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Rätselhafter Ballon: China provoziert die USA - oder doch nicht?

Ein chinesischer Ballon sorgt für Aufregung in den USA. Was will Peking damit bezwecken? Das fragen sich auch die Amerikaner. Sie gehen von einer Spionagemission aus. China dagegen behauptet, es sei nur ein Wetterballon auf Abwegen.

Gefährlich ist er offenbar nicht und auch Geheimnisse wird er den Amerikanern kaum entreißen - der mutmaßliche Spionageballon aus China, der über dem US-Bundesstaat Montana entdeckt wurde, gibt Rätsel auf. Was soll er bezwecken? Wie Pentagon-Offizielle mitteilten, müssten die Chinesen die Informationen, die der Ballon einsammeln könnte, bereits haben. Wie die USA und einige andere Staaten verfügen sie über Spionagesatelliten, die auch Nordamerika beobachten. Wenn es denn überhaupt ein Spionageballon ist.

China jedenfalls beteuerte am Freitag, es handele sich lediglich um einen Wetterballon, der von seiner Route abgewichen sei, und entschuldigte sich für das "unabsichtliche Eindringen" in den Luftraum der USA. Auszuschließen ist das nicht - vor allem angesichts der von den Amerikanern konstatierten weitgehenden Sinnlosigkeit dieser Art der Spionage. Andererseits - sollten die Chinesen tatsächlich auf Späh-Mission gewesen sein, würden sie das kaum zugeben. Dann würden sie wohl genau so eine Aussage wie die vom Wetterballon vorschieben.

Immerhin: Mit solchen Ballons kann man tatsächlich spionieren, auch wenn es eher die ganz alte Schule ist. Der China-Experte der Stiftung zur Verteidigung von Demokratien, Craig Singleton, sagte Reuters, dieser Typ Ballon sei während des Kalten Krieges häufig von der Sowjetunion und den USA eingesetzt worden. Es sei eine vergleichsweise kostengünstige Form der Spionage. Dabei hätte Peking damit rechnen müssen, dass dieser Ballon sofort entdeckt werden würde. Die USA überwachen ihren Luftraum penibel.

Wir wissen über diesen Ballon, dass er in 24 bis 37 Kilometern Höhe fährt und damit keine Gefahr für den Flugverkehr darstellt. Das US-Verteidigungsministerium, das Pentagon, schickte zwar Kampfjets in die Nähe, entschied sich dann aber gegen einen Abschuss - die Gefahr, dass herunterfallende Teile Menschen am Boden verletzen könnten, war unkalkulierbar. Unbekannt ist, woher genau aus China der Ballon kam. Zuerst gesichtet wurde er über einer Inselgruppe vor Alaska, dann meldete ihn eine kanadische Behörde, bis er den Norden der USA erreichte.

Stützpunkt mit Atomraketen

Warum die Chinesen sich ausgerechnet für das ländliche Montana interessieren könnten, darüber stellt das "Wall Street Journal" eine Vermutung an: Im Norden des Bundesstaates liege ein Militärstützpunkt, auf dem 150 mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen lagerten.

Vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen Washington und Peking erscheint es außerdem plausibel, dass Peking sich zu so einer Provokation hinreißen lässt. Die Probleme zwischen den beiden Mächten gibt es nicht erst seit Ex-Präsident Donald Trump der Masse der Amerikaner einhämmerte, dass China der neue und wichtigste Rivale sei. Auch sein Vorgänger Barack Obama hatte bereits begonnen, die USA stärker nach Asien auszurichten. Dort verfügen die Amerikaner bereits über eine gewaltige Militärpräsenz, sei es in Japan, Südkorea oder Guam. Derzeit weilt US-Verteidigungsminister Lloyd Austin auf den Philippinen, wo er weiteren Zugang für US-Truppen bekam.

Die Rivalität mit China hat viele Facetten, wobei die wichtigsten die Wirtschaft und die Geopolitik betreffen. Ökonomisch versuchen die USA, sich unabhängiger von Importen aus China zu machen und Schlüsselindustrien wie den Bau von Mikrochips wieder zurück ins eigene Land zu holen. Geopolitisch spielt das Ringen um Taiwan die größte Rolle. China beansprucht den Inselstaat mit seinen 24 Millionen Einwohnern für sich. Die USA schützen das demokratische Land mit Waffenlieferungen und einem Beistandsversprechen im Falle eines chinesischen Angriffs.

Es geht um Taiwan, aber nicht nur

Dabei ist auch die US-Marine mit Kriegsschiffen und Flugzeugträgern in der Region präsent. China sieht sich zumindest als regionale Führungsmacht und beansprucht auch große Teile des Südchinesischen Meers als eigenes Hoheitsgebiet. Gemäß dem internationalen Recht bestehen die USA aber auf der Freiheit der Meere. Das demonstrieren sie immer wieder, indem eigene Kriegsschiffe beispielsweise durch die Straße von Taiwan geschickt werden - was Peking wiederum als Provokation auffasst. Zuletzt tat dies Anfang Januar der US-Zerstörer "Chung Hoon". Für Verstimmungen über das Normalmaß hinaus sorgte auch der Besuch der hochrangigen US-Politikerin Nancy Pelosi in Taiwan, die als damalige Sprecherin des Repräsentantenhauses in der Rangfolge direkt auf den US-Präsidenten und die Vizepräsidentin folgt.

Was das mit dem Ballon zu tun hat? Möglicherweise sollte er ein Zeichen Chinas sein, dass man seinerseits in der Lage wäre, amerikanisches Festland zu erreichen. Denn wenn ein einfacher Ballon dazu in der Lage ist, wären das echte Waffen erst recht. Zum Beispiel die chinesische interkontinentale Atomrakete Dongfeng 41, die 12.000 Kilometer weit fliegen kann. Sie könnte damit auf dem amerikanischen Festland einschlagen. Im vergangenen Sommer lief zudem der erste Flugzeugträger Chinas vom Stapel, die "Fujan". Einsatzfähig ist der Koloss aber noch nicht.

Als Provokation ist der Ballon wunderbar geeignet - denn er ist harmlos genug, um keine schweren Verwerfungen zu verursachen. Gefährlich ist er ja nicht. Das Timing ist jedenfalls nicht schlecht. Am Sonntag wird US-Außenminister Anthony Blinken in Peking erwartet. Es ist das erste Mal seit 2018, dass ein amerikanischer Chefdiplomat China besucht. Der Besuch wird durch den chinesischen Gruß über Montana nicht einfacher. Wenn es nicht doch einfach nur ein Wetterballon war.