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Schüsse auf Demonstranten: Im Iran wächst die Wut

Schüsse und brennende Autos - seit zehn Tagen tragen die Menschen im Iran nach dem Tod einer jungen Frau ihre Wut und Verzweiflung auf die Straße. Die Regierung greift hart durch, es gibt Festnahmen und immer mehr Tote. Auch außerhalb des Landes gibt es Proteste. In Teheran werden derweil Botschafter westlicher Länder einbestellt.

Nach dem Tod einer jungen Frau im Iran sind am Wochenende Tausende Menschen gegen das islamische Herrschaftssystem und die systematische Diskriminierung von Frauen auf die Straße gegangen. Zugleich meldeten iranische Staatsmedien am Sonntag Gegendemonstrationen in der Hauptstadt Teheran und anderen Städten. An den Versammlungen hätten Tausende Menschen teilgenommen, um die andauernden Proteste von Regimekritikern zu verurteilen, hieß es.

Sowohl Sicherheitskräfte als auch Demonstranten treten bei den Protesten Augenzeugenberichten zufolge immer aggressiver auf. Es seien vermehrt Schüsse zu hören. Wie der iranische Staatssender IRIB am Sonntag berichtete, wurden inzwischen 41 Menschen getötet. Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) in Oslo gab die Zahl der getöteten Demonstranten am Sonntagabend mit mindestens 57 an. Die Polizei nahm nach offiziellen Angaben innerhalb von zwei Tagen alleine im Norden des Landes mehr als 1000 Menschen fest. Auch mindestens neun Reporter, die über die Proteste berichten wollten, wurden dem iranischen Journalistenverband zufolge festgesetzt.

Die Rufe der Demonstranten gegen die islamische Führung werden radikaler: Neben "Tod dem Diktator" skandierten die Demonstranten auch "Das ist das Jahr des Blutvergießens!" und "Lieber sterben wir als weiterhin Erniedrigung zu ertragen!". Vor allem junge Demonstranten beschädigten laut Augenzeugen öffentliche Einrichtungen, setzten Autos und Mülleimer in Brand und verprügelten Polizisten. Als Reaktion auf die Proteste hat die Regierung den Zugang zum Internet stark eingeschränkt. Insbesondere mobile Funknetze funktionieren kaum. Den Demonstranten wird es damit erschwert, sich zu organisieren.

Amnesty kritisiert Einsatz scharfer Munition

Präsident Ebrahim Raisi drohte einmal mehr ein hartes Durchgreifen an. Auch der Leiter der iranischen Justizbehörden, Gholamhossein Mohseni Edschei, kündigte am Sonntag ein "entschlossenes Vorgehen ohne Nachsicht" gegen die Verantwortlichen der "Unruhen" an.Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft den Sicherheitskräften vor, "vorsätzlich und rechtswidrig" scharfe Munition einzusetzen, um Protestierende auseinanderzutreiben. Unterdessen lösten unbestätigte Berichte Besorgnis aus, wonach die iranische Regierung auch Hisbollah-Milizen aus dem Libanon zur Niederschlagung der Proteste einsetzen wolle.

Auslöser der Demonstrationen ist der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Sie war von der Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderordnung festgenommen worden. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar. Bekannt ist, dass sie zunächst ins Koma fiel und am 16. September in einem Krankenhaus verstarb.

Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 gelten im Iran strenge Kleidungsvorschriften, die von den Sittenwächtern überwacht werden. Frauen, die nach Auffassung der Religionspolizei gegen die Bekleidungsordnung verstoßen, können auf offener Straße festgenommen werden – so wie Amini. Insbesondere in den Metropolen sehen viele Frauen die Regeln inzwischen aber eher locker und tragen beispielsweise ihr Kopftuch nur auf dem Hinterkopf - zum Ärger erzkonservativer Politiker. Religiöse Hardliner versuchen seit Monaten, die islamischen Gesetze strenger anwenden zu lassen.

Internationale Unterstützung für Protestierende

In zahlreichen Städten weltweit - unter anderem in Berlin, Brüssel, Istanbul, Madrid, New York und Paris - fanden Kundgebungen zur Unterstützung der iranischen Proteste statt. In Paris setzte die Polizei am Sonntag Tränengas ein, um hunderte Demonstranten daran zu hindern, die Absperrungen nahe der iranischen Botschaft zu durchbrechen. Insgesamt nahmen nach Polizeiangaben rund 4000 Menschen an der Demonstration teil. In London wurden nach Polizeiangaben fünf Demonstranten festgenommen, die ebenfalls versucht hatten, gewaltsam zur iranischen Botschaft vorzudringen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte am Sonntag das harte Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte gegen die Proteste als "ungerechtfertigt und inakzeptabel". Das iranische Außenministerium gab derweil dem Erzfeind USA die Schuld an den Protesten und warnte vor einer Reaktion des Irans.

Am Sonntag erklärte das Ministerium zudem, dass es den Botschafter Großbritanniens einbestellt habe, um gegen die "Aufforderung zu Krawallen" in Fernsehsendern mit Sitz in London zu protestieren, die auf Farsi senden. Dies werde als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Islamischen Republik Iran und Handlung gegen die nationale Souveränität unseres Landes" gewertet. Auch Norwegens Botschafter wurde demnach einbestellt, um Fragen zu "Einmischung und nichtkonstruktiven Kommentaren über innere Angelegenheiten des Irans" zu beantworten, die der Präsident des norwegischen Parlaments gemacht habe.