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RB Leipzig muss Pokal gewinnen: Das Schicksalsspiel für die "Container-Kicker"

RB Leipzig steht im Endspiel um den DFB-Pokal, zum dritten Mal in den letzten vier Jahren. Zweimal setzte es derbe Niederlagen, nun ist der Druck hoch: Verspielt man auch diese Titelchance, wäre das ein herber Rückschlag.

Emil Forsberg kam in dieser Woche vor dem DFB-Pokalfinale nicht umhin, an seine Anfänge bei RB Leipzig zu denken. Als der Schwede im Winter 2015 zu RB Leipzig stieß, war das hochmoderne Trainingszentrum am Cottaweg noch im Bau. Die Spieler zogen sich noch in Containern um. Und das wichtigste deutsche Wort, das der damals 23-Jährige benötigte, lautete: "Achtung!".

Der "Mitteldeutschen Zeitung"/dem Portal RBlive.de berichtete der Grandseigneur von RB Leipzig: "Die Duschen waren alle miteinander verbunden. Wenn man seine aufdrehte, wurde es bei den anderen kalt. Also ging man rein, rief laut 'Achtung!' - und alle wussten Bescheid." Der Routinier saß bei dem Gespräch auf dem Rasen des Nachwuchsstadions, genau dort, wo früher das Containerdorf stand. "Das hatte viel, wie sagt man, …. Bodenständigkeit", sagte Forsberg. Er sei damals nicht wegen goldener Wasserhähne nach Leipzig gekommen, sondern um in der Messestadt etwas zu bewegen.

All diese Erinnerungen an den langen Weg schwingen mit, wenn Forsberg und die anderen Container-Kicker aus der Klasse von 2015 am Samstagabend im Pokalendspiel gegen den SC Freiburg (20 Uhr) auf dem Rasen des Olympiastadions stehen. "So viel ist passiert. Und wir sind immer noch da", sinnierte Forsberg. Das gilt auch für Yussuf Poulsen, den Ralf Rangnick bereits 2013 zu RB lotste, Lukas Klostermann, der 2014 blutjung aus Bochum kam, sowie Keeper Peter Gulacsi, Marcel Halstenberg und Abwehrchef Willi Orban, die alle seit mindestens sieben Jahren im Klub sind.

Pokalsieg als (ge)wichtiges Pfund

Besonders für dieses Sextett ist das dritte Leipziger Pokalfinale auch ein Schicksalsspiel. Nach den krachenden Niederlagen gegen die Bayern 2019 (0:3) und Borussia Dortmund vor leeren Rängen 2021 (1:4) geht RB erstmals als Favorit in ein solches Endspiel. Vielleicht ist es für die Routiniers die letzte Chance auf einen Pokal, um ihre Jahre bei RB zu vergolden und endlich die erste große Trophäe für den polarisierenden Red-Bull-Klub zu gewinnen.

Doch nicht nur für die Altvorderen, auch für den gesamten Klub - Verantwortliche, Mitarbeiter, Fans - ist dieses Finale wegweisend. Der sechs Kilogramm schwere und mit Turmalinen, Bergkristallen und Nephriten besetzte Pott soll die nächste Phase der Klubentwicklung einläuten. RB wäre dann nicht mehr nur der ambitionierte Verfolger, der zuverlässig in großen Spielen unterliegt, sondern würde als Titelträger wahr- und ernst genommen.

Einmal in den Pokal eingraviert, gehörte RB unwiderruflich dazu zum deutschen Fußball-Establishment. Ein Titel in der noch leeren Vitrine wäre Argument in Transfergesprächen und bei Vertragsverlängerungen. Spieler wie die Stars Christopher Nkunku und Dani Olmo wüssten, dass RB mehr ist als nur das Sprungbrett zu den ganz großen internationalen Topklubs.

Gegen das schwindende Interesse

Auch mit Blick auf die Fans hätte der Pokal jede Menge Strahlkraft. Der Pott würde helfen, das Einzugsgebiet zu erweitern und junges Publikum anzuziehen - mit durchschnittlich 47 Jahren sind die RB-Dauerkarteninhaber die ältesten der Liga. Nur fünf Prozent der RB-Anhänger kommen aus der sogenannten Gen Z zwischen 16 und 25 Jahren. Und bei jenen, die schon von Beginn an dabei sind und die Container-Jahre miterlebt haben, würde der Jubel-Taumel im Olympiastadion mit 27.000 Gleichgesinnten die Bindung zum erst 13 Jahre alten Klub bestätigen und intensivieren.

Zuletzt war ja der Eindruck entstanden, dass die Leipziger Anhänger etwas das Interesse verloren hätten. Um international neue Märkte zu erschließen, würde ein Titel im Gepäck Eindruck bei der während der langen WM-Winterpause angedachten internationale Reise - zum Beispiel in die USA - machen. Und natürlich wäre er auch eine Bestätigung für Investor Red Bull und Gründer Dietrich Mateschitz, dass sich das Invest von mehreren Hundert Millionen Euro in Leipzig auszahlt.

Allerdings bisher hat RB in den ganz großen Partien nicht die Traute und die Qualität gehabt, zu bestehen und den letzten Sprung nach ganz oben auf Treppchen zu schaffen. Als in der Schlussphase dieser Saison plötzlich zwei Titel für RBL möglich waren, verkrampfte das Team. Schon das DFB-Pokal-Halbfinale gegen Union gewann RB glücklich, danach ging spielerisch nur beim 4:0 gegen Augsburg was. Im Europapokal-Halbfinale gegen die Glasgow Rangers ließen sich die Spieler von der Wucht der Kulisse und der Körperlichkeit der Gastgeber beeindrucken.

"Super, super Saison" ist am Kippen

Dabei hatte Trainer Domenico Tedesco nichts unversucht gelassen, der Mannschaft den Druck des Gewinnenmüssens zu nehmen. "Wenn wir jetzt jedes Spiel verlieren, ist es eine super, super Saison gewesen", sagte der Coach vor dem Rückspiel in Glasgow. Doch der Kniff zog nicht. Auch am letzten Spieltag in Bielefeld, als RB mit einem 1:1 gerade so die Qualifikation für die Champions League rette, krampfte der Kader wieder.

In der Vergangenheit waren es mal die Leipziger gewesen, die ihre Gegner mit Pressingwucht und Überfallfußball beeindruckten, aber gegen spielerisch bessere Mannschaften an ihre Grenzen stießen. Aktuell hat RB die größten Probleme gegen Teams wie Freiburg, die kämpferisch mehr entgegenzusetzen haben. Daher beschwört selbst der Feingeist Forsberg die Grundtugenden Wille und Leidenschaft. "Dann bist du in einer Partie vielleicht mal schlecht mit dem Ball, aber du fightest bis zum Umfallen. Das muss die Basis sein", forderte Leipzigs Mann für die großen Spiele.

Nun will er am Sonntag nicht zum dritten Mal geknickt aus Berlin nach Leipzig fahren, sondern zum Feiern. "Du siehst das Glück in den Augen der Fans. Es wird einem in dem Moment bewusst, dass du etwas Bedeutendes erreicht hast. Man spürt pure Liebe, das ist die Belohnung. Das will ich diesen Sonntag wieder erleben", schwärmte Forsberg. Es hängt für ihn und RB eine Menge dran, an diesem Schicksalsspiel siebeneinhalb Jahre nach dem Start im Containertrakt. Nicht ausgeschlossen, dass einer der Routiniers im Falle des Titelgewinns "Achtung!" ruft, wenn er die Duschen im Olympiastadion betritt.