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Pipelines und Panzer verfolgen Scholz bis nach Spanien

Teambildung empfehlen Coaches, wenn es am Arbeitsplatz zuletzt Konflikte gab. Warum nicht mal die Führungskräfte zum Bouldern schicken oder zum Wandern? So ähnlich wirkt der Ausflug, den der Bundeskanzler am Mittwoch mit seinen wichtigsten Ministern unternimmt: Sie fliegen an die spanische Atlantikküste, nach A Coruña, und da die Maschinen der Flugbereitschaft mal wieder ausfallen oder vom protokollarisch höherstehenden Bundespräsidenten genutzt werden, steigen Scholz, Habeck, Lindner und drei weitere Ressortchefs der Ampel in einen profanen Truppentransporter der Bundeswehr.

Finanzminister Lindner hat gerade den Beschluss des Kabinetts verhindert, die Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Sie sollen nicht nur bis April, sondern ein ganzes Jahr weiterbetrieben werden. Damit macht er es Wirtschaftsminister Habeck, dem seine Grünen in der Atomfrage sowieso nur widerwillig folgen, noch ein bisschen schwerer.

Es gäbe also einiges zu besprechen. Doch gibt es auch die Gelegenheit? Offiziell ist das Treffen nämlich eine deutsch-spanische Regierungskonsultation. Das Format war ein Stilmittel der Ära Merkel. Die Idee: Nicht nur Regierungschefs befreundeter Länder, sondern auch Minister suchen gemeinsame Projekte – und treffen sich einmal im Jahr. Zuletzt war das Ganze allerdings eingeschlafen: Die letzten deutsch-spanischen Regierungskonsultationen fanden 2013 statt.

Im Oktober wird Sanchez erneut in Berlin erwartet

Scholz hat sie jetzt wiederbelebt. Er mag Spanien. Vor allem seine Regierung und ihren Regierungschef: Pedro Sanchez hat seine Sozialdemokraten aus einer Großen Koalition in ein Linksbündnis geführt. Die auch in Spanien tobenden Kulturkämpfe überlässt er seinen kleineren Partnern und konzentriert sich auf ökonomische Fragen: Regieren für die, die arbeiten, nennt er das. Scholz erkennt sich darin wieder.

Es ist schon das dritte Treffen der beiden in diesem Jahr. Noch im Oktober wird Sanchez erneut in Berlin erwartet. Zwischendurch kommt noch das spanische Königspaar auf Deutschlandbesuch und dann ist Spanien auch noch Gastland der Frankfurter Buchmesse. „Es ist gewissermaßen ein deutsch-spanisches Jahr“, sagt Scholz fröhlich: „Ich glaube, das ist keine Übertreibung.“

Ob dabei wirklich etwas herumkommt? Schwer zu sagen. Zwei Abkommen, die Arbeitsminister Hubertus Heil und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger mit ihren Counterparts unterzeichnen, sind sicherlich im weiteren Sinne sinnvoll, hätte man aber auch per Mail hin- und herschicken können. Der „Aktionsplan“, den beide Regierungen vereinbaren, haben nicht einmal alle beteiligten Regierungsmitglieder gelesen.

Die wirklich wichtigen Themen: Energie und Waffen

Die wirklich wichtigen Fragen sind die hier am Westrand von Europa die gleichen wie zu Hause: Energie und Waffen. Um Energie wird hinter den Kulissen gerade heftig gerungen: „Leider verhindert die fehlende Infrastrukturanbindung in Europa, dass das das Potenzial, das wir auf der iberischen Halbinsel haben in Sachen Strom und Gas, voll ausgeschöpft wird“, sagt Sanchez.

Er meint: Sein Land hat Häfen für Flüssiggas und würde dies – und später Wasserstoff – gerne nach Deutschland liefern. Aber das geht technisch nicht. Weil Frankreich das Geschäft auch gerne machen will und den Aufbau einer Infrastruktur zum Transit behindert.

Scholz hat erst Anfang der Woche mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gesprochen. Offiziell setzt man noch auf dessen Plazet, arbeitet als Plan B aber auch daran, eine Pipeline durchs Mittelmeer zu legen. Das freilich ist noch nicht spruchreif, noch wird Macron bearbeitet. „Was die konkrete Pipeline betrifft, ist es unsere gemeinsame Perspektive, dass wir das immer in Freundschaft und Kooperation gerne machen“, sagt Scholz: „Wir haben nicht den Eindruck, dass das ausgeschlossen ist.“

In Europa herrscht in einigen Hauptstädten Unmut über die 200 Milliarden Euro, mit denen die Ampel nach langem Hin und Her nun die deutschen Energiepreise herunter subventionieren will. Ist das nicht Wettbewerbsverzerrung? Danach gefragt antwortete Sanchez ambivalent. Einmal verweist er auf den Binnenmarkt als wichtigste EU-Errungenschaft überhaupt, dieser müsste als „level playing field“ ausgestaltet sein. Da klingt Kritik an den hohen deutschen Staatshilfen an. Andererseits verweist Sanchez darauf, Deutschland sei nun einmal die größte Volkswirtschaft in diesen Binnenmarkt und gerade auch in besonderen Schwierigkeiten.

Auch beim Thema Waffenlieferungen schont Sanchez Scholz. Laut spanischen Medienberichten wollte die spanische Regierung Leopard-Panzer aus deutscher Produktion an die Ukraine liefern – doch die Bundesregierung untersagte ist. Zeuge dafür will ein wichtiger Politiker der Ampel sein: der Grüne Anton Hofreiter, immerhin Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag. Hofreiter sagt, er habe dazu „belastbare Informationen aus der spanischen Regierung“, die ihm „persönlich gesagt“ wurde.

Damit konfrontiert, weicht Sanchez aus. Alle Anträge aus der Ukraine würden von seiner Regierung genau geprüft. Alleingänge würden vermieden. Genauso sieht es Scholz.