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Scholz telefoniert mit Erdogan – Zahl der Todesopfer steigt auf über 7200

Einen Tag nach dem verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan telefoniert. Wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Dienstag in Berlin mitteilte, übermittelte der Kanzler dem türkischen Präsidenten „sein tief empfundenes Beileid zum Tod zahlreicher Menschen in Folge der Erdbeben in der Region Gaziantep in der Türkei“.

Erdogan würdigte demnach die internationale Unterstützung, „insbesondere auch diejenige aus Deutschland“. Scholz sagte dem türkischen Präsidenten den Angaben zufolge auch weiter umfassende Unterstützung zur Bewältigung des Unglücks zu. Scholz hatte der Türkei bereits am Montag Hilfe versprochen.

Die Zahl der Todesopfer stieg inzwischen auf mehr als 7200. Der türkische Gesundheitsminister Fahrettin Koca nannte am Dienstagabend die Zahl von 5434 Toten allein in der Türkei. Das meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. In Syrien starben laut den Behörden sowie der Rettungsorganisation Weißhelme fast 1800 Menschen.

In der Türkei sind darüber hinaus mehr als 31.000 Menschen bei den Beben am Montag verletzt worden, wie der Minister weiter sagte. Noch immer werden zahlreiche Menschen in den Trümmern vermutet. Tausende Betroffene sind obdachlos geworden und harren bei teils eiskaltem und stürmischem Winterwetter aus. Viele können nicht in ihre Häuser zurück, weil sie eingestürzt sind oder eine Rückkehr wegen der Nachbeben zu gefährlich wäre.

Einsatzkräfte suchen in den Trümmern eines Hauses in Adana nach Überlebenden

Einsatzkräfte suchen in den Trümmern eines Hauses in Adana nach Überlebenden

Quelle: AP/Francisco Seco

Rettungskräfte bergen eine Person aus einem eingestürzten Gebäude im türkischen Adana

Rettungskräfte bergen eine Person aus einem eingestürzten Gebäude im türkischen Adana

Quelle: AP/Elifaysenurbay

Präsident Erdogan sagte, 13 Millionen der 85 Millionen Bewohner des Landes seien von der Katastrophe betroffen. Von der Weltgesundheitsorganisation hieß es, im gesamten Erdbebengebiet könnten sogar bis zu 23 Millionen Menschen betroffen sein.

Erdogan rief für zehn Provinzen den Notstand aus und ordnete angesichts der zahlreichen Erdbeben-Toten in dem Land sieben Tage Staatstrauer an. Das in der Grenzregion stark präsente türkische Militär wurde in die Rettungsarbeiten einbezogen. Unter anderem sollten Soldaten Zelte für obdachlos Gewordene und in der Provinz Hatay ein Feldlazarett errichten.

51 THW-Helfer reisen mit Ausrüstung und Hunden an

Viele Länder sagten der Türkei Unterstützung zu. Über das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU sind bereits 27 Such- und Rettungsteams mobilisiert worden. Wie EU-Kommissar Janez Lenarcic mitteilte, entspricht das insgesamt mehr als 1150 Rettungskräften und 70 Hunden. Hilfszusagen kamen etwa auch aus Großbritannien, Israel, Indien, Russland, der von Russland angegriffenen Ukraine sowie den USA.

Aus Deutschland reisten 51 Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) aus Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland mit 16 Tonnen Ausrüstung sowie vier Rettungshunden in das Gebiet. Das Team habe unter anderem schweres Gerät zur Rettung von Menschen dabei – zum Beispiel Betonkettensägen, sagte der THW-Sprecher.

„Dabei muss jede Bewegung dieser Trümmer vermieden werden“

Das Technische Hilfswerk rechnet angesichts der Zerstörungen und der Nachbebengefahr mit einem schwierigen Einsatz im Erdbebengebiet der Türkei. THW-Präsident Gerd Friedsam erläutert im Interview mit WELT die besonderen Herausforderungen bei dieser Katastrophe.

Quelle: WELT | Carsten Hädler

Zudem seien das eigene Camp und Lebensmittel zur eigenen Versorgung für zehn Tage gepackt. Das Team habe sich in der vergangenen Nacht gesammelt. Nach der Ankunft in Adana werde das Team zum Einsatz wohl weiterfliegen müssen, da Straßen zerstört seien. Auch Helfer der Organisation I.S.A.R. und des Bundesverbands Rettungshunde reisten an.

Die Rettungsarbeiten gingen unterdessen weiter, Augenzeugen beschrieben die Situation als dramatisch. Im südtürkischen Hatay sei der Strom ausgefallen, berichtete eine Frau am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Hilfe werde dringend benötigt. Die Tankstellen hätten kein Benzin mehr und es gebe kein Brot zu kaufen. Auch in der Nachbarprovinz Osmaniye sei der Strom ausgefallen, sagte eine Reporterin des Senders CNN Türk.

Die Zerstörung in der Provinz Hatay auf einer Luftaufnahme

Die Zerstörung in der Provinz Hatay auf einer Luftaufnahme

Quelle: REUTERS

In der türkischen Stadt Kahramanmaras warfen Bewohner den Behörden vor, zu langsam auf die Katastrophe zu reagieren. „Wo ist der Staat? Wo sind sie? Ich kann meinen Bruder nicht aus den Trümmern holen. Ich kann meinen Neffen nicht erreichen. Sehen Sie sich hier um. Um Himmels Willen, es ist kein Staatsbeamter hier!“, sagte Ali Sagiroglu der Nachrichtenagentur AFP.

Im Hafen von Iskenderun brach am Dienstag zudem ein Feuer aus. Fernsehbilder vom Dienstag zeigten brennende Container und dichten schwarzen Qualm über dem Mittelmeerhafen. Ein Schiff der Küstenwache helfe beim Löschen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Die Zeitung „Hürriyet“ berichtete, der Brand sei schon am Vortag nach dem Erdbeben aus noch ungeklärten Gründen ausgebrochen. Container seien umgestürzt und hätten Feuer gefangen.

Brennende Container in Iskenderun

Brennende Container in Iskenderun

Quelle: dpa/Serdar Ozsoy

Syrien hofft auf Hilfe der USA und der EU

Während in der Türkei Hilfe großflächig angelaufen ist, warten viele Betroffene in Syrien auf Rettungsteams. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte die Öffnung weiterer Grenzübergänge von der Türkei nach Syrien. Die UN erklärten, sie prüften alle Wege, um Hilfsgüter ins Rebellengebiet im Nordwesten Syriens bringen zu können. In Syrien sind sowohl von der Regierung kontrollierte Gebiete als auch die letzte von Aufständischen gehaltene Region des Landes betroffen. Dort leben Millionen Menschen in extremer Armut und waren für ihr Überleben bereits zuvor auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Quelle: Infografik WELT/mku

Syrien rief die USA und die EU angesichts des verheerenden Erdbebens zur Aufhebung von Sanktionen auf. Sein Land brauche jetzt dringend Hilfe, sagte der Leiter des Syrisch-Arabischen Roten Halbmonds, Chalid Hbubati, am Dienstag. „Ich fordere die Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien. Das ist das Wichtigste für uns“, sagte er. Für Rettungseinsätze würden Baumaschinen gebraucht.

Nach dem Beben entkamen 20 mutmaßliche Kämpfer der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) aus einem Gefängnis. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Montagabend aus dem Militärgefängnis von Rajo nahe der Grenze zur Türkei. „Nach dem Erdbeben, von dem auch Rajo betroffen war, haben die Gefangenen einen Aufstand gestartet und Teile des Gefängnisses unter ihre Kontrolle gebracht.“ Rund 20 Insassen seien während der Meuterei geflohen, hieß es weiter. In dem Militärgefängnis von Rajo werden etwa 2000 Häftlinge festgehalten, rund 1300 von ihnen sind mutmaßliche IS-Kämpfer. Zudem werden dort kurdische Kämpfer festgehalten.

Die Türkei ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der größte Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr.

Bei einem der folgenschwersten Beben der vergangenen Jahre kamen im Oktober 2020 in Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben. Im Jahr 1999 war die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen worden: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit kostete mehr als 17.000 Menschen das Leben. Für die größte türkische Stadt Istanbul erwarten Experten in naher Zukunft ebenfalls ein starkes Beben.

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