab, um die Ostsee zu überfliegen. Die Crew sicherte aber vor allem die strategisch wichtige Insel Gotland ab. Nordöstlich von Bornholm gab es offenbar wenig zu kontrollieren.

Das änderte sich kurz vor den Explosionen am 26. September 2022, die die Pipelines Nord Stream 1 und 2 zerrissen und damit das Ende der deutsch-russischen Energiekooperation besiegelten. Ab dem Abend des 21. September geschah dort Außergewöhnliches.

Das Patrouillenboot "Nymfen" der Königlich Dänischen Marine verließ überraschend um 19.50 Uhr Rødbyhavn und nahm Kurs auf Bornholm. Exakter: auf die Stelle, die nur fünf Tage später als Tatort der Nord-Stream-Sabotage bekannt werden sollte. Etwas dort bedurfte offenbar der dringenden Überprüfung.

Jagd auf einen Geist

Als das Schiff am Morgen des 22. September sein Ziel erreichte, schlossen sich schon bald die schwedischen Streitkräfte zu Wasser und zu Luft an. Der Kurs eines der schwedischen Schiffe in den kommenden Tagen: die russische Exklave Kaliningrad.

Die Patrouillen nahmen mutmaßlich die Verfolgung russischer Militärschiffe auf. Wie t-online aus Sicherheitskreisen erfuhr, soll ein Verband der russischen Marine unter strenger Abschirmung im Bereich des späteren Tatorts operiert haben. "Wie ein Geist", heißt es dazu, also ohne seine Positionsdaten zu senden. Die Schiffe hätten exakt die notwendige Ausrüstung gehabt, um Sprengsätze an den Pipelines zu platzieren. Öffentlich einsehbare Daten geben Hinweise darauf, dass die Informationen zutreffen.

Die Aktivitäten der russischen Marine in den Tagen vor den Explosionen könnten eine wichtige Spur in einem mysteriösen Kriminalfall sein: dem Anschlag auf die Gaspipelines inmitten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Sie würden zugleich Theorien zu anderen möglichen Verantwortlichen infrage stellen, die in den vergangenen Wochen für Aufsehen sorgten.

Eine lautete: Die USA seien Drahtzieher der Sabotage gewesen. Viele Details des Berichts sind mittlerweile widerlegt. Zuletzt hatten allerdings gemeinsame Recherchen der ARD, des SWR und der "Zeit" einen anderen Tathergang ins Spiel gebracht: Der Generalbundesanwalt verfolge die Spuren einer möglicherweise proukrainischen Gruppe, die mit der Segeljacht "Andromeda" und zwei Tauchern die Anschläge verübt haben könnte. Tatsächlich durchsuchte das Bundeskriminalamt das verdächtige Boot.

Experten vermuten "False Flag"

Die Theorie vom terroristischen Segeltörn im ukrainischen Privatauftrag sorgt in Fachkreisen allerdings für Kopfschütteln. Wenig plausibel sei das, heißt es. Vieles spreche für eine "Operation unter falscher Flagge" – für gelegte Spuren also, die gefunden werden und die wahren Drahtzieher verschleiern sollen. Es seien höchstwahrscheinlich U-Boote oder Unterwasserdrohnen verwendet worden, Hunderte Kilogramm militärischer Sprengstoff. All das spreche für einen staatlichen Akteur.

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Das glauben auch einige Bundestagsabgeordnete des Parlamentarischen Kontrollgremiums, die erst vor Kurzem durch die deutschen Ermittler unterrichtet wurden. "Maximal vorsichtig" müsse man sein mit der bislang in Medien bekannt gewordenen Spurenlage, sagte der Gremiumsvorsitzende Konstantin von Notz (Grüne). Auch absichtlich irreführende Hinweise seien denkbar.

Dass hinter der Operation mehr stecken könnte als eine Segeljacht, legen nun die Recherchen von t-online nahe.