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„Putin will, dass wir uns nicht mehr als Ukrainer fühlen“

Von Markus Tschiedert

Nur 30 Tage – so viel Zeit wurde dem ukrainischen Schauspieler Oleg Zagorodnii (34) gewährt, um im Ausland für seinen Film „Firebird“ (aktuell im Kino) zu werben. Die ersten Tage verbrachte er mit seiner Freundin in Venedig: „Das hatte ich ihr versprochen, weil wir uns zwei Monate nicht gesehen haben, seit sie die Ukraine verlassen hat und nun bei ihrer Schwester in Lippstadt wohnt.“ Nun ist Zagorodnii für eine halbe Woche in Berlin, bevor es nach New York weitergeht.

„Was für eine schöne Stadt“, schwärmt er, „überall Cafés und alles ist so friedlich. Das erhoffe ich mir auch für meine Heimat.“ Der Schauspieler lebt in Kiew, wo er sich freiwillig für die Front meldete. „Aber ich wurde freigestellt, weil ich keine Kampferfahrungen habe.“

Dabei spielt Zagorodnii in „Firebird“ einen kühnen Kampfpiloten der Sowjetunion in den 1970ern. Als er sich jedoch in einen Mann (Tom Prior) verliebt, gerät er in Ungnade und ins Visier des KGB.

Homosexualität ist auch heute noch ein Tabuthema in Russland. Dennoch feierte „Firebird“ 2021 seine Premiere auf dem Moskauer Filmfestival, begleitet von heftigen Protesten. „Ich wurde sogar persönlich auf Instagram attackiert. Man würde mich finden und ermorden“, erzählt er.

Homophobie gibt es aber auch in der Ukraine. „Nicht so schlimm wie in Russland, aber auch noch nicht so liberal wie in Deutschland“, gibt er zu. „Firebird“ wäre daher ein wichtiger Film, um Vorurteile abzubauen, aber momentan steht die Kultur in der Ukraine still, auch wenn das ukrainische Kalush Orchestra gerade den Eurovision Song Contest in Turin gewonnen hat. „Gewiss war das auch eine politische Entscheidung. Aber dieser Zuspruch tut uns Ukrainern gut, weiterzukämpfen“, betont Zagorodnii, „und ich hoffe, dass bis zum nächsten ESC alle Ukrainer wieder zu Hause sein können.“

Tom Prior (l) als Sergey und Oleg Zagordnii als Roman: Ihre Liebe ist ein großes Risiko für die beiden Soldaten
Tom Prior (l) als Sergey und Oleg Zagordnii als Roman: Ihre Liebe ist ein großes Risiko für die beiden Soldaten Foto: Salzgeber & Co. Medien GmbH/dpa

Theoretisch könnte auch Oleg Zagorodnii so lange im Ausland ausharren. Aber das käme für ihn niemals infrage. „Ich werde auf jeden Fall nach Kiew zurückkehren, denn mein Kampf verläuft anders.“ Was er damit meint? Er organisiert aus der ganzen Welt Schutzkleidung für die Soldaten, und inzwischen lässt er auch selbst Uniformen anfertigen. „Das ist mein Beitrag“, sagt der Kiewer nicht ohne Stolz.

Ihm reicht erst mal die Gewissheit, dass seine Mutter in Rumänien in Sicherheit ist und seine Freundin in Deutschland. Diese war anfangs aber schon skeptisch, als sie ihren Oleg im Filmtrailer mit einem Mann herumknutschen sah. „Wir haben uns erst nach Drehende kennengelernt und ich klärte sie auf, dass das nun mal echt aussehen muss.“

Wie es sich anfühlt, in diesen Zeiten einen sowjetischen Soldaten zu spielen, beantwortet Oleg Zagorodnii so: „Die beiden Soldaten durften in der Sowjetunion nicht so sein, wie sie sind. Das soll jetzt für ein ganzes Land gelten. Putin will, dass wir uns nicht mehr als Ukrainer fühlen. Aber genau darum kämpfen wir.“