Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Recycling-Streit: Warum verwendet Frosch noch Plastikflaschen, Herr Schneider?

Eine Lidl-Kampagne hat die Debatte um Einweg, Mehrweg und die Ökobilanz von Plastikflaschen neu entfacht. Frosch-Chef Reinhard Schneider bezieht im Interview Stellung

Reinhard Schneider, 55, ist geschäftsführender Gesellschafter des Mainzer Familienunternehmens Werner & Mertz. 1867 wurde die Firma als Wachswarenfabrik gegründet, heute arbeiten rund 1150 Menschen für den Mittelständler. Sie produzieren unter anderem Schuhcreme der Marke Erdal und Bodenreiniger von Emsal. 2022 lag der Umsatz bei 540 Mio. Euro. Fast 80 Prozent davon entfallen auf die bekannteste Marke des Unternehmens: die Öko-Reinigungsmittel von Frosch. In Sachen Plastikrecycling ist das Unternehmen ein Vorreiter: Die PET-Verpackungen von Frosch werden komplett aus Altplastik gefertigt. Eine Hälfte stammt aus dem Gelben Sack, die andere aus Pfandflaschen. Seit 2018 verkauft Frosch auch Duschgels in Flaschen, die ganz aus Gelbem-Sack-Plastik bestehen.

Capital: Herr Schneider, es gibt gerade viel Aufregung um eine Kampagne, mit der Lidl die Einwegplastikflasche „Saskia“ von TV-Moderator Günther Jauch als besonders ökologisch bewerben lässt. Kritiker – allen voran die Deutsche Umwelthilfe – sind empört. Können Sie das verstehen?
REINHARD SCHNEIDER: Aus psychologischer Sicht kann ich das. Lidl hat ja nicht unbedingt ein lupenreines Image in Bezug auf die Einhaltung von Öko-Standards. Und mit Günther Jauch wurde ein Testimonial gewählt, das maximale Glaubwürdigkeit ausstrahlen soll. Ich kann verstehen, dass das für Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe ein rotes Tuch ist.

Auch Sie prangern immer wieder die Öko-Lügen von Großkonzernen an. Was ging in Ihnen vor, als Sie den Spot zum ersten Mal sahen?
Ich finde ihn ziemlich gut gemacht.

Er gefällt Ihnen?
Er zeigt die einzelnen Veredelungsschritte beim Plastikrecycling, was ja ein komplexes Thema ist, auf unterhaltsame Weise, quasi als Infotainment, wenn auch ein bisschen sehr plakativ.

Reinhard Schneider

Werner & Mertz ist ein Pionier der nachhaltigen Putzmittel. Lange war das Unternehmen mit seiner Marke Frosch in der Nische. Heute treibt es Konzerne vor sich her

Gehen Sie denn inhaltlich mit, nämlich dass das von Lidl entwickelte Einwegsystem umweltfreundlicher ist als das gängige Mehrwegpfandsystem?
Grundsätzlich schon. Ich halte es jedenfalls für bemerkenswert, dass das Recycling von Einwegflaschen, so wie Lidl es macht, mit dem Mehrwegsystem ökologisch durchaus mithalten oder ihm sogar überlegen sein kann. Wenn die Grundangaben stimmen. Ob das so ist, müssen andere im Detail prüfen. Die Bedingung, die alles entscheidet, ist die Länge der Transportwege für das Leergut. Die Einwegflaschen werden vor dem Transport zu Ballen gepresst. So passen viel mehr auf den Lkw. Die Mehrwegflaschen nehmen in ihrer ursprünglichen Form mehr Platz weg und sind deswegen deutlich emissionsintensiver. Müssen sie mittelweite oder weite Strecken gefahren werden, dann schneiden die recycelten Einwegpfandflaschen besser ab. Bei kurzen Wegen sind die Mehrwegflaschen überlegen.

Lässt sich das wirklich so pauschal sagen?
Im Großen und Ganzen ja. Die „Saskia“-Flaschen haben aber einen anderen Schönheitsfehler.

Und zwar?
Sie sind grün eingefärbt. Bei jedem Recycling gibt es Verluste durch so genannte Fehlwürfe, wenn zum Beispiel eine Flasche doch im Gelben Sack landet und nicht in den Rücknahmegeräten. Das Recycling aus dem Gelben Sack ist deutlich schwieriger, wenn die Flaschen farbig sind. Sie müssen dann aufwendig sortiert werden. Da wäre es natürlich ökologischer, die Farbe einfach wegzulassen.

Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert unter anderem, dass das Lidl-System nicht in sich geschlossen funktioniert, sondern dass auch anderes Plastik hineinfließen muss, um es aufrechtzuerhalten – was Lidl in der Kampagne aber verschweige.
Beim Recycling gibt es immer geringe Wertstoffverluste. Auch beim Mehrwehrsystem kommt es zum Bruch von Flaschen oder zu Fehlwürfen. Den perfekt geschlossenen Kreislauf gibt es nicht.

Wer hat denn nun recht? Lidl oder die Deutsche Umwelthilfe?
Da den Schiedsrichter zu spielen, maße ich mir nicht an. Ich würde mir aber wünschen, dass die Deutsche Umwelthilfe differenziert, um zu schauen, wo auch Recycling seine Legitimation hat. Immer nur zu sagen, dass alles über das Mehrwegsystem gelöst werden sollte, wird den technischen Möglichkeiten unserer heutigen Zeit nicht gerecht. Um plakativ zu sein, will man ja immer vereinfachen. Aber manchmal ist die Wahrheit halt doch ein bisschen komplexer als das, was gerade knackig rüberkommt. Die ganze Diskussion lässt außerdem einen anderen wichtigen Aspekt außer Acht.

Welchen?
Das Recycling mit Lidl-Einwegflaschen greift ja auf eine Quelle zu, nämlich die PET-Flaschen aus dem Pfandsystem, die heiß umkämpft ist. Das bedeutet: Wenn ich dieses Material nicht recycle, wäre die Alternative, dass es jemand anders tut. Ganz anders sieht es beim Plastik aus dem Gelben Sack aus. Danach ist die Nachfrage sehr gering, weil es eben umständlich sortiert und gereinigt werden muss. Was nicht im Kreislauf gehalten wird, wird zu Abflussrohren downgecycelt oder verbrannt – was ja die mit Abstand schlimmsten CO2-Folgen hat.

PET-Flaschen von Vöslauer: Der österreichische Marktführer ist einer der Vorreiter der PET- Flasche – bei Einweg, Mehrweg und im Recycling

PET-Flaschen sind eine geniale Erfindung: hygienisch, formbar, unkaputtbar. Und sie sind ein großes Problem für die Umwelt. Sollen wir also noch eine Million pro Minute davon herstellen? Ein Blick hinter die Kulissen eines Milliardengeschäfts

Wäre es dann nicht am besten, so weit wie möglich auf Plastik zu verzichten? Auch Sie verwenden es aber als Verpackungsmaterial für Ihre Frosch-Reinigungsmittel. Wieso eigentlich? 
Weil es die ökologischste Verpackungsart unserer Warengruppe darstellt. Wenn wir Glas nehmen würden, egal ob Einweg oder Mehrweg, wären die Transport-Emissionen ungleich höher. Mal abgesehen vom Verletzungsrisiko. Wenn die Glasflasche runterfällt in der Küche, ist das recht unangenehm. Und um Glas wieder in eine neue Form zu bringen, ist eine viel größere Energiemenge notwendig als bei Kunststoff. Der Schmelzpunkt von Glas liegt bei über 1000 Grad, bei Kunststoff sind es ungefähr 200. Das würde Plastik eigentlich zum idealen Kreislaufmaterial unserer Zeit machen, wenn man nur richtig damit umgeht.

Was heißt das konkret?
Man muss darauf achten, dass man die Recycling-Fähigkeit nicht herabsetzt, indem man Farben hineinbringt. Man darf keine Verbundstoffe als Verpackung nutzen, also keinen Mix verschiedener Plastiksorten verwenden, die man nicht trennen kann. Und man sollte auf recyclingschädliche Zusatzstoffe verzichten. Wenn man diese drei Regeln beherzigt, kann man mit Kunststoff sehr energieschonend nahezu geschlossene Kreisläufe darstellen.

#Themen