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Postfaschisten in Italien vor Wahlerfolg: Wie konnte es so weit kommen?

Viele Italiener vor Wahl unentschieden

Das aktuelle politische Angebot macht einen großen Teil der Italienerinnen und Italiener offenkundig ratlos: Auch wenige Tage vor der Wahl wissen knapp 40 Prozent der Wahlberechtigten noch nicht, wem sie ihre Stimme geben werden. Noch können unerwartete Ereignisse die wechselhafte Stimmung beeinflussen: Wie etwa wirken jüngst veröffentlichte Berichte, wonach Russland mehreren Parteien Geld gegeben haben soll, um die italienische Regierung zu destabilisieren? Wie wirken die starken Unwetter in Mittelitalien, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren?

Sollte es Giorgia Meloni tatsächlich schaffen, als Nachfolgerin von Mario Draghi zur Premierministerin gewählt zu werden, wäre sie nicht nur die erste Frau in diesem Amt, sondern auch die erste Politikerin seit 1945, die ihre politische Laufbahn in einer neofaschistischen Partei begonnen hat – und das kurz vor dem 100. Jahrestag von Mussolinis Machtergreifung. Auf ihre eigenen politischen Wurzeln angesprochen reagiert Meloni regelmäßig mit dem Hinweis, sie wolle nicht über die Vergangenheit, sondern über die Zukunft Italiens sprechen.

Hetz-Tiraden gegen EU und Flüchtlinge

Inwiefern sich Meloni tatsächlich von nationalistischen oder extremistischen Gedanken entfernt hat, wird sich zeigen. Zahlreiche Beobachter glauben, dass die 45-jährige Römerin trotz manch öffentlicher Hetz-Tiraden gegen Brüsseler Bürokraten, Bootsflüchtlinge und Befürworter der "Ehe für alle" eine pragmatische Regierungslinie verfolgen werde. Zu gering seien die finanziellen Handlungsspielräume für das hoch verschuldete Italien, um die rund 190 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds aufs Spiel zu setzen. Eine Neuverhandlung – wie dies Meloni im Wahlkampf fordert – würde die von Premierminister Mario Draghi eingeleiteten Weichenstellungen in Gefahr bringen und der italienischen Wirtschaft schaden.

Auch ein Ausscheren aus der gemeinsamen Linie der Nato gegenüber Russland werde es mit Meloni wohl nicht geben: Warum die internationale Glaubwürdigkeit Italiens aufs Spiel setzen? Zwar wird eine Regierungschefin Meloni auch ihre eigene Kernklientel bedienen müssen. Daher sind unter ihrer Regierungsverantwortung keine weiteren Liberalisierungen im Bereich der Gesellschaftspolitik zu erwarten – etwa die Zulassung der aktiven Sterbehilfe. Doch in den Bereichen Außen-, Sicherheit- und Wirtschaftspolitik werde sich Meloni an das Machbare halten. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Fratelli einige ehemalige Politiker aus der bürgerlich-konservativen Forza Italia in ihre Reihen aufgenommen und für wichtige Posten vorgesehen haben.

Regierung überdauert durchschnittlich 14 Monate

Skeptiker hingegen glauben, dass Meloni ein ideologisches Projekt verfolgt und mit ihr ein weiteres Land innerhalb der EU gegen den Konsens in Brüssel und Straßburg arbeiten wird. Meloni, die Verbindungen zu Ungarns Regierungschef Viktor Orbán aufgebaut hat und deren Fratelli auf europäischer Ebene mit der polnischen Regierungspartei PiS eine Parteienfamilie bildet, wird sich ganz genau angeschaut haben, wie lang die Brüsseler Reaktionszeit auf nicht-EU-konformes Regierungshandeln ausfällt.