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Tafel in Pforzheim braucht selbst Hilfe: PZ-Aktion unterstützt mit monatlicher Spende

Pforzheim. Tumult am Eingang der Tafel Ost im ehemaligen Post-Areal an der Zeppelinstraße. Eine aufgebrachte ältere Dame beschimpft Martin W. (Name geändert). Er ist – durch seine muskulöse Statur – für den Einlassdienst zuständig. Aufgebracht wedelt die Frau ihre Nummer 32 hin- und her. „Wann bin ich endlich dran? Ich warte schon so lange“, schreit sie ihn an. Martin W. hat genauso dicke Nerven wie Oberarme: „Setzten sie sich bitte. Sie sind gleich dran.“ Er ist verantwortlich, dass die Menschen, die zum Einkaufen kommen, eine Berechtigung dazu haben und kontrolliert die Losnummer. Die ältere Dame ist schwerhörig. „Die Nummer 32 wurde mehrfach aufgerufen ohne Reaktion.“ Die Seniorin muss also warten.

Sonja Winter, Geschäftsführerin der GBE, erklärt: „Die Stimmung ist oft schlecht.“ Früher galt: „First come, first serve – wer zuerst kommt, malt zuerst“, berichtet Thomas Murphy, Prokurist der GBE. Als die Leute aber begannen, ab 7.30 Uhr wartend vor der Türe zu stehen, sei das Team auf das Lossystem umgeschwenkt. Ein Block von Berechtigten umfasst 25 Personen. Diese werden bedient. Dann wird die Tafel geschlossen, um die Ware wieder aufzufüllen. „Dann wird erneut gelost.“

Heute sei ein guter Tag für die Kunden, sagen die Mitarbeiter. Gestern habe es eine große Lieferung frischer Lebensmittel gegeben. Tatsächlich. „Heute bekommt jeder Joghurt, der einen haben möchte“, so Murphy weiter. Knackiger Fenchel und viel Lauch liegen ebenso in der Auslage bereit wie Backwaren vom Vortag.

Was es in der Tafel zu kaufen gibt, ist nicht vorauszusehen. „Das wissen wir erst, wenn das Auto auf dem Hof steht.“ Vorsortiert wird bereits beim Händler. „Wir sind nicht der Abfallverwerter.“ Auf dem Hof wird ausgeladen und sortiert. Verwertet werden beispielsweise Zitronen, aus deren Netz eine kaputt ist. „Das ist die Hauptarbeit.“ Dafür sind Mitarbeiter der GBE verantwortlich, „Langzeitarbeitslose, die zur Stabilisierung hier tätig sind“, so Sonja Winter. Im Laufe des Vormittags wird die Tafel immer wieder für kurze Zeit geschlossen. „Dann füllen wir auf, damit für jeden, egal wann er kommt, das ungefähr gleiche Angebot gekauft werden kann.“ Denn umsonst ist der Einkauf in der Tafel nicht. „Gerade wenn Kinder dabei sind, ist es wichtig, dass die Mama bezahlt“, so Murphy weiter.

Inzwischen läuft der Verkauf. Jeder Kunde wird, nachdem er seinen Tafelausweis mit Foto und Hinweis für wie viele Personen eingekauft werden darf, gezeigt hat, von einem Mitarbeiter der GBE bedient, bei jedem Einkauf aber von einem anderen. Und dann kann es losgehen.

GBE-Mitarbeiterin Katherina Schneider hilft Tatyana Kachanova fürsorglich beim Aussuchen. Und für das PZ-Team übersetzt sie kurzerhand. Kachanova spricht ukrainisch. Sie kommt mindestens zwei Mal pro Woche zur Tafel. Sie kommt aus dem Osten der Ukraine, nahe der Grenze zu Russland. Zur Flucht hat sie sich entschieden, als zu viel geschossen wurde. Mit ihrem Vater und ihrer Schwester ist Kachanova gegangen und seit Oktober in Pforzheim. Die Reise über Polen war kräftezehrend. Sie ist sich des großen Glücks, dass sie hier sein darf, bewusst. Die Ukrainerin ist auch mehr als glücklich, dass sie bei der Tafel einkaufen darf. „Den Supermarkt können wir uns nicht leisten“, sagt sie. „Hier gibt es die gleichen Lebensmittel nur günstiger.“ Sie leben sparsam, ihr Essen ist einfache Kost. Es wird nur das Notwendigste gekauft. „Bei der Tafel fühle ich mich wohl. Hier erhalte ich sehr gute Hilfe.“ Über eine Fünf-Liter-Box Fertig-Rührei freut sich Kachanova besonders. „Ich wusste gar nicht, was das ist“, verrät die Frau. Die Tafel-Mitarbeiter sind international wie auch die Kunden und so ist immer jemand da, der beim Übersetzen helfen kann. Kachanova ist überhaupt dankbar. Für alles.

Auf die Frage nach ihrer Familie wird die Ukrainerin noch nachdenklicher, als sie eh schon ist. Ihre Söhne dürfen nicht ausreisen, sie leisten Militär-Dienst. „Sie sind aber nicht an der Front.“ Dann wird Kachanova noch leiser und holt tief Luft. „Meine Schwiegertochter ist beim Militär und derzeit an der Front.“ Dann bricht sie das Gespräch ab. Mehr als verständlich. Tafel-Mitarbeiterin Katherina Schneider kommt und nimmt Kachanova tröstend in den Arm. In der Tafel gibt es schließlich mehr als nur Lebensmittel – wie Sonja Winter und Thomas Murphy schon sagten.