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Tchouaméni erlaubt Mbappé-Show: Urplötzlich brilliert Frankreich mit einem Toni Kroos

Tchouaméni erlaubt Mbappé-Show Urplötzlich brilliert Frankreich mit einem Toni Kroos

Frankreich zaubert sich gegen Polen und Robert Lewandowski dank einer unglaublichen Show von Kylian Mbappé ins WM-Viertelfinale: Doch die Fäden im Spiel von Les Bleus zieht ein 22-Jähriger. Aurélien Tchouaméni ist der französische Toni Kroos und schon als Jungspund ein Boss.

Les Bleus, das sind klangvolle Namen. Kylian Mbappé, Antoine Griezmann, Olivier Giroud oder Ousmane Dembélé. Sie stehen für Spektakel, ihre Dribblings und Tore sind die Highlights der bei dieser WM in Katar stark aufspielenden Franzosen. Sie laufen hoch und runter im TV, bei Tiktok, Instagram und auf den sonstigen sozialen Medien.

Aber der neue Boss auf dem Platz der Franzosen ist ein 22-jähriger Jungspund, auch wenn beim 3:1 (1:0)-Sieg gegen Polen im WM-Achtelfinale im Al Thumama Stadion im Süden von Doha natürlich Doppelpacker Mbappé in aller Munde ist. Aurélien Djani Tchouaméni. Er ist der Grasfresser im Team von Didier Deschamps, der Staubsauger. Ein Sechser, wie ihn das deutsche Team so sehr gebraucht hätte. Und der junge Mittelfeldchef ist ein Ballmagnet und -verteiler. Ein Relais, beinahe eine Kopie von Ex-DFB-Star Toni Kroos - von dem er sich bei seinem Verein Real Madrid den ein oder anderen Trick abgeschaut hat.

"Es war nicht einfach. Die Polen waren sehr gut organisiert", sagt Frankreichs Trainer Didier Deschamps nach der Partie und lobt die "Mannschaftsleistung von Anfang an". Viertelfinale, das tue gut. Der Coach hebt zwar keinen Spieler heraus, aber, weil er extra noch mal rühmt, das Team habe "richtig gearbeitet", darf sich Tchouaméni, der Mittelfeldarbeiter und französische Kroos, besonders auf die Schulter klopfen.

Tchouaméni - beeindruckend unaufgeregt

Mit gerade einmal 17 Länderspielen auf dem Buckel weist Tchouaméni selbst zwar das Etikett des Führers der neuen französischen Generation zurück, doch Jungstar ist es, der die Verantwortung in der wichtigen defensiven Zentrale der Franzosen übernimmt. Während er bei Real, über Bordeaux und Monaco wechselt er im Sommer zu den Königlichen, etwas offensiver agiert, startet er im Achtelfinale wie in den Gruppenspielen als alleiniger zentraler Sechser. Ein Stück hinter Adrien Rabiot, mit dem er sich blendend versteht, obwohl sie vor der WM kaum gemeinsame Einspielzeit haben.

Tchouaméni ist es, der den vielen Offensivkünstlern um Mbappé den Rücken freihält. So steht er auch gegen die Truppe von Weltfußballer Robert Lewandowski zentral vor der Abwehr und verteilt im Spielaufbau die Bälle. Es sind einfache Bälle. Der 22-Jährige sucht keine Instagram-Highlights und agiert in seinem Spiel auf beeindruckend unaufgeregt. Als hätte er schon in etlichen WM-K.o.-Runden gestanden. Seine diagonalen Bälle haben zwar noch nicht Kroos' Qualität, dafür kann er mit mehr Athletik überzeugen, etwa wenn er den Körper reinstellt und einige der vielen polnischen Bälle abfängt.

Rückt einer der Innenverteidiger für einen Zweikampf aus der Viererkette, zieht sich Tchouaméni dafür zurück. Auch für den einfachen Rückpass zu Keeper Hugo Lloris ist er sich nie zu schade. Vor allem läuft er aber clever jedes Loch zu und lässt die Polen somit überhaupt nicht zur Entfaltung kommen. Experten, die Frankreich durch den Ausfall von Mittelfeldmotor N'Golo Kanté als arg geschwächt betrachteten, dürften sich eines Besseren belehrt sehen.

Das Duell der Franzosen mit Les Bleus ist zunächst ein langes Abtasten. Dann sorgt aber ausgerechnet der Mann für das erste Ausrufezeichen, der in der Defensive die Fäden zieht und nicht die Mbappés oder Dembélés. Tchouaménis Fernschuss in der 13. Minute stellt Keeper Wojciech Szczesny vor eine erste Probe.

Giroud überholt Henry

Frankreich gelingt sonst wenig. Über die sonst so gefährlichen Außen kommt wenig. Jules Koundé zieht, aufgelegt von Tchouaméni, auch mal aus der Ferne ab und Giroud verpasst knapp nach Dembélé-Vorarbeit. Aber abseits. Mitte der ersten Hälfte überlassen Les Bleus den Polen viel Ballbesitz, Tchouaméni muss viele Räume zulaufen und Zweikämpfe gewinnen. Aber Lewandowski und Co. wissen mit dem Spielgerät nichts anzufangen. Es ist ein komisches Spiel. Frankreich will nicht, Polen kann nicht.

Dann aber ergeben sich aus dem Nichts riesige Löcher wie Möglichkeiten, weil beide Mannschaften sich katastrophale Fehler leisten. Nur Tore schießen will niemand so richtig. Bei einer hochkarätigen Doppel-Chance der Polen hat Frankreich viel Glück, auf der anderen Seite wird Mbappé ein ums andere Mal geblockt oder gestellt.

Doch vor der Pause wacht die Équipe Tricolore noch einmal auf. Nach einem simplen Steckpass auf den clever durchstartenden Giroud stellt Frankreich in der 44. Minute auf 1:0. Der Stürmer trifft aus der Drehung direkt platziert ins rechte lange Eck - und trägt sich mit nun 52 Toren in die Geschichtsbücher als bester Torschütze aller Zeiten des Landes ein (vor Legende Thierry Henry).

Nach der Pause lässt sich Frankreich wieder etwas mehr fallen und Tchouaméni, der mit 59 Ballberührungen die meisten in der ersten Halbzeit aufzuweisen hat, zieht weiter unaufgeregt und unauffällig die Fänden. Fallen Spielertypen seiner nicht groß auf, machen sie alles richtig im Spiel. Das galt schon bei Kroos in der DFB-Elf und gilt immer noch über ihn bei Real. Die Lektionen vom ehemaligen Nationalspieler und von Kroatiens Luka Modric scheinen sich ausgezahlt zu haben. "Man lernt jeden Tag, wenn man mit ihnen zusammenarbeitet", erzählt Tchouaméni bei mehr als einer Gelegenheit.

Nach einem tollen, aber abgefälschten Mbappé-Abschluss und einem Giroud-Traumtor per Fallrückzieher, das wegen eines zuvor begangenen Foulspiels nicht zählt, verpuffen wirklich alle polnischen Angriffsversuche. Lewandowski ist nicht zu sehen. Das liegt auch an der guten Organisation durch Tchouaméni. Das Spiel plätschert dahin, Zuschauer gähnen. Jeder hier im Stadion merkt schon jetzt, dass hier absolut nichts mehr anbrennen wird.

Die wilde Mbappé-Show

Und so wechselt Deschamps in der 66. Minute den mit Gelb verwarnten Mittelfeldchef Tchouaméni lieber rechtzeitig aus, bevor seine wichtige Schachfigur im Viertelfinale gegen England fehlt. Der neue Frankreich-Boss, der stille Lenker, überzeugt zu dem Zeitpunkt mit Toni Kroos-Werten: 79 Ballkontakte (Theo Hernández hat die zweitmeisten mit 63), 72 Pässe, 89 Prozent Passgenauigkeit.

Anschließend beginnt die große Mbappé-Show, weil Polen nicht mal einen Funken Interesse zeigt, an diesem Fußballspiel teilzunehmen. Die Équipe spielt mal einen Konter sauber aus, Mbappé hat nach dem Zuspiel über Giroud und Dembélé viel zu viel Platz und wird überhaupt nicht angegriffen. Humorlos haut er den Ball aus dem Strafraum zum 2:0 in die Maschen (74.). Das Spiel ist endgültig entschieden, von den gut 40.000 Fans verlassen bereits einige das Stadion.

Doch bevor Robert Lewandowski einen Elfmeter in der Nachspielzeit erst kläglich verschießt, um dann beim Wiederholungsversuch (Lloris hatte die Torlinie zu früh verlassen) doch noch zum polnischen Ehrentreffer einzunetzen, setzt Frankreich noch einen drauf. Mbappé erhält am linken Strafraumeck die Kugel. Ein kurzer Wackler und sein Gegenspieler ist abgeschüttelt. Der Stürmer dreht sich mit einer einfachen Bewegung aus der Bewachung und zirkelt mit seiner unnachahmlichen Schusstechnik den Ball in den Winkel des langen Torecks (90.). Traumtor zum 3:0.

Mbappé ist ein Phänomen. Mit seinen erst 23 Jahren überholt er in der WM-Torjägerliste bereits einen gewissen Lionel Messi und zieht mit Cristiano Ronaldo gleich. Neun Treffer beim größten Turnier der Welt sind es nun, Miroslav Kloses Rekord von 16 Toren dürfte bei Mbappés Tempo, in vier Spielen in Katar erzielt er fünf Tore und gibt zwei Vorlagen, bald geknackt werden. Für die Rückendeckung bei seinen vielen Buden muss er sich auch bei Frankreichs Toni Kroos, bei Aurélien Tchouaméni bedanken.