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Sein gefährliches Spiel führte in den Ersten Weltkrieg

Der Aufstieg ins höchste Amt des Staates gelang Raymond Poincaré am 17. Januar 1913. Doch damit hatte der 52-Jährige nur das zweitwichtigste Ziel seines Lebens erreicht. Denn entscheidend für ihn war nicht die Funktion als Präsident, sondern ob er in dieser Funktion eine Demütigung heilen könnte, die er als Kind erlitten hatte.

Zehn Jahre alt war der kleine Raymond gewesen, als die lothringische Stadt Bar-le-Duc, sein Geburtsort, 1870 im Deutsch-Französischen Krieg von deutschen Truppen besetzt wurde. Er entwickelte einen tief sitzenden Hass auf das Nachbarland und nannte zum Beispiel seinen Hund „Bismarck“, um den deutschen Reichskanzler zu verspotten.

RAYMOND POINCARE French politician Date: 1860 - 1934 (Mary Evans Picture Library) || Nur für redaktionelle Verwendung

Porträt von Poincaré (undatiert)

Quelle: picture-alliance / Mary Evans Pi

Er machte schnell in der Politik Karriere. Mit 36 Jahren war er schon dreimal Minister in Paris gewesen, im Januar 1912 wurde er zum ersten Mal Ministerpräsident und Außenminister; seine Politik zielte auf enge Verbindung mit Großbritannien, eine Stärkung des Bündnisses mit Russland und die Konfrontation mit Deutschland.

Viel spricht dafür, dass Poincaré den „Erbfeind“ vorsätzlich in eine Situation treiben wollte, in der ein Losschlagen gegen Frankreich im Westen den Verantwortlichen in Berlin als einzige Handlungsoption erscheinen mochte – auch wenn sie zwangsläufig in einen Weltkrieg führen musste, den das Kaiserreich kaum gewinnen konnte. Ein extrem gefährliches Spiel.

Voraussetzung für die Schachzüge war der Wissensvorsprung der Regierung und Militärführung in Paris. Aus allgemein zugänglichen Quellen informierte Beobachter der europäischen Politik gingen im Frühjahr 1914 von einem schleichenden, aber unaufhaltsamen Bedeutungsverlust Frankreichs aus, das der ökonomischen Kraft der Kontinentalmacht Deutschland nichts entgegenzusetzen hatte.

State visit to Russia by president Raymond Poincare here he arrives back in Paris 1914.

Poincaré bei der Rückkehr vom Staatsbesuch in St. Petersburg nach Paris im Juli 1914

Quelle: picture alliance / United Archiv

Poincaré allerdings wusste es besser. Ihm war bekannt, dass sich die deutsche Militärführung seit 1905 zunehmend auf ein einziges mögliches Szenario festgelegt hatte. Der Plan des damaligen Generalstabschefs Alfred Graf Schlieffen sah vor, den vermeintlich unausweichlichen Kampf gegen Russland und Frankreich in zwei nacheinander zu führende Einfrontenkriege aufzuspalten.

Angesichts dessen wollte Poincaré den verhassten Nachbarn in eine Situation bringen, in der Berlin entweder klein beigab und damit eine schwere politische Niederlage einsteckte – oder einen Angriffskrieg begann. Anfang August 1914 überfiel Deutschland tatsächlich das neutrale Belgien und brachte damit die Koalition dreier Großmächte gegen sich zusammen.

World War I, The Triple Entente, French President Raymond Poincare, British King George V, Russian Czar Nicholas II, 1914

Postkarte aus dem Ersten Weltkrieg: Die Triple Entente aus Poincaré, dem britischen König George V. und Zar Nikolaus II.

Quelle: picture alliance / Everett Colle

Doch der Krieg, den Poincaré zumindest in Kauf genommen hatte, wurde zum größten Teil in Nordostfrankreich (und in Belgien sowie an den anderen Fronten) geführt und führte zu ungeheuren Verwüstungen und schrecklichen Verlusten. 1918 war Deutschland zwar besiegt und die Scharte von 1870/71 damit ausgemerzt, doch der Preis war enorm.

Poincaré blieb dennoch in der Politik, wurde nach dem Ende seiner siebenjährigen Amtszeit als Staatspräsident erneut Minister und sogar Ministerpräsident unter den eigenen Nachfolgern. 1934 starb er und wurde in Lothringen beigesetzt.

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Dieser Artikel wurde erstmals im Januar 2021 veröffentlicht.