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Putin-Talk bei "Hart aber fair": "Wir müssen jetzt vorsichtig sein"

Der russische Präsident Wladimir Putin hat in seinem Land eine Teilmobilmachung angeordnet. Gleichzeitig droht er dem Westen mit dem Einsatz von Atomwaffen. Wie ernst muss man Putins Drohungen nehmen? Das ist ein Thema in der ARD-Talkshow "Hart aber fair".

Nach der Offensive der ukrainischen Armee im Osten des Landes hat Russlands Präsident Wladimir Putin eine Teilmobilmachung angeordnet. Damit hat er Demonstrationen unter der Bevölkerung ausgelöst, viele Männer scheinen zu desertieren. Wie ernst ist die Lage in Russland, und was bringt die Teilmobilmachung angesichts der Tatsache, dass Soldaten nach einer Ausbildung von angeblich nur zwei Wochen an die Front geschickt werden? Darüber haben am Montagabend die Gäste in der ARD-Sendung "Hart aber fair" diskutiert.

Im Moment helfe die Teilmobilmachung der Armee nicht, sagt Militärexpertin Claudia Major. Die Soldaten seien schlecht ausgebildet, weil es an den nötigen Ausbildern mangele. Gleichzeitig sei auch nicht genug Ausrüstung für die neuen Truppen vorhanden. "Die Soldaten sind nicht supermotiviert", sagt Major. Und die bereits bekannten Probleme der Armee, zu denen nicht zuletzt die schlechte Führung und eine ungenügende Logistik gehörten, würden nicht über Nacht verschwinden. Putin habe zwei wesentliche Ziele: Er wolle den Krieg verlängern, und er wolle den europäischen Verbündeten zeigen, dass Russland den längeren Atem habe. Für die Expertin bedeutet die Teilmobilmachung in Russland die Vorbereitung auf eine mögliche Frühjahrsoffensive im Jahr 2023.

"Daraus müssen wir jetzt die richtigen Schlüsse ziehen", fordert Claudia Major. Für sie bedeutet das, die Ukraine so schnell wie möglich mit Waffen auszustatten.

Kampfpanzer und Schützenpanzer

Claudia Major erklärt: "Panzerhaubitzen erlauben Ihnen, aus einer bestimmten Entfernung eine Stellung sturmreif zu schießen. Wenn Sie aber eine Stellung einnehmen wollen, brauchen Sie eine Mischung aus Schutz, Beweglichkeit und Feuer." Das könnten Kampf- und Schützenpanzer erreichen, möglicherweise mit Unterstützung aus der Luft. Die Waffen, die der Westen jetzt bereitstelle, ermöglichten der Ukraine, Stellungen zu halten. Doch es fehle an Panzern, die Soldaten an die Front bringen. "Die sind teilweise mit VW-Transportern an die Front gefahren", so Major. Wolle der Westen die Ukraine in die Lage versetzen, die von Russland okkupierten Gebiete zu befreien, müsste man sie anders ausrüsten, sagt Major.

Bundeskanzler Scholz habe immer wieder gesagt, man könne Waffen nicht im Alleingang liefern. Das sieht Major anders. "Die Lieferung des Gepard-Abwehrpanzers war ein Alleingang. Den haben alle unsere Partner unterstützt." Grundsätzlich könne sie aber auch verstehen, wenn man Alleingänge ablehne, weil man zusammen mit anderen Partnern stärker sei. Major fordert, dass Deutschland seine Führungsrolle in Europa nutzen müsse, um Koalitionen zu schmieden und bei Waffenlieferungen voranzugehen. "Zu sagen, unsere Partner machen es nicht, also machen wir es auch nicht, ist nicht unbedingt meine Definition von Führung", fasst Claudia Major zusammen.

Der Diplomat und langjährige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sieht es genauso. "Es geht uns doch darum, dass der Krieg in der Ukraine eben nicht noch Jahre dauert, wie Putin sich das denkt. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass dieser Krieg möglichst frühzeitig zu Ende geht", sagt Ischinger. Wenn unsere militärische Leistung dazu beitragen könne, dass die Ukraine möglichst viel von Russland besetztes Gelände wieder befreien könne, nähere man sich unzweideutig dem Punkt, bei dem am Schluss die Ukraine verhandlungsbereit sein könne.

"Die Drohung mit der Waffe ist die Waffe"

Könnte das der Grund für Putins Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen sein? Claudia Major nennt zwei andere Gründe: Putin wolle den Westen von einer Intervention abhalten, und das habe geklappt. Vor allem wolle er aber Angst schüren. "Die Drohung mit der Waffe ist schon die Waffe", sagt Major. Dass Putin wirklich Atomwaffen einsetzt, hält die Militärexpertin eher für unwahrscheinlich. "Würde Putin das tun, dann würde der Westen seine Rolle in dem Krieg fundamental überdenken." Das habe auch der amerikanische Präsident Biden klar gesagt. Aber auch China und Indien würden sich im Falle eines Atomwaffeneinsatzes von Russland abwenden. Der Westen müsse Putins Drohung ernst nehmen, aber die NATO-Staaten müssten auch klarstellen, dass sie sich von Putin nicht erpressen ließen.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ist nicht ganz dieser Meinung. Auch er glaubt nicht, dass Putin Atomwaffen einsetzen werde. Trotzdem sagt er: "Wir müssen jetzt vorsichtig sein." Gerade was Waffenlieferungen angehe, müsse die Regierung besonnen reagieren. Unverständnis löst Kühnerts Reaktion auf die Frage aus, welche Waffensysteme die Ukraine aktuell benötige. Sich dazu zu äußern sei nicht seine Aufgabe, da kenne er sich auch nicht so aus.