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Prozessbeginn in München: Ex-Wirecard-Chef Braun will aussagen

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Braun wird aus seiner Zelle direkt in den Gerichtssaal in der JVA München -Stadelheim gebracht.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mit dunklem Rollkragen kennen ihn die Anleger, mit dunklem Rollkragen erscheint Markus Braun zum Prozessauftakt vor Gericht. Die Verteidiger des angeklagten früheren Wirecard-Chefs plädieren auf Nichtwissen und greifen den Hauptbelastungszeugen an.

Es ist einer der größten deutschen Wirtschaftsskandale: Seit Donnerstag wird vor dem Landgericht München I die Milliardenpleite des früheren Dax-Konzerns Wirecard strafrechtlich aufgearbeitet. Der frühere Konzernchef Markus Braun steht mit zwei ehemaligen Managern vor Gericht - bis zu einem Urteil dürfte aber mindestens ein Jahr vergehen. Der erste Prozesstag drehte sich fast vollständig um die Verlesung der umfangreichen Anklage, die etwa fünf Stunden ohne Pause dauerte. Daneben teilte das Gericht Inhalte aus der Prozessvorbereitung mit.

Braun sitzt seit Juli 2020 in Untersuchungshaft, er wurde direkt aus seiner Zelle in den Gerichtssaal in der Justizvollzungsanstalt München-Stadelheim gebracht. Der wie bei früheren Aktionärsversammlungen von Wirecard im dunklen Rollkragenpullover erschienene Braun machte zu Prozessbeginn Angaben zu seiner Person. Nach Angaben des Gerichts und seiner Verteidiger will er sich im Prozessverlauf inhaltlich äußern und auch Fragen beantworten.

Seine Verteidiger hatten im Vorfeld die Vorwürfe gegen Braun bestritten. Er sei in die Machenschaften, die ausschließlich der Veruntreuung von Geldern der Wirecard AG dienten, nicht involviert gewesen und habe hiervon auch keine Kenntnis erlangt, erklärten sie kurz vor Prozessbeginn. Brauns Verteidigung will ab der kommenden Woche entsprechend im Verfahren argumentieren.

Unklar, ob die Milliarden existierten

Die Staatsanwaltschaft wirft dem aus Wien stammenden 53-Jährigen gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Untreue, Marktmanipulation und unrichtige Darstellung vor. Allein wegen der Betrugsvorwürfe drohen bis zu zehn Jahre Haft. Braun soll zusammen mit der restlichen Wirecard-Chefetage über Jahre Scheingeschäfte in Milliardenhöhe verbucht und so hohe Kredite erschwindelt haben. Das Unternehmen schaffte es mit seiner angeblich erfolgreichen Geschäftsidee bis in den Deutschen Aktienindex, obwohl die Geschäfte tatsächlich nur Verluste produzierten.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft wussten Braun und eine Reihe Wirecard-Führungskräfte spätestens seit Ende 2015, dass ihr eigentliches Geschäft als Bezahlungsdienstleister nur Verluste machte. Durch Scheingeschäfte sollen sie sich aber weiter Milliardenkredite gesichert haben. 1,9 Milliarden Euro sind verschwunden - unklar ist, ob das Geld je existierte oder ob die Beträge erfunden wurden. Neben Braun sind der frühere Wirecard-Chefbuchhalter Stephan Freiherr von E. und der frühere Chef eines Wirecard-Unternehmens in Dubai, Oliver B., angeklagt. Der ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek ist auf der Flucht. Während von E. wieder frei ist, sitzt B. wie Braun weiter in Untersuchungshaft.

Brauns Verteidiger zielen auf Kronzeugen

B. gilt als Kronzeuge der Anklage. Er war nach dem Bekanntwerden des Wirecard-Skandals aus Dubai nach Deutschland gereist und hatte umfassend ausgepackt. B. erwartet nach Angaben seines Verteidigers Florian Eder für seine Rolle als Kronzeuge einen "sehr, sehr deutlichen Strafnachlass". Wie der Verteidiger von B. weiter sagte, sei in dem zunächst auf hundert Verhandlungstage angesetzten Prozess mit Angriffen von Brauns Verteidigung auf die Glaubwürdigkeit seines Mandanten zu rechnen. Doch die Aussagen von B. seien stimmig. Neben der Erinnerung an direkte Gespräche mit Braun gebe es auch belastendes Material, das in der Beweisaufnahme zur Sprache kommen werde. Tatsächlich griffen Brauns Verteidiger B. bereits am ersten Verhandlungstag an. Sie forderten vom Gericht, eine Äußerung einer Staatsanwältin offiziell zu vermerken, wonach sich die Anklage von B. nicht erpressen lassen wolle. Eine entsprechende Äußerung soll in einem Vorgespräch gefallen sein.

Das Hauptmotiv der Angeklagten soll nach Auffassung der Staatsanwaltschaft gewesen sein, sich selbst zu bereichern: So verbuchte Braun nicht nur ein Millionengehalt, als Wirecard-Aktionär kassierte er außerdem von 2015 bis 2018 Dividenden in Höhe von 5,5 Millionen Euro. Durch die Wirecard-Pleite verloren viele tausend Aktionäre ihr Anlagevermögen bei dem Konzern. Mögliche Schadensersatzansprüche müssen in Zivilprozessen gesondert geklärt werden - zuletzt wies das Landgericht München I aber eine Klage einer Fondsgesellschaft über 243 Millionen Euro gegen den Insolvenzverwalter ab, die Anleger drohen leer auszugehen.