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"Sozialtourismus bei Ukrainern": Merz "bedauert" seine Wortwahl

Der Aufschrei ist groß, als CDU-Chef Merz vom "Sozialtourismus" unter Ukrainern spricht. Selbst in den eigenen Reihen gibt es offenbar Befremden "über die sehr zugespitzte Formulierung". Nun erklärt Merz, er wolle sich entschuldigen, "wenn meine Wortwahl als verletzend empfunden wird".

Nach seinem Vorwurf des "Sozialtourismus" gegen ukrainische Flüchtlinge ist CDU-Chef Friedrich Merz zurückgerudert. "Zu meinen Äußerungen von gestern über die Flüchtlinge aus der Ukraine gibt es viel Kritik. Ich bedaure die Verwendung des Wortes 'Sozialtourismus'. Das war eine unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems", schrieb er auf Twitter.

Sein Hinweis habe ausschließlich "der mangelnden Registrierung der Flüchtlinge" gegolten, so Merz weiter. "Mir lag und liegt es fern, die Flüchtlinge aus der Ukraine, die mit einem harten Schicksal konfrontiert sind, zu kritisieren." In einem weiteren Tweet folgt eine Wenn-Dann-Entschuldigung: "Wenn meine Wortwahl als verletzend empfunden wird, dann bitte ich dafür in aller Form um Entschuldigung."

Merz hatte Bild TV am Montagabend gesagt: "Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine." Der Hintergrund laut Merz: Anfangs hatten Ukraine-Flüchtlinge Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - seit Juni erhalten sie Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger, und sind damit besser gestellt. Die "Unwort"-Jury aus Sprachwissenschaftlern hatte das Wort "Sozialtourismus" im Jahr 2013 zum Unwort des Jahres bestimmt.

Scharfe Kritik aus der Koalition

Die Äußerungen Merz' hatten parteiübergreifend Kritik ausgelöst. "Wie passt es eigentlich mit der viel beschworenen Solidarität der Union mit der Ukraine zusammen, dass Friedrich Merz im Kontext von Menschen, die vor diesem furchtbaren Angriffskrieg fliehen, von 'Sozialtourismus' spricht?", fragte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang auf Twitter. Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sagte im "ntv Frühstart", dass Merz sich darin gefalle, mit seiner Wortwahl permanent Stichworte für den rechten Mob zu liefern. Er stimuliere damit den rechten Rand. "Wer vor einem Krieg in der Ukraine flieht, ist kein Sozialtourist", so Trittin.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser kritisierte Merz ebenfalls scharf. "Stimmungsmache auf dem Rücken ukrainischer Frauen und Kinder, die vor Putins Bomben und Panzern geflohen sind, ist schäbig", schrieb die SPD-Politikerin bei Twitter.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr nannte die Aussagen "absolut deplatziert". "Die Menschen aus der Ukraine kommen zu uns, weil sie vor Putins brutalem Krieg fliehen. Viele von ihnen haben alles verloren und bangen um ihre Angehörigen." Dürr sagte weiter: "Ich habe geflüchtete Frauen und Kinder getroffen, die teilweise unter Lebensgefahr zurück in die Ukraine fahren, um ihre Ehemänner oder Väter wiederzusehen. Dass ausgerechnet der Vorsitzende der Christdemokraten diesen Menschen Sozialtourismus unterstellt, kann ich nicht nachvollziehen. Herr Merz gefährdet mit solchen Narrativen die gesellschaftliche Unterstützung für die Ukraine."

Auch in der CDU, seiner eigenen Partei, sorgte Merz' Äußerung offenbar für Befremden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, versuchte, die Klage über den "Sozialtourismus" zu relativieren. Merz habe eine "sicherlich sehr zugespitzte Formulierung" verwandt, "um auf ein Problem hinzuweisen, das hier möglicherweise besteht", sagte Frei. Er räumte ein, "dass man den Begriff falsch verstehen kann". Es lägen ihm keine entsprechenden Zahlen vor, die die Lage abschließend bewerten könnten, sagte der CDU-Politiker.

Der Grünen-Politiker und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz vermutet vor allem Kalkül hinter der Äußerung von Merz. Noch vor dessen Entschuldigung schrieb er bei Twitter: "Nehme Wetten an, mit welcher Akrobatik @_FriedrichMerz heute den bewusst gesetzten Begriff des #Sozialtourismus relativieren wird und sich bei den Empörten einreiht, wenn es zu Gewalt gegen Geflüchtete kommt."

Trittin warnt davor, das "Geschäft des Kriegstreibers Putin" zu betreiben

Keine Entschuldigung kam von Merz zu seinen Äußerungen zu möglichen russischen Flüchtlingen. In dem Interview am Montagabend hatte er gesagt, dass er noch größere Probleme mit Flüchtlingen aus Russland erwarte, "wenn die Bundesregierung das täte, was die Bundesinnenministerin vorgeschlagen hat, nämlich hier jetzt praktisch allen Verweigerern des Kriegsdienstes, der Mobilisierung in Russland Zugang zur Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen". Die Union sei "strikt dagegen".

Bundesinnenministerin Faeser hatte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gesagt, von schweren Repressionen bedrohte Deserteure erhielten im Regelfall internationalen Schutz in Deutschland. Auch für Grünen-Politiker Trittin steht außer Frage, dass russische Kriegsverweigerer in Deutschland Schutz bekommen sollten: "Wer versucht, das zu verhindern, betreibt das Geschäft des Kriegstreibers Wladimir Putin", sagte er im "ntv Frühstart".