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TV-Kritik von Michael Makus - WM im Kerner-TV ist wie auf Crystal-Magenta!

„Tinder, Tattoo-Wahn und Sexsucht“ – im Privat-TV ist die Retrowelle nicht zu stoppen. Nach Rückkehr von der „Preis ist heiß“ oder „Geh aufs Ganze“, talkt sich jetzt auch Britt Hagedorn (Sat1) wieder durch die Woche. Und was machen sie beim hippen WM-Sender MagentaTV (Telekom)? Verweigern sich einfach diesem Trend!

Statt auch die besten Studio-Kulissen aus den 80er, 90er und 2000er-Jahren nachzubauen, stellt der Pay-Kanal VVIP-Moderator Johannes B. Kerner (57/neue Super-Promi-Kategorie made in Katar) in ein hybrides Super-Studio inklusive 33 Meter geschwungener LED-Wall und 360-Grad-„Augmented Reality“-Technik...

Können Sie sich schwer vorstellen? Denken Sie einfach, sie wären in einen monströsen Pool mit Bubble Tea gefallen. Bunte Blasen von überall! Farbrichtung: Holunderbeere. In Telekom-Deutsch: Magenta.

Videos, fliegende Wolken, ein illuminiertes Sofa samt Plattenteller-Tisch, XXL-Doha-Skyline bei Tag und Nacht etc., etc. Logisch, dass Kommandant Kerner in der purpurfarbenen Kerner-Kulisse mit seinen Vorzeige-Experten Tabea Kemme („Wir sind keine Turnier-Mannschaft mehr, die von allen gefürchtet wird.“) und Capitano-Texter Michael Ballack („Ich kenne die Gehaltszahlen von Mbappé!“) an einem „Star Trek“-artigen Jumbopult steht.

Einschaltquote? Produktionskosten? Bleibt weiter alles geheim auf Planet JBK. Sie werden wissen warum...

Während Hirn und Augen bei der ersten Sendung ob der chronischen Reizüberflutung noch überfordert SOS funken, stellt sich danach langsam Wohlbefinden ein. Abo-Konsumenten sprechen vom Crystal-Magenta-Effekt...

Da verwundert es dann schnell nicht mehr, wenn Interview-Gäste, u.a. Schon-weg-Manager Oliver Bierhoff in kurzer Hose, per Greenscreen-Technik aus Katar mitten ins Bling-Bling-Studio gebeamt werden. „Teleportieren“ haben sie das zuletzt bei den Olympischen Spielen im Konkurrenz-Kanal Eurosport genannt und dabei reihenweise Sportler im kosmischen Nebel versenkt. Beim privat finanzierten Profi-Sender Magenta funktioniert die Technik.

Nur manchmal sieht man halt einen Mitarbeiter durch eine virtuelle 3-D-Aufstellung huschen. Heiß auf 5-Sekunden-Ruhm? Eher nicht! Ins Team Hansi schmuggeln? Das will aktuell doch niemand...

Der Startelf-Crasher! Ein MagentaTV-Mitarbeiter huscht mal eben in Hansis virtuelle Spanien-Elf

Foto: Magenta TV

Wer will schon Glasfaser, liebe Telekom?!? Im Experimental-Studio in Ismaning testen sie im Vergleich zu ARD und ZDF Grenzen aus. Motto: Wir brauchen mehr. Mehr von allem!

Mehr Spiele: Magenta überträgt als einziger deutscher Sender alle 64 WM-Spiele live. 16 davon sogar exklusiv, zuletzt das Achtelfinale England gegen Senegal.

Mehr Experten: Neben der starken Stammbesetzung um Ballack („Bierhoff weg? Das ging schnell! Der Druck auf ihn war aber auch sehr groß.“), Kemme, Fredi Bobic („Die Bank muss brennen“/gerne weniger Fußballer-Sprech) und Lars Stindl (nicht so humorig wie sein Gladbach-Kollege Christoph Kramer im ZDF) bietet der Sender fast täglich neue Fußball-Weise auf. Borowski, Cacau, Mustafi, Sammer, Kohler, Terodde („Mir haben sicher 10, 12 Tore für eine Flick-Nominierung gefehlt.“)...

Mehr Brüder: Auch Jonas Hummels, Felix Kroos oder Tobias Schweinsteiger gehören zum 1001-köpfigen Experten-Line-up.

Mehr Chichi: TikToker Paul Fischer (belebend), Warm-up- und Nachtschicht-Show, Taktik- und Reaction-Kanal.

Mehr Tiefgang: In Jan Henkel („Was Neymar für ein Defensiv-Verhalten hat? Gar keins, das ist Wahnsinn!“) leistet sich MagentaTV weiter den wohl besten, weil so präzise formulierenden Fußball-Analytiker des Landes. Oder ist das in Wahrheit doch sein Ex-Kollege Matthias Sammer, der da im Henkel-Körper steckt und Spielszenen wie ein Gerichtsmediziner Mordopfer seziert? Ich schwanke noch!

Halluzinationen? Offensichtlich beginnt dieses Crystal-Magenta auch bei mir zu wirken...

Starkes Experten-Duo: Champions-League-Siegerin Tabea Kemme und Ex-Bayern-Star Michael Ballack

Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Schnell wieder erden! Am besten mit ein paar Sprüchen von Chef-Kommentator Wolff Fuss...

Zu Polens Matty Cash fällt ihm ein: „Mit diesem blitzsauberen Namen könnte er auch Geschäftsführer von Inkasso Aschau sein.“

Zum DFB-Debakel gegen Japan: „Deutschland verliert zum zweiten Mal ein WM-Auftaktspiel. 2018 mit 0:1 gegen die Mexikaner, die gerade frisch vom Cousinen-Treffen aus dem Whirlpool kamen...“

Oder zum jüngsten Seleção-Zauber: „Brasilien hat es eskalieren lassen. Brilliant. Spektakulär. Und trotzdem respektvoll – nicht mal Clownerie von Neymar...“

Fuss bleibt die Leuchtturm-Stimme bei Magenta.

Anders: Kollege Christian Straßburger („Hier bekommt die Gänsehaut Gänsehaut!“). Er gehört leider zu oft zur Gilde der Marktschreier, ist in Sachen Radau und Pathos regelmäßig etwas drüber: „Jetzt drehen sie hier durch! HALLIGALLI im Khalifa International Stadion!!!“ Leiser wäre Straßburger stärker.

Rätsel um Bierhoff-Nachfolge Dieses Sammer-Interview sagt sehr viel aus

Die irritierendsten WM-Geständnisse in der Kerner-Galaxie liefert aber – Sie ahnen es sicher – meist Kerner himself: So erfahren wir, dass in seinem Jugendzimmer ABBA-Poster an der Wand hingen. „Und später dann von Jürgen Klinsmann. Oh Herr, was für eine Bandbreite!“ Dass er als Berater neben Jamal Musiala auch dessen „8-jährigen Bruder sofort blind unter Vertrag nehmen“ würde. „Quasi als 'Bluechip'.“ Oder, dass Klopp-Kumpel Kerner kein Freund von englischen Pubs ist: „Auf dem Weg zur Theke habe ich dort immer Angst, dass ich zu viel Körperflüssigkeiten austausche...“

Verwechselt Kerner nach bald drei Wochen im Space-Studio etwa Pub mit Swingerclub? Sicher ist: Wer die WM im Telekom-Kanal (Abo-Preis: 10 Euro, monatlich kündbar) schaut, wird auf Champions-League-Niveau informiert und unterhalten. Psychedelische Grenzerfahrungen inklusive.

Doch alles wie im Britt-TV? Bitte bleiben Sie sportlich!