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Rom im Clinch mit der EU: Giorgia Meloni hat es in Brüssel schwer

Italiens Premierministerin hatte versprochen, ihrem Land in Europa wieder Gehör zu verschaffen. So richtig scheint ihr das nicht zu gelingen. Gleich um welches Thema es geht, die Ergebnisse sind ernüchternd.

Während des Wahlkampfes hatte Italiens rechte Premierministerin Giorgia Meloni die Europäische Union immer wieder gewarnt. "Wenn wir gewinnen, ist Schluss mit lustig", dann werde Italien seine Interessen verteidigen. Doch nachdem sie ins Amt gewählt worden war, schien sie in erster Linie an guter, möglichst reibungsloser Zusammenarbeit mit Brüssel interessiert zu sein. Sie bekannte sich auch zur Unterstützung der Ukraine - anders als ihr Koalitionspartner Silvio Berlusconi, der sich schwertut, Putin die Freundschaft zu kündigen. Auch legte ihre Regierung für 2023 ein Budget vor, an dem auch die EU-Kommission nichts auszusetzen hatte.

Doch der Gleichklang währte nicht lange. Mittlerweile vergeht kaum ein Tag, an dem die italienischen Medien nicht über Reibungen zwischen Italien und der EU, gleich ob mit der Kommission oder dem Parlament, berichten. Wobei diese weitaus öfter von ihren Ministern als von Meloni selbst verursacht werden. Wie im Fall des Schiffbruchs Ende Februar vor der kalabrischen Küste, bei dem 91 Migranten das Leben verloren, darunter viele Minderjährige. Die Tragödie war noch keinen Tag alt, als Innenminister Matteo Piantedosi vor laufenden Kameras sagte, als Vater sollte man seine Kinder nicht einer solchen gefährlichen Überfahrt aussetzen. Der Satz ignorierte, wo die Menschen herkamen.

Im Moment sitzt die "Marie Louise" in Lampedusa fest

Überhaupt sorgt die Migrationspolitik immer wieder für Unmut, nicht nur zwischen Rom und Brüssel. Schon Ende November, die Regierung war gerade einen Monat im Amt, kam es zu einem Eklat zwischen Paris und Rom, als sich Italien weigerte, das Rettungsschiff "Ocean Viking" mit 3500 Migranten an Bord in einen seiner Häfen einlaufen zu lassen. Daraufhin rief der französische Innenminister Gérald Darmanin alle anderen am Umverteilungsmechanismus beteiligten Staaten auf, keine Migranten aus Italien mehr aufzunehmen.

Auch das Ende Februar in Kraft getretene Gesetz, mit dem den Hilfsorganisationen unter Androhung drakonischer Strafen verboten wird, mehr als eine Rettungsaktion durchzuführen, sorgt in Brüssel für Kritik. Im Moment sitzt deswegen gerade das vom Streetart-Künstler Banksy finanzierte Schiff "Marie Louise" im Hafen der Insel Lampedusa fest.

Streit um Hürden für Eltern

Ein weiteres sehr aktuelles Thema, mit dem sich mittlerweile auch Straßburg beschäftigt, betrifft das Verbot für gleichgeschlechtliche Paare, sich beide standesamtlich als Eltern ihres Kindes registrieren zu lassen. Dieses Verbot gilt auch für heterosexuelle Paare, die im Ausland über eine Leihmutterschaft ein Kind bekommen haben, eine Praxis, die in Italien verboten ist. In beiden Fällen können entweder nur die gebärende Mutter oder der Samenspender als rechtmäßiges Elternteil registriert werden. Der Partner muss über ein langwieriges Sonderverfahren eine Adoption beantragen.

Dieser Vorschrift hatten sich schon seit einigen Jahren mehrere Bürgermeister, darunter die von Turin und Mailand, widersetzt. Innenminister Piantedosi hat die Präfekturen jetzt aber strikt angewiesen, dies zu verbieten. Die LGBT-Gemeinschaft protestiert seit Wochen dagegen und weist darauf hin, dass so in erster Linie die Rechte der Kinder beschnitten werden würden.

EVP auf Distanz zu den Fratelli

Der Mailänder Bürgermeister hat zwar momentan die Registrierungen eingestellt, ist aber am Donnerstag nach Straßburg geflogen, um das Problem dem EU-Parlament zu unterbreiten. Dort hat eine breite, fraktionsübergreifende Mehrheit eine Resolution verabschiedet, die Roms Vorgehen verurteilt. Unter den Abgeordneten, die gegen die italienische Verordnung gestimmt haben, befanden sich auch zahlreiche aus der Europäischen Volkspartei, der auch die deutsche CDU/CSU angehört.

Dass EVP-Fraktionschef Manfred Weber in diesem Fall Abstimmungsfreiheit gewährt hatte, war ein herber Schlag für die Koalition in Rom, die einen Zusammenschluss zwischen der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) und der EVP anstrebt. Der EKR gehört auch Melonis postfaschistische Partei Fratelli d'Italia, die Brüder Italiens, an.

Rom kann sich in Brüssel nicht durchsetzen

Diese ständigen Reibereien machen es der Regierung und vor allem Meloni schwer, sich in Europa Gehör und Unterstützung zu verschaffen. Das betrifft vor allem die Migration. In den ersten drei Monaten dieses Jahres kamen 17.592 Migranten und Flüchtlinge in Italien an, im vergangenen Jahr waren es im gleichen Zeitabschnitt knapp 6000, also etwa die Hälfte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Meloni in einem Brief versichert, man werde Italien nicht alleine lassen. Diesem Versprechen sind bis jetzt aber keine Taten gefolgt.

Auch bei anderen Themen schafft es Italien nicht, seine Interessen durchzusetzen. Zum Beispiel, was den Entwurf der EU-Vorschriften für das Aus von Verbrennungsmotoren ab 2035 betrifft. Rom dachte, in Berlin einen Verbündeten zu haben. Italien wollte, dass nach der Auslauffrist Biokraftstoffe weiter zugelassen werden, Deutschland wollte dasselbe für synthetische Brennstoffe. Berlin hat sich durchgesetzt, Rom nicht.

Und dann ist da noch der Wiederaufbauplan, auch "Next Generation EU" genannt. Das Hilfspaket wurde von der EU-Kommission infolge der Pandemie geschnürt, Italien wurde mit 192 Milliarden Euro der größte Betrag zugesagt. Doch etliche der zu finanzierenden Projekte sind stark im Verzug, weswegen die EU-Kommission die Ende März fällige Auszahlung von 19 Milliarden Euro um einen Monat verschoben hat.

Italien zieht den Kürzeren

Meloni hatte schon während des Wahlkampfes versprochen, mit der EU die Zielsetzungen noch einmal auszuhandeln, sowohl im Hinblick auf die bestehende Umsetzungsfrist, die 2026 ausläuft, als auch auf die Kostenvoranschläge, die noch vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine berechnet wurden, jetzt aber angesichts der rasant gestiegenen Energie- und Produktionspreisen und der Inflation nicht mehr einzuhalten sind.

Brüssel bleibt bei der Ablauffrist von 2026, zeigt sich aber der von Rom vorgeschlagenen Alternative, einen Teil der Hilfsgelder auf den Kohäsionsfonds zu verlegen, nicht prinzipiell verschlossen. Dazu müsste aber Italien sich seinerseits kompromissbereit zeigen. Etwa bei den Konzessionen für die Strandbäder. Italien hat bis heute die sogenannte Bolkestein-Richtlinie nicht umgesetzt, die auch Bewerbern aus anderen EU-Staaten erlaubt, an den Ausschreibungen teilzunehmen. Die Wettbewerbsreform, in dessen Bereich auch die Strandkonzessionen fallen, gehört zu den unabdingbaren Voraussetzungen, um die EU-Gelder zu bekommen. Und auch die Tatsache, dass sich Melonis Regierung weiter strikt weigert, den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu ratifizieren und somit die Umsetzung der Reform blockiert, macht es Brüssel nicht leichter, Rom entgegenzukommen.