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So würde eine 15-Prozent-Lohnerhöhung die Briefzustellung verändern

Diese Woche kommt die Deutsche Post mit einer Neuheit heraus. Der größte Briefzusteller im Land legt eine „Sonderpostwertzeichen-Serie“ unter dem Namen „Beliebte Haustiere“ auf. Die erste Briefmarke der Serie zeigt eine Katze. Begründung: „Mit etwa 16,7 Millionen Exemplaren stehen die Stubentiger hierzulande unangefochten auf Platz eins der Beliebtheitsskala“, schreibt die Post.

Doch vielleicht landen die Briefe mit dem Katzen-Porto in einigen Teilen Deutschlands erst später als gewohnt im Briefkasten der Empfänger. Schließlich stehen die Zeichen im Postkonzern derzeit auf Sturm: In den vergangenen Tagen waren bereits bundesweit rund 42.000 Beschäftigte in den Paket- und Briefzentren sowie in der Zustellung im ganztägigen Warnstreik.

WELT beantwortet die wichtigsten Fragen für Post-Kunden zum schwelenden Tarifstreit.

Droht ein langer Streik bei der Post?

Diese Möglichkeit ist gar nicht so unrealistisch. Die Gewerkschaft Verdi hat im Vorfeld der Tarifauseinandersetzung die Bereitschaft zum Streik unter den 160.000 Beschäftigten erfragt und kam auf überwältigende Mehrheiten für einen möglichen Arbeitsausstand. Laut der Verhandlungsführerin der Gewerkschaft, Verdi-Vizechefin Andrea Kocsis, hätte der Postvorstand bei den bisherigen Verhandlungsrunden deutlich gemacht, dass er „nicht bereit und auch nicht in der Lage ist, die Reallohnverluste der Beschäftigten auszugleichen“.

Die Seiten liegen demnach weit auseinander. Der bislang letzte Poststreik liegt fast acht Jahre zurück. Seither hat es moderate Tariferhöhungen gegeben. Die Stimmung unter den Postzustellern dürfte jetzt eine andere sein. Mitte kommender Woche werden die Tarifverhandlungen an zwei Tagen fortgesetzt, Verhandlungsort ist Düsseldorf.

Wer ist im Vorteil? Gewerkschaft oder Postvorstand?

Die Gewerkschaft argumentiert mit dem Vorsteuergewinn des Postkonzerns für das vergangene Jahr von etwa 8,4 Milliarden Euro. Allerdings stammen davon weniger als 15 Prozent aus dem Brief- und Paketdienst in Deutschland. Wesentlicher Gewinnbringer für den Konzern sind die Tochtergesellschaften DHL und dort der weltweite Expressdienst.

Doch mit dem Rekordgewinn als Argument, mit den Belastungen aus der Corona-Zeit sowie der hohen Inflationsrate im Blick hat die Gewerkschaftsseite ausreichend Aussicht auf eine maßgebliche Lohnerhöhung. Üppig sind die Löhne bei den Zustellern allemal nicht: Fast 90 Prozent der Tarifbeschäftigten arbeiten bei der Post in den sogenannten Entgeltgruppen eins bis drei mit einem Monatsgrundentgelt zwischen 2108 Euro und 3090 Euro brutto.

Der Postvorstand hingegen hat bereits durchblicken lassen, dass bei einem hohen Tarifabschluss die flächendeckende Postzustellung von Briefen in Deutschland in Gefahr geraten könnte. Rechtlich betrachtet, kann der Konzern diese Aufgabe an den Staat zurückgeben. Dann müsste die Post am Ende Unterstützung vom Bund bekommen oder sie könnte sich aus Teilen der Zustellung zurückziehen. Dadurch könnten Arbeitsplätze im Unternehmen wegfallen oder die Arbeit könnte an Subunternehmen ausgelagert werden.

Welchen Einfluss hat die Bundesregierung?

In der Tat ist die Bundesregierung indirekt an der Auseinandersetzung beteiligt. Bis zum Sommer soll es nämlich ein neues Postgesetz geben, und das nach einem Jahrzehnt unveränderter Regeln. Der Postvorstand hat bereits Forderungen an die Politik gestellt und erwartet Erleichterungen, etwa in der Laufzeit der Briefzustellung.

Bislang müssen die täglichen Briefmengen zu 80 Prozent am Tag nach dem Einwurf in den Briefkasten zugestellt werden. Der Vorstand spricht offen von Entlastungen bei den Zustellkosten, ohne die die derzeitige Versorgung nicht beibehalten werden könne. Ebenso steht ein höheres Briefporto auf der Wunschliste des Managements.

In ersten Eckpunkten des neuen Postgesetzes ist erkennbar, dass die zuständige Bundesnetzagentur Änderungen plant. Tatsächlich sind die Regelungen zur Postzustellung in kaum einem anderen Land der Europäischen Union derart strikt wie in Deutschland. In Skandinavien oder Südeuropa dauert der Versand deutlich länger, und das Briefporto ist höher.

Welche Alternativen haben Kunden im Fall eines Streiks?

Kunden können ausweichen, auch wenn es unterschiedliche Erfolgschancen dafür gibt. Im Briefversand ist die Auswahl der Anbieter – anders als bei Paketen – deutlich geringer. Rund 85 Prozent des Briefmarktes wird von der Deutschen Post beherrscht, wie es eine Erhebung der Bundesnetzagentur gerade ermittelt hat. Lediglich in einigen Großstädten gibt es wesentliche Konkurrenten.

Ein weitreichendes bundesweites Netz aus privaten Briefdiensten existiert auch zwei Jahrzehnte nach der Marktliberalisierung in Deutschland nicht. Vielfach nutzen diese Zustellunternehmen selbst den Postkonzern für die Briefverteilung in der Fläche. Briefversendern bleibt oftmals nur das Ausweichen auf die digitale Post und den E-Mail-Kontakt.

Bei Paketen ist die Lage anders, hier erreicht die Post-Tochtergesellschaft DHL in Deutschland einen Marktanteil von rund 40 Prozent. Konkurrent Hermes etwa bietet auch Privatkunden einen Paketdienst an. Wettbewerber wie DPD, GLS oder UPS haben ihren Schwerpunkt im Versand zwischen Geschäftskunden.

Was ist im aktuellen Tarifstreit anders als früher?

Dieser Zahlenvergleich macht es deutlich: Die bislang letzte Tariferhöhung bei der Post zum Januar 2022 betrug zwei Prozent. Die Einigung stammt aus der Corona-Zeit. In der aktuellen Tarifrunde fordert Verdi für die rund 160.000 Tarifbeschäftigten der Deutschen Post AG eine Lohnerhöhung von 15 Prozent bei einer Laufzeit des Vertrages von zwölf Monaten.

Die Forderung liegt im Vergleich mit anderen Wirtschaftsbereichen oder auch mit dem öffentlichen Dienst am oberen Ende. Und noch ein Vergleich: Mit dem Brief- und Paketdienst hat der Postkonzern im vergangenen Jahr gut eine Milliarde Euro Gewinn vor Steuern erreicht. Rund 750 Millionen Euro davon stammen nach verlässlichen Branchenschätzungen aus dem Briefdienst. Würde die Tarifforderung von Verdi von 15 Prozent umgesetzt, wäre dieses Geld aufgezehrt.

Der Rest der Summe würde dann nicht für bereits geplante Investitionen in neue Gebäude und Fahrzeuge ausreichen, die die Emissionen und Umweltauswirkungen der Postzustellung reduzieren sollen. Zudem geht der Trend in der Briefzustellung laut Daten der Bundesnetzagentur nach unten. Die Briefmengen sanken zuletzt jedes Jahr um Werte zwischen zwei und vier Prozent.

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