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Starke Polizei, Vorschulpflicht, Queerbeauftragter – Was Schwarz-Rot in Berlin plant

Es war noch einmal der ganz große Auftritt für Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Erst das Staatsbankett für den britischen König Charles III. in Schloss Bellevue. Am Donnerstagmorgen dann die Begrüßung des Königspaars im Nobelhotel Adlon, ein Gang über einen Wochenmarkt und schließlich, gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, auch zum Ankunftszentrum für ukrainische Kriegsflüchtlinge am Flughafen Tegel. Termine ganz nach dem Gusto der Noch-Regierenden. Giffey hat nie einen Hehl daraus gemacht, wie gerne sie ihre Stadt repräsentiert.

Doch damit ist bald Schluss. Denn bei der Wiederholungswahl am 12. Februar hatte bekanntlich die CDU die Nase vorn. CDU und SPD verhandeln über eine Große Koalition, Giffey tritt ins zweite Glied zurück, unter dem voraussichtlichen neuen Regierenden Bürgermeister Kai Wegner. Am Montag soll der Koalitionsvertrag der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Und deshalb ging es nach dem Abflug des Königs auch gleich wieder zurück an den Verhandlungstisch, wo die Themen Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung besprochen wurden. Am Freitag gehen die Koalitionsgespräche in die Schlussrunde, verhandelt werden dann noch Haushalt und Finanzen, die „Grundsätze der Zusammenarbeit“ und die Ressortverteilung. Die dicksten Bretter werden üblicherweise meist am Schluss gebohrt, weshalb das Abschlusstreffen auch mit Open End angesetzt ist.

Doch mit einer langen Nacht rechnet CDU-Landeschef Kai Wegner nicht unbedingt. „Mir machen die Koalitionsverhandlungen echt Spaß“, sagte er gut gelaunt in einer Verhandlungspause. „Das Beste für Berlin zu erreichen“, das sei das gemeinsame Motto für die nächsten dreieinhalb Jahre der noch laufenden Legislaturperiode, so Wegner – ein Satz, bei dem Giffey sogleich ihr wärmstes Lächeln anknipste.

Die Botschaft war klar: Hier stehen zwei, die sich verstehen. Schwarz und Rot, das kann funktionieren, auch wenn die Parteibasis noch abstimmen muss und Parteilinke und Jusos eifrig die „NoGroko“-Trommel rühren.

Tatsächlich lassen die bisher kommunizierten Verhandlungsergebnisse erahnen, dass die Sozialdemokraten nicht schlecht wegkommen bei diesem Bündnis – obgleich sie mit ihren 18,4 Prozent bei der Wahl fast zehn Prozentpunkte hinter der CDU lagen. Fünf Senatorenposten soll es für jeden geben, die CDU stellt zudem mit Wegner den Regierenden Bürgermeister. Man habe „sehr konstruktiv verhandelt“, sagt Giffey. „Einige werden überrascht sein, dass in diesem Koalitionsvertrag mehr steht als im bisherigen.“

„Berlin muss an allen Stellen funktionieren“

Einen der dicksten Batzen konnten die Verhandler in dieser Woche abräumen: Es soll eine Verwaltungsreform geben, die dafür sorgen soll, dass das ineffiziente Behörden-Pingpong zwischen Senat und Bezirken künftig ein Ende hat. „Wir sind hier angetreten mit dem ganz klaren Ziel, dass Berlin an allen Stellen funktionieren muss“, sagte Wegner. Berlin brauche eine Verwaltungsmodernisierung, Behörden müssten als Dienstleister für die Bürger verlässlicher und schneller arbeiten. Konkret solle dazu ein Gesetz erarbeitet werden, um die Zuständigkeiten zwischen Landes- und Bezirksebene klarer zu regeln, sagte Giffey.

Grundlage dafür sollen die noch vom bisherigen rot-grün-roten Senat erarbeiteten Eckpunkte für eine Verwaltungsreform sein. Vorgesehen ist darin auch eine Fachaufsicht der jeweiligen Senatsressorts über die Bezirksämter. Und auch ein anderes Projekt konnte die SPD aus dem Vorhabenplan der noch amtierenden Links-Koalition hinüberretten: die Absenkung des Wahlalters. „Wir wollen schnellstmöglich nach Mehrheiten suchen, um das Wahlalter 16 verfassungsfest zu beschließen“, kündigte SPD-Co-Parteichef Raed Saleh an.

Schon vor zwei Wochen hatten die künftigen Koalitionäre sich dem Thema Klimaschutz gewidmet – und die Schaffung eines bis zu zehn Milliarden Euro schweren „Sondervermögens Klimaschutz“ beschlossen. Von dem Geld sollen Ausgaben in den Bereichen Gebäudesanierung, Mobilität und Energiegewinnung finanziert werden. Ein Beschluss, der erkennbar unter dem Eindruck des letztlich gescheiterten Klima-Volksentscheids stand – den die Aktivisten aber durchaus als Erfolg auch für ihre Mobilisierungsarbeit verbuchen dürfen.

Aber auch die klassischen CDU-Themen kamen in den Verhandlungen nicht zu kurz. So wollen CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zur Unterstützung von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften verankern. „Wir haben das Versprechen abgegeben, dass wir die Sicherheit der Stadt gewährleisten“, sagte Wegner. Dazu solle die Polizei besser und moderner ausgestattet werden, auch mit Bodycams und Tasern. Zudem soll die Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten ausgebaut werden.

Und auch in der Bildungspolitik wurden bereits erste Festlegungen gemacht. So will Berlin das ausgelaufene Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ mit Landesmitteln fortsetzen. Und für Kinder mit Sprachförderbedarf gilt künftig ein verpflichtendes Vorschuljahr, genannt „Kita-Chancenjahr“. Das ist in Berlin zwar eigentlich bereits vorgeschrieben, wird aber noch zu wenig verbindlich gehandhabt.

Unter Schwarz-Rot soll Berlin außerdem erstmals einen Queer-Beauftragten bekommen – „ein Punkt, der der CDU, aber auch uns sehr wichtig war“, wie Saleh betonte. Zudem werde das Abgeordnetenhaus eine Enquete-Kommission einrichten, die sich mit Rassismus in Gesellschaft und Verwaltung befassen soll.

Punkte, mit denen die Verhandlungsführer der Sozialdemokraten erkennbar auch die parteiinternen Kritiker ins Boot holen wollen. Vor allem die Jusos wehren sich vehement gegen ein Bündnis mit der von ihnen als „rassistisch“ empfundenen CDU. Die Jugendorganisation hat deshalb zur „größten parteiinternen Kampagne, die die SPD Berlin je gesehen hat“ aufgerufen.

„Es sind zwei Parteien, die die Möglichkeit haben, eine Regierung zu führen“

Der Kampf ums Rote Rathaus in Berlin hat begonnen. Der klare Wahlsieger CDU pocht darauf, ein Zweierbündnis mit Grünen oder SPD zu schmieden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wirbt dafür, dass sich die Bundesparteien aus der Regierungsbildung heraushalten.

Quelle: WELT | Franca Lehfeldt und Carsten Hädler

„Unsere Kampagne läuft nach Plan“, sagte Juso-Chefin Sinem Tasan-Funke WELT. Drei mitgliederstarke SPD-Kreisverbände hätten sich bereits gegen Schwarz-Rot positioniert – und sie sei zuversichtlich, dass weitere folgen werden. „Das zeigt uns: Es ist die Parteispitze, die diese Koalition unbedingt will. Die organisierte Basis der Partei ist in der Frage zu großen Teilen auf unserer Seite.“

Im Parteivorstand der Berlin-SPD sieht man das anders. In den Beschlüssen finde sich vieles aus dem Wahlprogramm wieder, sagt etwa Beisitzer Kevin Hönicke. „Wer inhaltlich orientiert an die Frage geht, wird in der ausgehandelten Vorlage die SPD deutlich wiedererkennen, sodass ich frohen Mutes mich auf die Abstimmung freue.“

Während bei der CDU ein Landesparteitag über den Eintritt in die Koalition entscheidet, haben bei der SPD die Mitglieder das Wort. Am 23. April soll das Ergebnis bekanntgegeben werden.

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