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Reduzierung des Bundestags-Sitze: Die Wahlrechtsreform und ihre Alternativen

Eines steht fest: Der Bundestag muss schrumpfen. Mit einer großen Wahlrechtsreform will die Regierung die Sitze im Parlament auf die im Gesetz festgeschriebene Zahl reduzieren. Welche Vor- und Nachteile das Vorhaben der Koalition mit sich bringt und welche Alternativen sich anbieten - ein Überblick.

Nach langwierigen Vorarbeiten haben die Ampel-Fraktionen einen Gesetzentwurf für eine große Wahlrechtsreform formuliert. Ziel ist es, die Regelgröße des Bundestag von 598 Sitzen wieder sicherzustellen - momentan hat das Parlament 736 Mitglieder. Am Freitag befasste sich der Bundestag erstmals mit dem Reformentwurf. Die Unionsfraktion lehnt ihn ab und präsentierte ein Gegenmodell. Koalitionspolitiker äußerten in der Debatte die Hoffnung, doch noch eine breite Mehrheit für eine Reform zu organisieren.

Warum ist der Bundestag derzeit so groß?

Dies liegt an Überhang- und Ausgleichsmandaten. Ein Überhangmandat entsteht, wenn eine Partei mehr Wahlkreise gewinnt, als ihr laut Zweitstimmenergebnis Sitze im Bundestag zustehen. Bisher ziehen alle Wahlkreisgewinner in den Bundestag ein. Allerdings soll die Zusammensetzung des Parlaments trotzdem das Zweitstimmenergebnis korrekt abbilden. Deshalb gibt es im Falle von Überhangmandaten für die anderen Parteien Ausgleichsmandate.

Was soll sich nun ändern?

Die "Ampel" will, dass es keine Überhangmandate mehr gibt - und damit auch keine Ausgleichsmandate. Die 598 Bundestagssitze sollen komplett anhand der Mehrheitsverhältnisse bei den Stimmen für die Parteien vergeben werden. Diese bisherige Zweitstimme soll deshalb künftig an erster Stelle auf dem Wahlzettel stehen und Hauptstimme heißen. Die bisherige Erststimme soll Wahlkreisstimme genannt werden. Nach der Wahl werden laut dem Entwurf wie bisher auch die den Parteien zustehenden Bundestagssitze auf die Bundesländer umgerechnet. Im einzelnen Land kommen dann zunächst die erfolgreichen Wahlkreiskandidaten der Partei zum Zuge. Sind danach noch Mandate zu vergeben, kommen die Kandidierenden auf der Landesliste an die Reihe.

Und wenn eine Partei mehr Wahlkreise gewinnt, als ihr laut Hauptstimmenergebnis Sitze zustehen?

Für die Wahlkreisgewinnerinnen und -gewinner jeder Partei gibt es ein Ranking - wer die meisten Stimmen bekommt, steht ganz oben. Nach diesem Ranking werden die Bundestagsmandate verteilt. Wenn die Partei mehr Wahlkreisgewinne verbucht, als ihr laut Hauptstimmenverteilung Sitze zustehen, schauen die Wahlkreissiegerinnen und -sieger in die Röhre, die besonders wenige Stimmen bekommen haben.

Kann es dann passieren, dass ein Wahlkreis keinen Abgeordneten im Bundestag hat?

Die Ampel-Fraktionen halten dies für unwahrscheinlich. Sie verweisen darauf, dass in der Regel mehrere Abgeordnete aus einem Wahlkreis kommen.

Welche Kritik gibt es?

Die Union stört sich an der Möglichkeit, dass Wahlkreissieger ohne Bundestagsmandat bleiben. Insbesondere die CSU, die viele Direktmandate gewinnt und daher von Überhangmandaten profitiert, sieht hier eine "Missachtung des Wählerwillens" und einen Verstoß gegen das Grundgesetz.

Was schlägt die Union stattdessen vor?

Einem am Dienstag in der Fraktion beschlossenen Antrag zufolge will sie die Zahl der Wahlkreise von aktuell 299 auf 270 senken. Neben 270 Direktmandaten will sie 320 Sitze gemäß der Zweitstimmenergebnisse verteilen. Die ersten 15 Überhangmandate sollen dabei nicht ausgeglichen werden. Vorgesehen ist noch eine weitere Änderungen: So soll eine Partei, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, nur in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen, wenn sie mindestens fünf Direktmandate holt. Derzeit sind es drei, was bei der Bundestagswahl 2021 den Linken zugute kam.

Welche Ideen gibt es noch?

Eigentlich soll es zur Bundestagswahl 2025 nur noch 280 statt 299 Wahlkreise geben - dies sieht ein von der vorherigen schwarz-roten Koalition verabschiedetes Gesetz vor. Die Ampel-Koalition will nun die Wahlkreisreduzierung zurücknehmen. In einem früheren Reformentwurf von SPD, Grünen und FDP war eine Ersatzstimme für die Wahlkreiskandidaten vorgesehen. Hier hätten die Wählenden eine zweite Präferenz angeben können. Wenn ein Wahlkreissieger nicht zum Zuge kommt, würde derjenige in den Bundestag einziehen, der die meisten Erst- und Ersatzstimmen auf sich vereint.

Die Union wiederum plädierte zeitweise für das sogenannte Grabenwahlrecht. Damit würde die Hälfte der Bundestagssitze über die Zweitstimme und die andere Hälfte über die Stimme für die Direktkandidaten vergeben. Das dürfte allerdings dafür sorgen, dass die Sitzverteilung im Parlament sehr stark vom Zweitstimmenergebnis abweicht.