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Titel, Trauer, schwere Vorwürfe: Der FC Bayern weiß nicht, wie ihm geschieht

In einem Herzschlagfinale sichert sich der FC Bayern tatsächlich noch die Meisterschaft. Weil Borussia Dortmund erst Panik hat und dann verzweifelt. Weil die Münchner ihren alten Punch zur Primetime der Saison wiederfinden. Alles gut? Das Gegenteil ist der Fall.

Diese unglaubliche Meisterschaft des FC Bayern wirkte wie Kitt auf die Scherben der Saison. Doch der Kitt wirkte nur Sekunden. Kaum waren die wie von allen Lasten befreiten Fußballer dabei, ihr erzittertes Glück über das denkbar kleinste Happy End dieser auf allen Ebenen vergeigten Spielzeit aus sich herauszuschreien, da war schon der nächste Hammer über diesen Verein hereingebrochen, der derzeit kaum noch weiß, wie ihm geschieht. Es hat sich an diesem absurd wilden Samstagnachmittag ausgetitanisiert und ausgebrazzot. Klubboss Oliver Kahn ist Geschichte, Sportvorstand Hasan Salihamidžić ebenfalls. Christian Dreesen übernimmt.

In einer vorgezogenen Aufsichtsratssitzung am Freitag wurde der Amts-K.-o. für das seit Monaten, eigentlich von Anfang an kritisierte Führungsduo demnach beschlossen. Öffentlich sei das nicht gemacht worden, hieß es vom Klub, um sich sportlich auf die letzte Aufgabe, auf den letzten noch irgendwie möglichen Titel zu fokussieren. Das hat geklappt. Alles andere nicht. Die Nachricht platzte über die Kanäle "Bild" und "Kicker" auf die Welt hinein und dabei in die Feier des seltsamsten Titels der vergangenen Jahrzehnte. Nicht kraftstrotzenden hatten sich die Bayern die Schale gesichert, sondern wankend, in einem unterhaltsamen Stolperduell mit dem BVB.

Eine Zäsur?

In München waren sie wieder einmal bemüht, die Dinge irgendwie einzufangen, die ihnen in dieser Spielzeit viel zu oft weggaloppiert waren. Etwa die Abrechnung des physisch und psychisch schwer verletzten Torwarts Manuel Neuer via "Süddeutsche Zeitung", dem die Entlassung seines Kumpels und Torwarttrainers Toni Talapovic noch mehr zusetzte als die Folgen seines Skiunfalls. Oder der unfassbare Leak zur Entlassung von Trainer Julian Nagelsmann und der gleichzeitigen Übernahme von Thomas Tuchel. Das sind nur die wildesten Auswüchse von zahlreichen Episoden, die diesen Klub nie zur Ruhe kommen ließen. Auch weil die nun entmachteten Bosse nie die Hoheit hatten.

Für ihr Aus gibt es zahlreiche gute Gründe. Das schlechte Krisenmanagement, die fatalen Fehler bei der Kaderzusammenstellung. Topspieler, die nicht funktionierten, Planstellen, die nicht besetzt wurden, und eine zerstörte Hierarchie, die sich nie heilen konnte. Der Klub wankt, die Bosse müssen weichen. Einen solchen Einschnitt hat es beim Rekordmeister lange nicht gegeben. Vielleicht noch nie. Immer wieder wurde der Vergleich mit der Saison 2011/12 gezogen. Der BVB war oben auf, der FC Bayern nicht. Sportdirektor Christian Nerlinger flog, Matthias Sammer kam. Aber: Eine mächtige Konstante gab es immer. Meistens sogar zwei: Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge.

Und der Patriarch vom Tegernsee darf ganz sicher als eine der treibenden Kräfte hinter dem Aus der beiden Ex-Spieler an der Klubspitze verstanden wissen. Hoeneß hatte seinen FC Bayern, seine Familie, sein Heiligtum in die Hände von Kahn und Salihamidžić gegeben und mitansehen müssen, wie aus dem einst vor Kraft und Stolz strotzenden Koloss ein klappender Riese geworden war. Noch nicht gebrochen, aber immer mehr nach Halt suchend.

Ein wütender Titan

Nun muss sich alles neu finden. Der Trainer, der zumindest nicht völlig geschwächt aus der Saison geht und die Bosse, die finanzkräftige Entscheidungen für ein neues Gerüst der Mannschaft treffen müssen. Für die Meisterschaft mag ein seit Jahren schwächer gewordener Kader immer noch reichen, für den Griff nach der europäischen Krone eher nicht. Denn das, was sich etwa Real Madrid und Manchester City teilweise im Halbfinale der Champions League lieferten, wirkte wie ein anderes Spiel, ein verdammt teures. Fehler auf und neben dem Platz werden gnadenloser bestraft als zuvor. Mit schlechten Ergebnissen und versenkten Millionen-Summen. Der Draht, auf dem es zu balancieren gilt, er wird immer schmaler. Der Tanz auf ihm immer gefährlicher.

Noch wichtiger aber ist für den FC Bayern: die Löcher stopfen, aus denen immer wieder Interna an die Öffentlichkeit sickern und für Ruhe sorgen, die Hoheit über Bilder und Meldungen zu bekommen. Auch daran mangelte es an diesem Samstag wieder nicht. Nicht nur wegen der medialen Entlassung. Die Szenen des erst völlig ekstatisch feiernden und dann nach einem Gespräch mit Präsident Herbert Hainer fassungslos wirkenden Salihamidžić werfen Fragen auf. Noch mehr der Tweet von Kahn, der dem Klub vorwarf, ihm die Reise nach Köln untersagt zu haben. Garniert mit dem Zuruf im nächsten Jahr nicht nur die Meisterschaft gemeinsam zu feiern. Eine nächste Watschn auf die ohnehin schon puterrote Wange des Rekordmeisters, der selbst im Rausche der Glückseligkeit nicht mehr weiß, wie ihm geschieht.