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Teuner & Oetker gehen essen: Stern weg? Jetzt erst recht!

Diese Woche guckt der Moderator mit einem zarten Lamm in die Sterne und fragt mal nach, was es mit einem Sterne-Koch macht, wenn man ihm einen Stern wegnimmt. Fazit vorweg: Mit dem Essen des fantastischen Klaus Erfort hat dieser Umstand zum Glück nichts gemacht.

Er nahm das Jagdgewehr, das ihm seine Frau zwei Jahre zuvor geschenkt hatte. Richtete es auf sich selbst. Und drückte ab. Das abrupte Ende einer großen Karriere. Das war 2003 in Saulieu im Burgund. Der Mann, der seinem Leben ein Ende setzte, war Bernard Loiseau, einer der höchstbewerteten Köche Frankreichs. Wahrscheinlicher Grund für den Freitod, der Schockwellen durchs Land sandte: Der Guide Michelin soll drauf und dran gewesen sein, Loiseau den dritten Stern abzuerkennen. Und kurz vor dem tödlichen Schuss stufte der Gault & Millau Loiseau von 19 auf 17 Punkte herab. Der große Paul Bocuse kommentierte das so: "Bravo, Gault & Millau, Sie haben gewonnen, Ihre Einstufung hat ein Menschenleben gekostet."

Was macht es mit einem Koch, wenn er vom Olymp gestoßen wird? In diesem Jahr hat es Joachim Wissler vom Vendôme in Bensberg erwischt. Ein Jahr vorher war Klaus Erfort dran. Ich treffe Erfort in seinem Gästehaus in Saarbrücken und spreche mit ihm über den verlorenen Stern. Ich tue das aber erst nach einem Menü, das so wirkt, als sage sich Erfort gerade: "Jetzt erst recht!"

Zwiebel 2.0

Von den Amuses Bouche, die hier délices heißen, sticht eines heraus: Auster mit Gurke und Ingwer. Kühl, meerig, knackig, mit wunderbarer Hintergrundschärfe. Als Nächstes esse ich Erforts "Cippolini-Zwiebeln". Die cippoline sind in ihrer Schlichtheit fast perfekt. Erfort karamellisiert die flachen und mild-aromatischen Zwiebeln mit Puderzucker, dann kommen sie mit Heu, Südtiroler Bauchspeck, Rosmarin und Thymian in Salzteig und werden gar gebacken. Der Kellner öffnet das Päckchen am Tisch und fügt karamellisierte Geflügelhaut, eine aus reduzierter Rinderbrühe, Sahne und Périgord-Trüffelsaft montierte Soße und schwarze Trüffel hinzu. Zwiebelzweipunktnull. Sie schmilzt im Mund.

Als Nächstes kommt "Gemüseacker mit bretonischem Hummer, Olivenkrokant und pochiertem Wachtelei", der edelste aller Edelsalate, einer von Erforts Klassikern und eigentlich immer auf der Karte. "Die Hummer müssen ganz frisch gekocht werden. Nach zweieinhalb Minuten holen wir sie aus dem Wasser, brechen die Scheren ab und werfen die noch einmal zweieinhalb Minuten rein. Der Panzer um sie herum ist so dick, dass sie etwas länger brauchen als die Schwänze", sagt Erfort. Am Ende ist alles zart, hat trotzdem Biss und dazu die Hummer-Süße, die ich so liebe. Bei diesem Besuch kombiniert Erfort den Hummer mit Zucchini, Karotten, grünem Spargel und allerlei Kräutern. Den Unterschied macht das Dressing: Es ist aus Olivenöl, Essig und umami-sattem Dashi.

"Wollen wir das noch einschieben?"

Erfort, der bei Claus-Peter Lumpp und Harald Wohlfahrt gelernt hat, improvisiert gerne; Stammgäste, von denen viele aus Frankreich kommen, fragt er schon mal: "Ich habe gerade tolles Kalbsbries gekriegt. Wollen wir das noch einschieben?" Später steht ein meisterhaftes Gericht vor einem, das man so noch nie auf der Karte gesehen hat und auch danach wohl nicht sehen wird.

Weiter geht es mit dem Menü in einem der schönsten Speisesäle in Deutschland, einem hellen, hohen Raum in einer Saarbrücker Patriziervilla mit Rauten-Parkett, minimalistischer Dekoration und wundervollem Blick auf sattgrün leuchtenden Rasen. An der Rotbarbe zeigt sich einmal mehr, wie gekonnt Erfort mit asiatischen Aromen spielt. "Die Barbe muss extrem frisch sein", sagt er. "Das sieht man am Bauch. Der ist zart und dünn und platzt leicht auf. Der Bauch meiner Barben muss immer ganz sein." Erfort flämmt den Fisch mit dem Bunsenbrenner ab und lässt ihn kurz im Holzkohlegrill nachgaren. Kombiniert wird die Barbe mit einem Ramen-Sud aus einer leichten Kalbsjus, Algen, Bonito-Flocken, Zitronengras, Kaffir-Limette und Ingwer. Leicht und doch kräftig. Ergänzt sich perfekt mit dem markanten Geschmack der Barbe und den Krustentiernoten ihrer roten Haut.

Süffigkeit und Finesse paart Erfort im Hauptgang, bei Keule und Bauch vom Milchlamm aus den Pyrenäen. Die Keule gart er im Vakuum, mit Rosmarin, Thymian, Olivenöl und ein wenig Zucker. Und verpasst ihr dann am Spieß Knusprigkeit und Röstnoten. Den Bauch, der im Mund betörend saftig ist, kocht er sanft in Kalbsjus und Weißwein. "Weißwein?", frage ich ihn erstaunt. "Ja. Bei Milchlamm immer. Rotwein und Portwein wären zu kräftig für das zarte Lamm und würden seinen Geschmack erschlagen". Das ist ein weiteres Kennzeichen von Erforts Küche: sein Gespür für die richtige Balance, das millimetergenaue Austarieren von Süße, Säure, Salzigkeit, Bitternoten und Umami.

Ibiza oder Saarbrücken?

Nach dem Käse von Maître Anthony, zwei Desserts und den petites sucreries spreche ich mit Erfort. Und möchte erfahren, wie er sich fühlte im Moment der Stern-weg-Nachricht. "Da schluckt man erst einmal und sagt sich: Mist, jetzt ist es doch passiert." Warum es passiert ist? Was man ihm gesagt hat? "Der Michelin-Chef hat am Tag vor der Vorstellung des neuen Guide Michelin angerufen. Wir haben eine Stunde telefoniert. Er hat mir die Testberichte vorgelesen." Erfort will nicht wirklich in die Details gehen, lässt aber erkennen, dass Gemüse, Fisch und Fleisch aus Sicht des Michelin zu oft nicht perfekt gegart gewesen sind - zu kurz oder zu lang. Warum ihm, einem Großmeister seines Fachs, das passieren konnte? Er sei in einer anderen Lebensphase gewesen, sagt er sinngemäß und habe gedacht, es sei nicht so schlimm, wenn er nicht jeden Tag selbst in der Küche steht. Zeitweise war Erfort gedanklich und physisch weit weg. Ibiza statt Mainzer Straße.

Das ist jetzt vorbei. Erfort steht wieder jeden Tag in der großen, modernen, vollverglasten Küche seines Restaurants, das jetzt eben "nur" zwei Sterne hat. "Ich kaufe nicht schlechter ein, ich habe nicht weniger Personal." Bei Auslastung und Umsatz sei auch alles gleichgeblieben - von der Corona-Delle abgesehen, die alle erwischt habe. Ich merke an dieser Stelle an, dass auch der Preis fürs Menü gleichgeblieben ist.

Und Loiseau? Ob der verlorene Stern ihm so wie dem Kollegen in Frankreich den Boden unter den Füßen weggezogen hat, will ich wissen. "Eigentlich hätte ich gedacht, ich würde viele Wochen im Gefühlskeller verbringen. Aber so war es nicht. Ich habe mich einmal kräftig geschüttelt und mir gesagt: Das Leben geht weiter."

Klaus Erfort empfiehlt diese Weine:

2018 St. Aubin Les Pitangerets von P. Pillot. Monsieur Pillot ist Purist. Er baut seine Weine 18 Monate in 350-Liter-Eichenholzfässern aus - mit nur 10 Prozent neuem Holz. "In der Nase hat er gelbe Blüten und Frucht. Im Mund spürbare, aber zurückhaltende Säure, eine gute Tiefe und ein wenig Holznoten. Gute Länge, hinten heraus schön nussig." (circa 35 Euro bei www.weine-wuttke.de)

2009 Côte-Rotie Côte-Rozier von P.&C. Bonnefond. Die Brüder Bonnefond haben sich innerhalb weniger Jahre in der Elite der Winzer der nördlichen Rhône etabliert. Ihre Weine sind Musterbeispiele für moderne Côte-Rôtie. "Komplexe Nase mit floralen und Gewürznoten. Im Mund schwarzer Pfeffer, dunkle Beerenfrüchte und Veilchen. Kräftige Tannine." (49,50 Euro bei www.weine-wuttke.de)