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Russland-Ukraine-Krieg: Deutscher Energie-Manager reist als »Wahlbeobachter« zu Scheinreferenden

In Mariupol füllen zwei Frauen die »Abstimmungszettel« der Fake-Referenden aus

In Mariupol füllen zwei Frauen die »Abstimmungszettel« der Fake-Referenden aus

Foto: ALEXANDER ERMOCHENKO / REUTERS

Russland lässt derzeit in vier besetzten Gebieten in der Ukraine »Referenden« zur Annexion abhalten – und bekommt bei dem Vorhaben unerwartete Hilfe aus Deutschland: Im Gebiet Saporischschja nimmt offenbar der Geschäftsführer eines regionalen Energieversorgers als »Beobachter« an der vermeintlichen Wahl teil. Der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge lobte Stefan Schaller die »sehr gute Organisation« der Abläufe vor Ort.

Schaller managt die Energie Waldeck-Frankenberg (EWF), einen Energieversorger mit etwa 380 Mitarbeitern, der auch den örtlichen Nahverkehr organisiert und Schwimmbäder betreibt. Tass zitiert Schaller mit den Worten, er habe eine lange Reise gehabt und könne noch nicht viele Schlussfolgerungen ziehen, aber sein erster Eindruck sei, dass alles »sehr gut organisiert ist«. Die Menschen seien »begeistert« von den »Wahlen« und wollten »etwas Gefährliches verhindern«. »Sie haben große Angst, dass etwas Schlimmes passieren wird und arbeiten daran, dies zu verhindern«, sagte Schaller laut Tass.

Schaller bestätigte der »Hessische/Niedersächsische Allgemeine« (»HNA«), dass er als »Wahlbeobachter« vor Ort sei. Er sei, so berichtet die Zeitung, durch die russische Zivilkammer auf Vorschlag der Kommunistischen Partei Russlands eingeladen worden – wie schon 2021, als er in Russland als Beobachter an den Wahlen zur Staatsduma teilgenommen habe. Sein Aufenthalt in Saporischschja sei aber rein privat und nicht geschäftlich, er habe dafür Urlaub genommen. Zuerst hatte das Nachrichtenportal t-online über den Fall berichtet  .

»Wohl wissend, dass ich nur das zu sehen bekomme, was ich sehen soll«

Schaller sagte der HNA weiter, er habe sich »vor Ort ein Bild von der Situation machen« wollen. »Auch weil ich glaube, dass objektive Informationen nie falsch sein können.« Gleichzeitig ist Schaller der HNA zufolge bewusst, dass er mit seiner Anwesenheit und seinen Worten wohl der russischen Propaganda in die Hände spielt. »Ich stelle fest, was ich sehe, wohl wissend, dass ich nur das zu sehen bekomme, was ich sehen soll«, sagte er. Putin führe das angebliche Referendum nur durch, weil er das Ergebnis schon kenne. Inwiefern das mit dem Einsammeln von »objektiven« Informationen zusammengehen soll, sagte Schaller nicht.

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Die Pseudo-Referenden zum Anschluss an Russland waren am Dienstag in den von Russland teilweise besetzten Regionen kurzfristig angekündigt worden. Zuvor hatte die Ukraine in einer Gegenoffensive zahlreiche ihrer Ortschaften und Städte im Osten und Süden des Landes zurückerobert. Die Scheinreferenden sind völkerrechtswidrig, ihr Ausgang gilt als gesetzt und sie könnten zu einer weiteren militärischen Eskalation führen: Moskau könnte Angriffe zur Rückeroberung dieser besetzten ukrainischen Regionen dann als Angriffe auf sein Staatsgebiet werten.

Schallers Reise könnte ein Nachspiel haben

Vor wenigen Tagen hatte eine ähnliche Reise bereits für Fassungslosigkeit gesorgt: Am Dienstag gaben drei AfD-Politiker bekannt, nach scharfer Kritik von außerhalb und innerhalb der Partei ihren Trip nach Russland und in besetzte Gebiete der Ukraine abzubrechen. Die AfD-Parteispitze wusste nach eigenen Angaben nichts von der Reise, distanzierte sich davon und kündigte an, den Fall aufzuarbeiten.

Auch Schallers Reise könnte für den Manager ein Nachspiel haben: Der Aufsichtsratsvorsitzende der Energie Waldeck-Frankenberg, Landrat Jürgen van der Horst, ruft für Montag kurzfristig das Gremium zusammen, »um sich über die Zukunft der Geschäftsleitung abzustimmen«. So heißt es auf der Website  des Landkreises. Der Landkreis prüfe die Reise »aktuell sehr kritisch«. Auf eine Anfrage des SPIEGEL reagierte der Landkreis zunächst nicht.

Landrat van der Horst hat die Pseudo-Referenden zudem deutlich verurteilt: »Die erzwungenen Referenden Russlands in der Ukraine sind heuchlerisch und völkerrechtswidrig und ein Vorwand, um sich die von Russland besetzten Gebiete in der Ukraine zu eigen zu machen. Diese rechtswidrige Annexion verurteilen wir aufs Schärfste.« Schallers Reise könne als Legitimierung der Schein-Referenden gedeutet werden, Tass nutze seinen Aufenthalt für »propagandistische Zwecke«, heißt es weiter. Die Gremien des Landkreises, laut »HNA« der Ältestenrat, sollen in Sachen Schaller noch an diesem Samstag zusammenkommen.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk forderte Landrat van der Horst auf Twitter auf, Schaller »rauszuschmeißen«.

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Schaller leiste dem russischen Aggressionskrieg Beihilfe, schrieb der Botschafter weiter. Melnyk zufolge wird in der Ukraine ein Strafverfahren gegen Schaller eingeleitet.