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Rolex für'n Appel und 'n Ei: Cool? Akzeptabel? Fälschungen erobern Jugendkultur

Schöne und gute Produkte wurden schon immer abgekupfert. Doch mit einer neuen Jugendkultur werden Fake-Waren zunehmend cool und vor allem akzeptiert. Influencerinnen und Influencer schämen sich nicht einmal mehr, sie zu bewerben. Besonders dreiste Fälscher erhalten jetzt einen Preis.

Falsche Gucci-Caps und nachgemachte Rolex-Uhren: Im Kampf gegen Produktpiraten hat die Aktion Plagiarius auf einen Trend in den sozialen Digital-Medien aufmerksam gemacht. Sogenannte "Dupe Influencer" empfehlen dort ihren meist jungen Followern gefälschte Designer- und Luxusprodukte, kritisierte der Verein am Freitag auf der Konsumgütermesse "Ambiente" in Frankfurt. "Sie legitimieren selbstherrlich den Verkauf rechtsverletzender Artikel und verharmlosen den Kauf als cool und akzeptabel."

In der Folge steige die soziale Akzeptanz von Fälschungen und es entstehe eine Gleichgültigkeit gegenüber den wirtschaftlichen Schäden, die bei Herstellern und Designern der nachgemachten Produkte entstehen. Mehr als jeder dritte jugendliche Europäer zwischen 15 und 24 Jahren habe schon vorsätzlich gefälschte Produkte gekauft. Die Aktion kämpft seit 1977 gegen Produktpiraten mit ihren weltweiten Milliardenumsätzen. Mit dem Schmähpreis "Plagiarius" - ein Zwerg mit goldener Nase - werden Hersteller und Händler besonders dreister Nachahmungen regelmäßig angeprangert. Oftmals stammen die Hinweise von den Original-Herstellern, die mit der Vergabe des Schmähpreises einverstanden sein müssen.

Selbst Mercedes und VW sind nicht sicher vor Fälschungen

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Regal ist nicht gleich Regal: links das Original von "Hausen", rechts eine Fälschung.

(Foto: dpa)

Auf der Weltleitmesse "Ambiente" finden regelmäßig Zoll-Razzien statt, bei denen die Inhaber der Original-Rechte nachgemachte Produkte beschlagnahmen lassen. Das Internet hat allerdings weit komplexere und direkte Vertriebswege ermöglicht. Die Ausprägungen digitaler Markenverletzungen würden immer vielfältiger, kritisiert der Verein. "Von klassischen Plagiaten, Fälschungen und Urheberrechtsverletzungen über Domainklau und Markenmissbrauch bis hin zu komplettem Identitätsdiebstahl und Fake-Shops." Dagegen brauche es digitale Schutzstrategien.

Im Jahr 2023 geht der Haupt-Schmähpreis an einen deutschen Möbel-Händler, der einen Nachbau des Wandregal-Systems "Link" vertrieben hat, das im Original vom Hamburger Designstudio Hausen stammt. Statt zertifiziertem Massivholz aus nachhaltiger Forstwirtschaft hatten die Plagiatoren tropisches Mangoholz niederer Qualität verwendet und die billigen Metall-Bügel waren verzogen. Nach Plagiarius-Angaben hat der Händler nach Bekanntwerden den Verkauf gestoppt und Restbestände vernichtet. Weitere Opfer von Produktpiraten waren der Kunststoffhersteller Koziol sowie die Autobauer Mercedes-Benz und Volkswagen.

"Marken"-Uhren, made in Kinderhand?

Schweizer Uhren werden gern kopiert, weil sie weltweit gefragt sind. Die Schweizer Uhrenexporte erreichten im vergangenen Jahr den Rekordwert von 24,8 Milliarden Franken (etwa wie Euro) - eine Zunahme um 11,4 Prozent. Insgesamt wurden 15,8 Millionen Armbanduhren ausgeführt. 2016 waren es noch 25,4 Millionen. Schon damals gab Schätzungen, wonach doppelt so viel gefälscht wie exportiert wird, aber die wahre Zahl weiß niemand.

Mit dem wachsenden Onlinehandel nähmen auch die illegalen Geschäfte zu, weiß Yves Bugmann, Leiter der FH-Rechtsabteilung. Das habe in der Pandemie, als noch mehr Leute den Onlinehandel entdeckten, noch einen Schub bekommen. Die Detektive des Verbands entdeckten jährlich rund eine Million unseriöse Angebote, die dann über die Plattformbetreiber aus dem Netz genommen würden.

Ein Klassiker bei Touristen ist die Rolex für 20 oder 30 Dollar vom Straßenmarkt oder Strand in Asien. So etwas zu kaufen, ist kein Kavaliersdelikt, sagt Eveline Capol, Leiterin der Geschäftsstelle des Schweizer Vereins Stop Piracy. "Sie unterstützen damit die organisierte Kriminalität." Der Verein will Verbraucher sensibilisieren. Viele kämen ins Nachdenken, wenn sie erführen, dass Fälscherware unter übelsten Bedingungen hergestellt werde. Kinderarbeit kann nicht ausgeschlossen werden.

Die Industriestaatenorganisation OECD hat für die Schweizer Uhren- und Schmuckhersteller 2021 Milliardenverluste durch Fälschungen errechnet. Schon 2018 seien ihnen 1,7 Milliarden Euro entgangen. Die EU schätzt, dass nachgeahmte Produkte - also auch Kleidung, Werkzeug oder Medikamente - fast sieben Prozent ihrer Einfuhren ausmachen: "Sie sind eine bedeutende Einnahmequelle für kriminelle Vereinigungen."