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Pflege in Deutschland - Gerd (78) arbeitet für den Heimplatz seiner Frau

Gerd (78) und Ruth (86) Enskat aus Neusäß (Bayern) sind seit 49 Jahren verheiratet.

Er arbeitete lange für einen Waschanlagen-Hersteller, sie als Volkshochschullehrerin. Beide wollten als Rentner um die Welt reisen. Aber es kam anders: 2005 saßen sie auf der Terrasse. schmiedeten Pläne. Nachts platzte Ruth eine Ader im Kopf! Not-OP, Reha.

Gerd pflegte sie, bis er nicht mehr konnte. 2015 kam Ruth ins Heim – und Gerd arbeitet wieder drei Tage die Woche für seine alte Firma.

Er zu BILD am SONNTAG: „Sonst könnte ich das Heim bald nicht mehr bezahlen, wäre auf Geld vom Amt angewiesen. Das will ich nicht!“ Er rechnet vor: „Das Heim kostet 4400 Euro im Monat. Die Pflegekasse zahlt 2640 Euro, meine Frau 760 Euro – ihre Rente. Den Rest, 1000 Euro, zahle ich.“ Wie geht das? „Ich habe 1700 Euro Rente, verdiene 1800 Euro. Davon zahle ich das Heim, meine Miete, mein Auto, meine Urlaube. Würde ich nicht arbeiten, blieben mir 700 Euro. Dann müsste ich ans Ersparte, bis nur das erlaubte Schonvermögen von 10.000 Euro übrig bliebe.“ Seine Kritik: „Der Staat muss Ehepaare, wenn ein Partner ins Heim muss, mehr entlasten! Dafür haben wir doch die Pflegeversicherung!“ Ruth hat Pflegegrad 4, kann fast nicht mehr sprechen. Gerd: „Ich besuche sie jeden Tag. Wir feiern bald goldene Hochzeit.“

Kienscherf war während der Corona-Pandemie eingezogen, weil das die einzige Möglichkeit war, seine an Parkinson und Demenz erkrankte Frau Ursula (78) jeden Tag zu sehen: „Ich hatte Angst, dass sie mich vergisst.“

Für Alex Kienscherf (83) bedeutet die Arbeit im Garten des Pflegeheims Erholung. Bei schönem Wetter schiebt er seine Frau Ursula (78) auf die Terrasse

Foto: SYBILL SCHNEIDER

Mittlerweile wohnt Kienscherf wieder in seiner Wohnung, kommt trotzdem jeden Tag sieben Stunden ins Heim. Er bereitet die Flüssignahrung vor, die Ursula über die Magensonde bekommt. Er schaut, dass sie ihre Medikamente pünktlich bekommt. Er cremt sie ein, liest ihr vor, schiebt sie bei gutem Wetter in den Garten.

Dass seine Frau in einer schönen Einrichtung wohnen kann, bezeichnet der einstige EDV-Profi als seinen „Luxus“: „1800 Euro zahle ich dazu. Jegliche Rente ist so am Monatsende weg.“ Wenn er einkaufen geht, schaut er nach Angeboten. Kienscherf: „Ich würde nie zum Amt laufen. Alles, was ich darüber hinaus kaufen möchte, muss vom Ersparten bezahlt werden.“

Alex: „Wenn mir meine Ursula ein Lächeln schenkt, dann ist das die schönste Entlohnung.“

Foto: Sybill Schneider

Der Rentner hilft im Heim nicht nur seiner Frau. Wenn in einem Zimmer der Fernseher nicht geht, korrigiert er die Einstellungen. Fällt das Licht im Flur aus, tauscht er die Glühlampe. „Das Heim ist jetzt mein Kosmos.“

Für Senioren sind ausländische Pflegerinnen oft die letzte Rettung vor dem Altenheim.

Im Haus von Otto (79) und Rose (78) Butter in Hatzenbühl (Rheinland-Pfalz) wohnt seit November Valentyna Krekoten (50). Während Otto sich noch selbst versorgen kann, leidet Rose an den Folgen von Corona, hat immer wieder Aussetzer und stürzt regelmäßig. Sie kann sich nur noch mithilfe von Valentyna, die aus Mariupol in der Ukraine stammt, sicher bewegen.

Rose Butter (78, l.) leidet seit ihrer Corona-Infektion an einer sogenannten Sturzsucht. Jetzt lebt Pflegerin Valentyna (50) mit im Haus

Foto: Vincenzo Mancuso

Ihr Ehemann: „Ohne sie hätten wir uns beide einen Platz im Altenheim suchen müssen. Da ich aber noch in guter Verfassung bin, kann ich mir ein Leben im Pflegeheim nicht vorstellen. Von Rose getrennt zu leben aber auch nicht!“

Der Medizinische Dienst hat Rose auf Pflegegrad 3 eingestuft – das bedeutet, die Pflegekasse zahlt 545 Euro pro Monat. Valentyna arbeitet für „Seniocare24“, für ihre Unterstützung zahlt das Ehepaar Butter 1050 Euro – also jeden Monat 505 Euro aus eigener Tasche.

Otto: „Ein Zimmer im Heim würde für uns aber rund das Dreifache kosten.“

Foto: BILD

Dieser Artikel stammt aus BILD am SONNTAG. Das ePaper der gesamten Ausgabe gibt es hier.