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Prozess gegen Lkw-Fahrer: Schwierige Beweislage bringt Würzburger Landgericht zu einem Zugeständnis

Die beiden ukrainischen Lastwagenfahrer, die sich zufällig am 16. April 2022 auf dem Parkplatz "Würzburg-Süd" trafen, sprechen beide schlecht deutsch. Und sie müssen die Bezeichnung Tank- und Rastanlage gründlich missverstanden haben. Bei der Rast dort tranken sie offenbar reichlich Alkohol - und gerieten in Streit. Erst gab es blöde Sprüche, dann ein blaues Auge - und schließlich wütende Messerstiche in Oberarm, Unterbauch und Hinterkopf, die einen der beiden Ukrainer fast tödlich verletzten

Zehn Monate später ist unklar, wo sich das Opfer aufhält. Der zweite Lkw-Fahrer sitzt als Angeklagter in Würzburg vor Gericht.

Lastwagenfahrer vor Gericht, Opfer untergetaucht 

Zweimal im Monat darf der 37-Jährige aus der Untersuchungshaft mit seiner Frau und den Kindern telefonieren, die in Polen warten. Doch ihm droht eine jahrelange Haft für versuchte Tötung – und den Versuch, nach den Messerstichen alkoholisiert auf die Autobahn zu entkommen.

Andere Lkw-Fahrer hatten ihm bei dem Vorfall im April 2022 eine Mülltonne und eine Zugmaschine in den Weg gestellt, so gab der Angeklagte nach wenigen hundert Metern seinen Fluchtversuch auf. Das Opfer verschwand nach drei Tagen heimlich aus dem Krankenhaus – und konnte von den Ermittlern bis heute nicht gefunden werden. Auch ob drei Zeugen aus dem ukrainischen Kriegsgebiet und Nachbarstaaten die Ladung zum Prozess am Landgericht Würzburg überhaupt bekommen haben, ist ungewiss – geschweige denn, ob sie kommen.

Gericht bietet Verständigung an: Geständnis gegen Bewährungsstrafe

So muss der Vorsitzende Richter Thomas Schuster zu einer Lösung greifen, die ihm erkennbar widerstrebt: Um einen monatelangen Prozess mit ungewissem Ausgang zu vermeiden, bietet das Gericht dem Angeklagten und seinem Verteidiger Jan Paulsen eine Verständigung an: Bei einem klares Geständnis unter Verzicht auf Ausreden wie Notwehr könnte der 37-Jährige für gefährliche Körperverletzung statt versuchter Tötung verurteilt werden. Die Strafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden.

Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach willigt ein, stellt sich aber eine Strafe von zweieinhalb Jahren vor. Verteidiger Jan Paulsen bittet um eine Bewährungsstrafe von höchstens zwei Jahren. Sein Mandant sei betrunken vermindert schuldfähig gewesen. Er habe von seinem Opfer abgelassen, dies könne man als Rücktritt vom Tötungsversuch werten.

Der Angeklagte ergreift bei der Verhandlung an diesem Montag die Chance und gesteht: Er habe zugestochen und dann fliehen wollen, obwohl ihm klar gewesen sein, nicht fahrtüchtig zu sein. Bei der Beweisaufnahme hatten Polizisten ihre Eindrücke geschildert, die das Geständnis des 37-Jährigen glaubhaft wirken lassen. 

Vorsitzender Richter zum Urteil: "Keine Kapitulation des Rechtsstaates"

So wird der Angeklagte schließlich zu zwei Jahren verurteilt - gerade noch zur Bewährung. Das sei "keine Kapitulation des Rechtsstaates vor der Realität", betont der Vorsitzende Richter. Das Gesetz sehe diese Möglichkeit ausdrücklich vor. "Die Beweissituation war außerordentlich schwierig", so Schuster. Ein Freispruch mangels Beweisen sei nicht ausgeschlossen gewesen.

Nach dem Urteil wird der Lastwagenfahrer nun aus der Haft entlassen. Er wird sich nicht selbst ans Steuer setzen können, um zu seiner Familie nach Polen zu kommen: Den Führerschein des Ukrainers behält das Gericht wegen der Fahrt unter Alkoholeinfluss ein. Zudem erhält der 37-Jährige in Deutschland eine siebenmonatige Sperre, die Fahrerlaubnis wiederzubekommen.