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Scholz mit sechs Ministern in Japan - Kanzler-Klassenfahrt nach Tokio

Von: Angelika Hellemann (zZt. in Tokio)

Es ist eine Minister-Klassenfahrt ans andere Ende der Welt: Samstagfrüh um halb fünf deutscher Zeit landete Kanzler Olaf Scholz (64, SPD) mit sechs seiner 16 Ministern in Tokio zum Austausch mit den japanischen Kollegen.

Der 11 433 Kilometer lange Nachtflug dauerte 12,5 Stunden. So lange musste sich die Ampel, die sich öffentlich so gerne streitet, das VIP-Abteil des Regierungsfliegers teilen.

► Der Nachtflug muss aber ziemlich harmonisch verlaufen sein. Zumindest verrieten das die etwas verschlafenen, aber gut gelaunten Gesichter von Scholz, Vizekanzler Robert Habeck (53, Grüne), Finanzminister Christian Lindner (44, FDP), Außenministerin Annalena Baerbock (42, Grüne), Innenministerin Nancy Faeser (52, SPD) Verteidigungsminister Boris Pistorius (63, SPD) und Verkehrsminister Volker Wissing (52, FDP), als sie den Luftwaffen-Airbus verließen.

Olaf Scholz (Mitte) ist mit sechs seiner Bundesminister nach Japan gereist. Mit auf dem Foto posieren: Verkehrsminister Volker Wissing, Verteidigungsminister Boris Pistorius, Außenministerin Annalena Baerbock, Innenministerin Nancy Faeser und Finanzminister Christian Lindner (v.l.)

Foto: POOL/via REUTERS

Nach dem Abflug speisten die Regierungsmitglieder im großen Besprechungsraum miteinander – und tranken das eine oder andere Glas. Die Stimmung war locker und lustig, berichten Teilnehmer.

Über den Wolken gab es keine Krisensitzung über den Haushaltsstreit (die Minister wollen mehr Geld ausgeben als Lindner hat) oder den Zoff um das Verbrenner-Aus ( FDP sträubt sich, Grünen finden es toll), sondern eher um Teambuilding.

Am Mittwoch hatte es noch ordentlich in der Regierung gescheppert. Lindner hatte Scholz per Fernsehtalkshow „Maischberger“ mitgeteilt, dass er den mindestens 777 Millionen teuren Anbau des Kanzleramtes für unnötigen Protz hält und die Kosten angesichts der Finanznöte gerne streichen würde.

So etwas nicht intern, sondern vor TV-Publikum auszutragen, war eine gezielte Provokation durch Lindner.

Die Reaktion ließ keine 24 Stunden auf sich warten. Als Regierungschef keilte Scholz nicht persönlich zurück, das erledigte der SPD-Chefhaushälter im Bundestag, Dennis Rohde (36, SPD) – und rechnete genüsslich vor, dass der geplante Zusatzbau für Lindners eh schon riesiges Finanzministerium 652 Millionen kosten soll.

Als Spitzenpolitiker muss man über eine Eigenschaft verfügen: Nach solchen Rempeleien lächeln und die giftigen Spitzen ignorieren. Im Regierungsflieger scheint das gut geklappt zu haben. Bis nach Mitternacht saßen Kanzler und Minister zusammen, danach gab es für die restliche Nacht eine strenge Trennung: Der Kanzler schlief in seinem eigenen Abteil direkt hinter dem Cockpit.

Die Herren Minister nutzten den großen Besprechungsraum, brachten dort die Sessel in Liegeposition. Die beiden Ministerinnen teilten sich den kleineren Besprechungsraum, in dem Sofas zu Liegeflächen ausgeklappt werden können.

Was alle teilten: Ihnen blieben nicht mal vier Stunden Schlaf bis zum Landeanflug auf Tokio.

Wirtschaftsminister Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock, Innenministerin Nancy Faeser und Finanzminister Christian Lindner (v.l.) während des Regierungsbesuchs in Japan

Foto: Kay Nietfeld/dpa

Mehr als 26 Stunden in der Luft (Hin 12,5 Stunden, zurück 14 Stunden) für gerade mal 20 Stunden auf japanischem Boden – warum tun sich das der Kanzler und seine Minister an?

► Weil sie mit Japan ein Anti-China-Bündnis schmieden. Tokio fühlte sich lange benachteiligt gegenüber dem großen Rivalen aus Peking.

Scholz änderte dann die Asien-Strategie: Seine erste Auslandsreise auf dem Kontinent ging nach Japan, eine Demokratie – und nicht nach China, eine Diktatur. Seine Vorgängerin Angela Merkel (68, CDU) hatte es andersherum gemacht.

Jetzt startete Scholz die erste Regierungskonsultation mit dem Land der aufgehenden Sonne. Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt: Später im Jahr soll es auch Regierungskonsultationen mit China geben, die Japaner sollten aber den Vortritt haben.

Mit dem Premierminister von Japan, Fumido Kishida (65), vereinbarte Scholz eine enge Zusammenarbeit in Sachen Wirtschaft und Militär.

► Konkret geht es um Rohstoffsicherheit (weniger Abhängigkeit von China) und eine Kooperation der beiden Armeen. Im Jahr 2024 wird, so Scholz, wieder eine Fregatte durch den Indopazifik fahren und „einen japanischen Hafen“ anlaufen.

Japans Ministerpräsident Fumio Kishida (l.) und Kanzler Olaf Scholz (2.v.r.) nehmen an den ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen teil

Foto: Kay Nietfeld/dpa

Hintergrund: China baut seine Militär-Präsenz im Indopazifik immer weiter aus und versucht mit seinem Dominanzgebaren, die anderen asiatischen Länder einzuschüchtern. Nachdem im vergangenen Jahr deutsche Eurofighter das erste Mal in Japan gelandet waren, plant die Luftwaffe für das nächste Jahr eine gemeinsame Übung mit den Japanern.

Auf dem Rückflug nach Berlin morgen wird es im Regierungsflieger etwas leer: Innenministerin Faeser reist nach Kanada, um sich dort über das Einwanderungssystem zu informieren. Und Verteidigungsminister Pistorius bleibt einen Tag länger in Japan, um den US-Flugzeugträger „Ronald Reagan“ in seinem japanischen Heimathafen zu besuchen – weil die Europäer ein Interesse an der Sicherheitslage im Indopazifik signalisieren wollten, so Pistorius.