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Spitzensteuersatz fällt ganz weg: Radikaler Haushaltsplan lässt britisches Pfund abstürzen

Spitzensteuersatz fällt ganz weg Radikaler Haushaltsplan lässt britisches Pfund abstürzen

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Selbst unter Konservativen sorgt der neue Finanzminister mit seinem radikalen Steuersenkungsplan für Kopfschütteln.

(Foto: picture alliance/dpa/UK Parliament/AP)

Das britische Pfund stürzt dramatisch ab. Auslöser ist ein Plan, mit dem der neue Finanzminister Kwarteng die Wirtschaft eigentlich ankurbeln will. Doch Investoren befürchten, dass er das Gegenteil bewirken wird.

Mit ihrem Haushaltsvorschlag haben die neue Premierministerin Liz Truss und ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng die Finanzmärkte geschockt und das britische Pfund auf einen historischen Tiefstand stürzen lassen. Bereits am vergangenen Freitag war das Pfund in Reaktion auf Kwartengs milliardenschweren Neuverschuldungsplan um rund drei Prozent auf den tiefsten Stand seit 37 Jahren gefallen. Am frühen Morgen stürzte die britische Währung erneut zeitweise um fünf Prozent ab und stellte mit einem Kurs von 1,03 Dollar einen neuen Negativrekord auf. Zuletzt machte das Pfund ein Teil der Verluste wieder wett. Zugleich schossen die Renditen für britische Staatsanleihen in die Höhe. Das bedeutet, dass Investoren höhere Zinsen verlangen, wenn sie der britischen Regierung Geld leihen.

Britisches Pfund / Dollar
Britisches Pfund / Dollar 1,08

Das britische Pfund ist wie andere europäische Währungen, wie der Euro oder die schwedische Krone seit Monaten unter Druck, vor allem wegen der sich im Zuge der Energiekrise stetig verdüsternden Wirtschaftsaussichten auf dem Kontinent. Mit seinem jüngsten Absturz sticht das Pfund allerdings deutlich heraus. Derartige Kursbewegungen von mehreren Prozentpunkten innerhalb weniger Stunden sind für Währungen großer Industriestaaten wie Großbritannien höchst ungewöhnlich.

Ausgelöst hatte Finanzminister Kwarteng den Kursrutsch mit einer Überraschung bei der Vorstellung des Regierungshaushalts am Freitag. Zusätzlich zu den bereits aus Truss' Wahlkampf bekannten Plänen, die britischen Verbraucher bei den Energiekosten um mehr als 60 Milliarden Pfund zu entlasten und gleichzeitig verschiedene Steuern und Abgaben ohne Gegenfinanzierung zu senken, verkündete der Minister, er werde den derzeitigen Spitzensatz für die Einkommenssteuer komplett abschaffen. Menschen mit mehr als 150.000 Pfund zu versteuerndem Einkommen zahlen dann statt wie bisher 45 Prozent nur noch 40 Prozent Einkommenssteuer und damit denselben Satz wie Bezieher von Einkommen ab gut 50.000 Pfund.

Mit diesem Vorschlag löste Kwarteng zum einen eine Gerechtigkeitsdebatte aus, weil er in der aktuellen Energie- und Inflationskrise ausgerechnet die reichsten Briten mit Abstand am stärksten entlasten will. Das marktradikale Konzept dahinter: Durch die verringerte Steuerbelastung wird Geld für Investitionen und Konsum freigesetzt, was das Wirtschaftswachstum ankurbeln und mehr Wohlstand für alle schaffen soll.

"Entlastung" treibt Zinsen in die Höhe

Zum anderen lässt der Plan Investoren und Devisenhändler offensichtlich an der Bonität der britischen Regierung zweifeln. Ihnen reicht die vage Hoffnung auf ein anziehendes Wirtschaftswachstum nicht als Gegenfinanzierung dafür, dass die Neuverschuldung in den nächsten fünf Jahren um Hunderte Milliarden zusätzlich anwachsen dürfte. Innerhalb von Minuten nach Kwartengs Haushaltsrede im Unterhaus sprangen die Renditen für britische Anleihen nach oben während das Pfund abstürzte. Der Minister habe das Vertrauen der Investoren "erschüttert", kommentierte die "Financial Times". In vielen Medien war von einem beispiellosen marktliberalen "Experiment" die Rede, das die seit erst wenige Wochen amtierende Regierung durchführen wolle.

Die heftige Marktreaktion zeigt, dass die von den meisten Wirtschaftswissenschaftlern ohnehin bezweifelte Rechnung nicht aufgehen kann, derzufolge Steuersenkungen sich durch ein verstärktes Wirtschaftswachstum selbst finanzieren. Im Gegenteil: Der Anstieg der Anleihe-Renditen verteuert die geplante Neuverschuldung erheblich. Die dramatische Abwertung des Pfundes macht Importe einschließlich der für viele bereits kaum bezahlbaren Energie noch teurer und heizt damit die Inflation an. Das wiederum dürfte die Notenbank auf den Plan rufen. Zusätzliche Zinsschritte zu den bereits angekündigten gelten als sicher, wenn die Regierung Kwartengs Haushaltsentwurf umsetzen sollte. Am Finanzmarkt rechnen die Teilnehmer inzwischen mit einem Zinsniveau von mehr als sechs Prozent in Großbritannien im kommenden Jahr.

Insgesamt könnten die Steuersenkungen damit genau das Gegenteil von der Ankurbelung der Konjunktur bringen, die Kwarteng und Truss versprechen. Stattdessen dürften die Zinsen und damit die Kreditkosten für Unternehmen und Verbraucher steigen, die Inflation anheizen und das Wirtschaftswachstum so letztlich bremsen.