Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Streit wegen "Doppelwumms": EU will gemeinsame Schulden für Gas-Hilfe - Lindner dagegen

Streit wegen "Doppelwumms" EU will gemeinsame Schulden für Gas-Hilfe - Lindner dagegen

b838e71010fc6d27e536823a4a660db2.jpg

Lindner in der Bundestagssitzung am vergangenen Freitag. In Luxemburg erteilte der Finanzminister nun Forderungen nach gemeinsamen Schulden in der EU eine Absage.

(Foto: REUTERS)

Der Abwehrschirm gegen hohe Energiepreise ist auch ein "Doppelwumms" vor die Köpfe vieler EU-Staaten. Sie fürchten, dadurch weiter hinter das reiche Deutschland zurückzufallen. Sie fordern eine europäische Lösung mit gemeinsamen Schulden. Finanzminister Lindner reagiert fast allergisch.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat Forderungen aus der EU-Kommission zurückgewiesen, in der Energiekrise ein Nothilfeprogramm über gemeinsame Schulden zu finanzieren. Die EU könne die Instrumente der Corona-Pandemie nicht "eins zu eins" auf die heutige Lage übertragen, sagte der FDP-Chef beim EU-Finanzministertreffen in Luxemburg. "Diese Krise unterscheidet sich von der Corona-Pandemie sehr deutlich."

In der Corona-Krise hatte die EU einen Wiederaufbaufonds von 750 Milliarden Euro aufgelegt. Finanziert wird er durch Gemeinschaftsschulden, die die EU-Kommission aufnimmt. Die Bundesregierung hatte 2020 gemeinsamen Schulden erstmals überhaupt zugestimmt und betont, es handele sich um eine einmalige Ausnahme. Gemeinsame Schulden bedeuten, dass Deutschland auch für andere EU-Mitglieder haftet. Dagegen plädierte Lindner nun für gemeinsame Gaseinkäufe. "Wir müssen beim gemeinsamen Gaseinkauf Fortschritte machen", sagte er.

EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni forderte hingegen erneut eine europäische Lösung in der Energiekrise. "Wenn wir eine Zersplitterung vermeiden und diese Krisen bewältigen wollen, brauchen wir meiner Meinung nach ein höheres Maß an Solidarität und müssen andere gemeinsame Instrumente einführen." Er nannte als Beispiel das Sure-Programm, welches in der Pandemie Kurzarbeitsprogramme durch günstige EU-Kredite ermöglicht hat. Lindner hält Vorschläge, die sich an das Sure-Programm anlehnen, derzeit jedoch nicht für geeignet, wie er in Luxemburg klarstellte.

Befürchtung: Deutschland verschafft sich Vorteil

Gentiloni und der Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton hatten an diesem Dienstag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für "europäische Instrumente" auf Schuldenbasis geworben. Es gebe "Mitgliedstaaten, die nicht über denselben haushaltspolitischen Spielraum wie Deutschland verfügen" und deshalb womöglich ihre Verbraucher und Wirtschaft nicht gleichermaßen unterstützen könnten, heißt es in dem Text. "Mehr denn je müssen wir vermeiden, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu verzerren", mahnen deshalb die beiden Kommissare. "Wir dürfen keinen Subventionswettlauf starten und so die Grundsätze der Solidarität und Einheit, die den Erfolg unseres europäischen Projekts begründen, infrage stellen."

Deutschland hatte zuvor viel Kritik von anderen EU-Ländern und auch aus der Kommission für den 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm geerntet, den Kanzler Olaf Scholz als "Doppelwumms" bezeichnet hatte. Er soll Haushalte und Unternehmen vor hohen Energiepreise schützen. Da Russland kaum noch Gas an Europa liefert, sind die Gas- und auch die Strompreise stark angestiegen. Es wurde nun befürchtet, dass Deutschland sich durch das Entlastungspaket einen Vorteil gegenüber anderen Ländern verschaffen könnte.

Konkret werden etwa Bedenken geäußert, Deutschland unterstütze seine Unternehmen in einer Größenordnung, mit denen kleinere Staaten nicht mithalten können. Länder wie Italien, Spanien oder Frankreich fordern daher gemeinsame Maßnahmen - im Gespräch ist auch ein europäischer Gaspreisdeckel, den die Bundesregierung bislang skeptisch sieht. Auf gemeinsame Gaseinkäufe hatten sich die EU-Staaten indes bereits im März geeinigt, eine gemeinsame Koordinierungsplattform hat jedoch erst wenig Konkretes geliefert.

Lindner sagte in Luxemburg, viele hätten "noch nicht wahrgenommen", dass der 200-Milliarden-Abwehrschirm auf die Zeit bis 2024 gerichtet sei. Auch seitens der EU-Kommission sei "noch nicht vollständig erkannt" worden, dass es nicht um eine Maßnahme nur für das Jahr 2022 gehe.