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Setúbal ist ein Geheimtipp vor den Toren von Lissabon

Im Mercado do Livramento in Setúbal läuft Besuchern das Wasser im Mund zusammen. Jedenfalls, wenn sie Fisch mögen. Hier gibt es frischen Kabeljau, Tintenfische, Seezunge, Wolfsbarsch, Goldbrassen, Sardinen, auch Entenmuscheln, Austern und die furchterregenden schwarzen Degenfische.

Alles kommt fangfrisch aus der Bucht von Setúbal, beteuert eine Verkäuferin. Nirgendwo in Portugal bekomme man besseren Fisch. Es fällt nicht schwer, ihrer Werbung Glauben zu schenken. Und sie könnte noch mehr Werbung machen für ihren Ort, für ihre Halbinsel vor den Toren Lissabons, die schon gläubige Pilger wie geldschwere Hollywood-Produzenten anzog, ein filmreifer Ort voller Geschichten und Legenden.

Setúbal war bis vor wenigen Jahrzehnten Portugals wichtigster Fischereihafen, sein gut sortierter Fischmarkt hat Seltenheitswert. Ein Fest für die Sinne ist der Mercado do Livramento. Die Gerüche, der Lärm, die Bewegung – die ganze Stadt scheint hier zu sein. Angeregt unterhalten sich Nachbarinnen. Ein Restaurantbesitzer versucht lautstark, den Preis herunterzuhandeln. Es herrscht ein aufregendes, faszinierendes Durcheinander.

An die Fischstände schließen sich in der riesigen Markthalle zwischen Hafen und Altstadt Hunderte Meter weiterer Stände an. Verkauft werden auch Fleisch, Obst und Gemüse sowie Käse, Wein und Honig regionaler Sorten. An den Seiten reihen sich kleine Cafés und Restaurants auf. Die Halle von 1930, im Art-Decó-Stil erbaut, ist innen mit den für Portugal typischen Azulejo-Kachelwandbildern verziert.

Nur wenige Touristen

Für die Zeitung „USA Today“ ist der Mercado do Livramento einer der besten Märkte der Welt. Umso verwunderlicher, dass kein einziger Tourist mit seiner Fotokamera durch die Halle irrt. Der Markt ist das beste Beispiel dafür, dass es selbst in einem beliebten Reiseland wie Portugal noch Regionen gibt, die als touristischer Geheimtipp bezeichnet werden können. Noch überraschender ist, wenn sich dieser Tipp direkt vor den Toren Lissabons befindet.

Fußballfans ist Setúbal eventuell noch ein Begriff. Es ist die Heimat des weltbekannten Trainers José Mourinho. Ausländischen Urlaubern aber ist die Setúbal-Halbinsel im Süden der portugiesischen Hauptstadt kaum bekannt. Dabei braucht man nur auf der 17 Kilometer langen Vasco-da-Gama-Brücke den Tejo-Fluss überqueren, um sie zu erreichen.

Setúbals Altstadt ist nicht von Touristen überlaufen

Setúbals Altstadt ist nicht von Touristen überlaufen

Quelle: picture alliance/dpa/dpa-tmn

Die ruhige Hafenstadt Setúbal auf der anderen Seite der Halbinsel liegt 50 Kilometer von Lissabon entfernt. Ein architektonisches wie städtebauliches Schmuckstück: alte Stadtpaläste, verträumte Plätze mit Steinbrunnen, enge Gassen. Die Kacheln der Häuserfassaden leuchten in Gelb, Rosa und Blau.

Das Franziskanerkloster Convento de Jesus aus dem Jahre 1492 gilt als erstes Bauwerk in Portugals manuelinischem Stil. Es beherbergt heute das Stadtmuseum und Sakralkunst ab dem 15. Jahrhundert. In der Casa da Baía, im Haus der Bucht, erzählen archäologische Fundstücke von der über 2000 Jahre alten Stadtgeschichte. Hoch über der Stadt thront die mächtige Festungsanlage von São Filipe aus dem 16. Jahrhundert. Von der imposanten Burg schweift der Blick auf den Atlantik und das steil ins Meer abfallende Küstengebirge der Serra da Arrábida. Der Naturpark ist ein Traum für Wanderer und Mountainbiker.

Spuren aus der Urzeit

„Leider wissen die meisten Lissabon-Besucher gar nicht, was sie hier verpassen“, sagt Fernanda Chagas, während Amandio den Jeep durch das unwegsame Gelände des Küstengebirges lenkt. Das Ehepaar kennt die Region bestens. Seit vielen Jahren bieten die beiden mit ihrem Unternehmen Sesimbra Safari Kultur- und Naturausflüge in die Serra da Arrábida an. Heute bringen Fernanda und Amandio ihre Gäste in den äußersten Südwesten der Halbinsel – zum Kap Espichel.

Nach einer kurzen Wanderung erreicht die Gruppe die Steilklippen. Fast 170 Meter stürzen die Felsen ins Meer hinab. Fernanda kniet nieder und weist auf riesige, ovale Einbuchtungen im Kalksteinboden hin. „Laut Fischerlegenden sind es die Spuren des Maultiers der Heiligen Jungfrau Senhora do Cabo. Tatsächlich handelt es sich um Fußabdrücke, die hier bis zu 30 Meter große Dinosaurier vor rund 150 Millionen Jahren hinterließen“, erklärt sie.

Die Kapelle Ermida da Memória über den Klippen

Die Kapelle Ermida da Memória über den Klippen

Quelle: picture alliance/dpa-tmn/Manuel Meyer (3); picture alliance/imageBROKER/Therin-Weise

Paläontologen des portugiesischen Zentrums für Geo- und Urgeschichte (CPGP) fanden in der Umgebung 614 weitere Abdrücke – laut den Forschern die größte Anzahl von Dinosaurier-Fußabdrücken aus der Kreidezeit in Portugal. In der Nähe befindet sich der markante Leuchtturm aus dem Jahre 1790. Der erste Leuchtturm wurde an dieser Stelle schon 1430 in Betrieb genommen. Lange nach den Dinos.

Daneben ordnete König Peter II. 1701 den Bau der barocken Wallfahrtskirche Igreja de Nossa Senhora do Cabo mit beeindruckend perspektivischen Deckenmalereien an. Neben Fátima ist das Kloster-Ensemble einer der wichtigsten Wallfahrtsorte Portugals. Davon zeugen die zahlreichen, teils aber verfallenden Pilgerunterkünfte. Und ein weiteres Sakralgebäude: Neben der Klosterkirche thront am Klippenrand die Ermida da Memória aus dem 15. Jahrhundert. Im Inneren der kleinen Kapelle mit ihrem zwiebelförmigen Dach erzählen weiß-blaue Kachelbilder die Geschichte einer Jungfrau, die hier einst den Fischern erschienen sein soll.

Beliebt als Filmkulisse

Capo Espichel ist ein besonderer Ort voller Legenden und Geschichten. Hollywood verliebte sich in die wildromantische Landspitze mit den spektakulär am Abgrund liegenden Kirchenbauten. Bille August verfilmte hier Anfang der Neunziger Isabel Allendes Debütroman „Das Geisterhaus“ von 1982 mit Jeremy Irons, Glenn Close und Meryl Streep. Moritz Bleibtreu und Cameron Diaz drehten am Kap Filmszenen zu „The Invisible Circus“ (2001). Wim Wenders verewigte die einzigartige Landschaft in seiner „Lisbon Story“ (1994).

Auch Sesimbra ist filmreif, wenngleich hier keine Hollywood-Filme gedreht wurden. Der Ort liegt nicht weit vom Kap entfernt und ist bekannt für seinen langen Sandstrand und seine guten Fischrestaurants. Sesimbras Fischer beliefern selbst Lissabons Sterneköche. Für die gute Qualität spielen mehrere Faktoren eine Rolle, erklärt die Meeresbiologin Catarina Gómez: „Die vom Golfstrom beeinflusste Wassertemperatur, die gute Wasserqualität, vor allem aber die vielen Nährstoffe, die aus der schlammigen Flussmündung des Sado in die Gewässer vor Sesimbra gespült werden.“

Sesimbra ist immer noch vor allem Fischerdorf

Sesimbra ist immer noch vor allem Fischerdorf

Quelle: picture alliance/dpa/dpa-tmn

Dadurch ist die Bucht von Setúbal derart fischreich, dass nicht nur regelmäßig Orcas und andere Wale vorbeischauen, sondern sich auch riesige Delfinfamilien permanent hier aufhalten. Man kann sie gelegentlich sogar an Sesimbras Strand vorbeiziehen sehen. Wer die Großen Tümmler aus nächster Nähe sehen möchte, ist nur einen Bootsausflug entfernt. „In 98 Prozent aller Ausfahrten sehen wir die Delfine. Derzeit ist es eine Gruppe von 28 Delfinen mit zwei Jungen“, berichtet Meeresbiologin Gómez, die bei Ausflügen dabei ist.

Allein die Bootsfahrt durch die Bucht lohnt sich. Die Strände sind umgeben vom Grün der Serra de Arrábida. Die Praia dos Galapinhos wurde 2017 als schönster Naturstrand Europas ausgezeichnet. Auf der Tróia-Halbinsel gegenüber lockt hinter dem Dünenmeer mit Pinien einer der längsten Sandstrände Europas – er misst 13 Kilometer.

Schafskäse und Austern

Auch das Hinterland hat seine kulinarischen Reize. Am Fuße des Küstengebirges erstreckt sich das Weinanbaugebiet von Azeitão. Hier stellen traditionsreiche Weingüter den süßlichen Dessertwein Moscatel her und bieten Bodega-Führungen mit Weinproben an. Im Weindorf Palmela über der Ebene befindet sich das regionale Weinzentrum. Hier erfahren Besucher, welche Weinwanderrouten es auf der Halbinsel gibt. Die Region des Azeitão ist aber auch landesweit bekannt für ihren gleichnamigen Regionalkäse mit Ursprungsbezeichnung, den Queijo de Azeitão, ein halbfester Schnittkäse aus Schafsmilch.

„Die Milch stammt ausschließlich von portugiesischen Schafrassen aus der Region, und die Rohmilch wird nach dem Salzen nicht in Lab eingelegt, sondern mit Kardamompflanzen dick gemacht“, erklärt Käsemeister Rui Simões in seiner Käserei in Quinta do Anjo, der für seine Produkte schon mehrere Preise gewonnen hat. Seine Käse schmecken leicht salzig, würzig, ein wenig nach Gras, Kräutern, Salbei und Kardamom.

Eine der Delikatessen von Setúbal sind Austern. In den nährstoffreichen Gewässern finden sie gute Bedingungen

Eine der Delikatessen von Setúbal sind Austern. In den nährstoffreichen Gewässern finden sie gute Bedingungen

Quelle: picture alliance/dpa/dpa-tmn

Unweit im Naturschutzgebiet der Flussmündung des Sado züchtet Célia Rodrigues eine weitere Regionaldelikatesse: Austern. Die Zugvögel- und Flamingokolonien sorgen für nährstoffreiche Gewässer, die ideale Zuchtbedingungen für die Austern schaffen. Im Sado benötigen die Delikatessen nur eineinhalb Jahre, um vollständig auszuwachsen. Nicht vier wie in Frankreich.

Die als portugiesische Auster bekannte Art ist beliebt. Sie wird ins Ausland exportiert und dort teuer verkauft. Es geht auch anders: Auf dem Markt in Setúbal sind Célias Austern günstiger.

Quelle: Infografik WELT

Tipps und Informationen

Anreise Airlines wie TAP (flytap. com) und Lufthansa (lufthansa. com) fliegen täglich von mehreren deutschen Flughäfen Lissabon an. Mit Bussen weiter nach Setúbal.

Aktuelle Informationen zu Einreise und Corona-Lage finden Sie auf der Seite des Auswärtigen Amts.

Auskunft visitportugal.com