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Ukraine | Korruption: Wie das Land trotz Krieg gegen Bestechung kämpft

Korruption ist in der Ukraine schon jahrelang ein großes Problem. Doch trotz des Krieges hat das Land zuletzt Fortschritte gemacht. Wie ist das möglich?

Kyrylo Tymoschenko war gerne in einem SUV unterwegs: Wo der Vizechef des ukrainischen Präsidentenbüros auch war, häufig fand sich irgendwo ein Chevrolet Tahoe des US-Autobauers General Motors.

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Der SUV war Tymoschenkos Dienstwagen – dumm nur, dass der eigentlich für ganz andere Zwecke gedacht war: Der Autokonzern hatte den Tahoe zusammen mit 49 weiteren Fahrzeugen für humanitäre Zwecke gespendet und nicht für Mitarbeiter des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die Presse wurde schließlich aufmerksam auf den ungewöhnlichen Dienstwagen.

Reihenweise Razzien und Entlassungen

Mittlerweile ist Tymoschenko seinen Job los – und kein Einzelfall. In den letzten Wochen wurden aus der ukrainischen Verwaltung reihenweise Leute wegen Korruptionsdelikten entlassen. Allein am vergangenen Mittwoch gab es Razzien bei einem ehemaligen Minister, ranghohen Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums und mehreren Steuerbüros in Kiew. Zudem wurde der Leiter des ukrainischen Zolls entlassen.

Korruption ist kein neues Problem in der Ukraine. Auf den ersten Blick liegt der Schluss nahe, dass die vielen öffentlich gewordenen Fälle ein Zeichen dafür sind, dass das Land im Kriegsgewirr noch weiter abgerutscht ist. Doch vermutlich ist das Gegenteil der Fall: Tatsächlich belegen neue Zahlen der Organisation Transparency International, dass die Ukraine weiter Fortschritte im Kampf gegen Bestechlichkeit von Politikern und Amtsträgern macht. Im weltweiten Korruptionsranking lag die Ukraine 2019 im Vergleich von 180 Ländern noch auf Rang 137. Vier Jahre später ist der Staat auf Rang 116 geklettert.

"Ein Korruptionsproblem haben alle postsowjetischen Länder in diesem Maße. Die Ukraine unterscheidet sich dadurch, dass am meisten darüber diskutiert wird", sagte Andreas Umland, Analyst des Stockholmer Zentrums für Osteuropastudien im Gespräch mit t-online. Wie führt eine Regierung diesen Kampf, während sie gleichzeitig einen russischen Überfall abwehren muss – und warum werden gerade jetzt so viele Fälle publik?

Irritationen um Oligarchen

Tatsächlich war der Kampf gegen Korruption eines der zentralen Versprechen von Wolodymyr Selenskyj im Wahlkampf um die Präsidentschaft 2019. "Meine Wahl beweist nur, dass die Bürger der erfahrenen Politiker überdrüssig sind, die in den vergangenen 28 Jahren ein Land der Möglichkeiten geschaffen haben – Möglichkeiten zum Stehlen, Bestechen und Plündern", sagte Selenskyj etwa in seiner ersten Rede nach seiner Vereidigung im Mai 2019. Zuvor hatte der ehemalige Schauspieler überraschend deutlich den Amtsinhaber Petro Poroschenko geschlagen.

Früh wurden allerdings Zweifel an Selenskyj gesät und die Frage gestellt, wie ernst es der neue Präsident tatsächlich mit dem Kampf gegen die Korruption meint. Nachgesagt wurde dem jungen Staatsoberhaupt eine Nähe zu dem zwielichtigen Oligarchen Ihor Kolomojskyj: Der Unternehmer war zum Zeitpunkt der Wahl Besitzer des Fernsehsenders, der Selenskyjs Erfolgsserie "Diener des Volkes" ausgestrahlt hatte. Jahre zuvor war der Oligarch auch Gouverneur der Oblast Dnipropetrowsk, ehe er gegen seinen Willen vom damaligen Präsidenten Poroschenko abgesetzt wurde.

Vom Krieg überlagert

Im Kampf gegen Poroschenko unterstützte Kolomojskyj den damaligen Politneuling Selenskyj: Eine Einflussnahme des Oligarchen bestritt der spätere Präsident allerdings – und am vergangenen Mittwoch stattete der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU auch Kolomojskyj einen Besuch ab. Dem Oligarchen wird die Veruntreuung von umgerechnet rund einer Milliarde Euro vorgeworfen. "Jeder Kriminelle, der die Dreistigkeit besitzt, der Ukraine gerade in Kriegszeiten zu schaden, muss verstehen, dass wir ihm Handschellen anlegen werden", erklärte der Chef der Sicherheitsdienste, Wasil Maljuk, auf dem Telegram-Kanal des SBU. "Kolomojskyj hat unter Selenskyj nichts wiederbekommen, was er unter Poroschenko verloren hat", sagt Robert Kirchner von der Beratungsagentur Berlin Economics im Gespräch mit t-online.