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Notenbanken: Fed und EZB erhöhen die Zinsen – und überraschen die Märkte trotzdem

Die amerikanische Fed erhöht ihre Leitzinsen um 25 Basispunkte, die europäische Notenbank EZB und die Bank of England sogar um 50. Alle Schritte wurden so erwartet – und trotzdem bewegten sie die Märkte

Etwas, das Jugendliche in der Schule über Wirtschaft lernen, ist das Magische Viereck: stabile Preise, hoher Beschäftigungsgrad, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes Wirtschaftswachstum. Alles sollte irgendwie im Rahmen bleiben – nicht immer, aber in der Tendenz. Mindestens eines der Ziele ist es zurzeit aber nicht, jedenfalls aus Sicht der Notenbanken, die die mitunter zweistelligen Inflationsraten für zu hoch halten. Auch wenn die Preissteigerungen zuletzt geringer ausfielen: Die Europäische Zentralbank (EZB) und die amerikanische Fed blicken kritisch auf die Entwicklung und erhöhten deshalb in dieser Woche erneut ihre Leitzinsen. Die Fed um immerhin 25 Basispunkte, die EZB am Donnerstag sogar um 50. 

Angesichts dieser vermeintlich kräftigen Schritte reagierten die Märkte ausgesprochen gelassen, wenn nicht sogar euphorisch. Zum einen hatten Analysten die Zinsschritte genau so erwartet. Zum anderen fielen die Ausblicke, jedenfalls der Fed, etwas zurückhaltender im Hinblick auf weitere Zinserhöhungen aus. Zwar betonte Fed-Chef Jerome Powell, dass es trotz fallender Inflationsraten noch „verfrüht sei, den Sieg auszurufen“. Dennoch sei der „disinflationäre Prozess gestartet“. Vor allem die letzte Aussage blieb bei den Anlegern hängen, die ein mittelfristiges Ende der Zinserhöhungen daraus ableiteten. Der breite US-Aktienindex S&P 500 sowie der Tech-Index Nasdaq stiegen auf die höchsten Werte seit September 2022. 

Zinsentscheidungen der USA sind in aller Regel marktbewegender als die der EZB. Und trotzdem bewegte auch die EZB am Donnerstag die Märkte – allerdings nicht unbedingt, wie erwartet. In einer ersten Reaktion gab der Euro leicht nach und auch die Anleiherenditen fielen. Lediglich der Dax verteidigte seine Tagesgewinne, die er im Zuge der Fed-Entscheidung erzielt hatte. Eigentlich wurde das Gegenteil erwartet. „Erklärungsversuche dafür gibt es kaum. Das wirkt wie im falschen Film“, sagte Thomas Altmann von QC Partners. Wenn überhaupt, ließe sich dies durch kurzfristige Gewinnmitnahmen erklären. 

Weitere 50 Basispunkte im März erwartet

Dabei gab es eigentlich keine Überraschungen: Wie erwartet erhöhte die EZB sowohl den Leit- als auch den Einlagezins um 50 Basispunkte – auf 3,0 Prozent, beziehungsweise 2,5 Prozent. EZB-Präsidentin Christine Lagarde vermied es anders als Powell, Signale für ein Ende der Zinserhöhungen auszusenden und bekräftigte stattdessen das mittelfristige Inflationsziel von 2,0 Prozent. Der EZB-Rat stellte einen weiteren Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten im März in Aussicht. Danach soll eine Neubewertung erfolgen. „Wir werden den notwendigen Weg gehen, um die zwei Prozent zu erreichen“, sagte Lagarde am Donnerstag in Frankfurt.  

Hauptgebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt

Die beiden wichtigsten Notenbanken werden in dieser Woche die Leitzinsen aller Voraussicht nach weiter anheben. Die EZB dürfte dabei stärker auf dem Gaspedal stehen als die Fed

Analysten hatten genau damit gerechnet und lobten den Schritt weitestgehend. Die EZB werde ab sofort einen strengeren Kurs fahren als die Fed, meinen sie. „Die Inflationsbekämpfung steht im Fokus der EZB-Kommunikation“, sagte Spyros Andreopoulos, Volkswirt bei BNP Paribas Deutschland. Und weil sie genau das kommunizierte, bewegten sich auch die Märkte am Donnerstag nahezu seitwärts.

Die Nachricht daraus ist dennoch klar: Die Fed befindet sich wieder im normalen Takt einer Notenbank, die EZB agiert noch im Krisenmodus. Sollten die Investorenerwartungen eintreffen, steigen die Fed-Leitzinsen in diesem Jahr noch von 4,75 auf 5,1 Prozent – die der EZB von 3,0 auf 3,5 Prozent. 

Das drückt sich auch in den Analystenerwartungen über die Inflationsentwicklung aus. Während der Inflationsgipfel in den USA überschritten scheint, sind die Vorzeichen in Europa weniger deutlich. Zwar gab es auch in Europa im Januar einen deutlichen Rückgang von 9,2 auf 8,5 Prozent. Doch die um Energie und Lebensmittel bereinigte Kernrate verharrte bei 5,2 Prozent. Und eigentlich sei diese sogar auf 5,3 Prozent gestiegen, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Die Statistikbehörde Eurostat habe den Warenkorb umgestellt und Pauschalreisen stärker gewichtet. Die Preise hierfür gingen üblicherweise im Januar stärker zurück. „Es gibt also noch keine Entwarnung für die EZB“, schrieb Krämer auf Twitter.  

Otmar Lang, Chefvolkswirt von der Targobank sieht das ähnlich, warnt aber vor zu kräftigen Zinserhöhungen: „Mit Geldpolitik allein lässt sich nicht jedes Problem lösen – zumal sie nur mit großer Verzögerung wirkt.“ Er könne sich deshalb vorstellen, dass die EZB noch einmal im März die Zinsen anhebt, dann aber eine Pause einlegt. Diese würde auch dazu beitragen, die Aufwertung des Euro zu bremsen. Er hat seit September zum US-Dollar bereits 15 Prozent gewonnen. „Das ist eine Entwicklung, die zwar den Preisauftrieb dämpft, aber für den Konjunkturausblick nicht sonderlich förderlich ist“, sagte Lang. 

IWF-Studie sieht große Resilienz in Europa

Interessant ist die EZB-Entscheidung auch vor dem Hintergrund einer IWF-Studie. Diese prognostiziert für die Eurozone ein Wachstum von 0,7 Prozent – gegenüber 0,5 Prozent in einer früheren Prognose aus dem Oktober. Insgesamt erweise sich Europa angesichts der Auswirkungen des Ukrainekrieges „widerstandsfähiger als erwartet“. Das widerstrebt allerdings den Bemühungen der EZB, die die Konjunktur bewusst abkühlen will, um die Inflation zu senken. 

Ein LNG-Tanker hat am schwimmenden LNG-Terminal in Wilhelmshaven festgemacht

Die Prognosen für 2023 waren düster, jetzt sieht es so aus, als könnte Deutschland um eine Rezession herumkommen. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, erklärt, warum er verhalten optimistisch für 2023 ist

Wegen derselben Studien wurde auch die Notenbankentscheidung der Bank of England (BoE) mit Spannung erwartet. Die IWF-Studie sagte für Großbritannien als einziges Industrieland eine Rezession von 0,6 Prozent voraus. Erst im nächsten Jahr kehre das Wachstum zurück. Marktbeobachter waren sich deshalb unsicher, wie stark die erwarteten Zinserhöhungen der BoE ausfallen werden. Letztlich ließ sie sich davon aber nicht beeindrucken, im Gegenteil: Sie geht sogar von einer Rezession im Jahr 2024 aus - und trotzdem sah sie Handlungsdruck und erhöhte den Leitzins im selben Maß wie die EZB um 50 Basispunkte auf nunmehr 4,0 Prozent. Die BoE glaubt auch nicht, dass die Inflation in Kürze rückläufig sein wird. 

James Smith, Ökonom bei der niederländischen Großbank ING in London, warnte: „Wir glauben, dass die BoE weniger schnell zu Zinssenkungen übergehen wird als die Federal Reserve, da sich die Kerninflation wahrscheinlich als stabiler erweisen wird.“ Dies deute darauf hin, dass eine Lockerung der Politik für mindestens ein Jahr unwahrscheinlich sei. 

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