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Ukraine-Krieg | Massengräber von Isjum: "Die Kinder sollten die Kreuze nicht sehen"

Mehr als 400 Leichen sind rund um das ukrainische Isjum begraben – dorthin gebracht von Freiwilligen. Nun erzählen sie von der Zeit unter russischer Besatzung.

Nun wird mehr über das Schicksal der Toten bekannt – und darüber, wie sie in den Wald gelangten. Radio Svoboda, ein US-finanzierter Radiosender, berichtet, Anwohner hätten sich freiwillig dafür eingesetzt, die Menschen dort zu bestatten. Man habe verhindern wollen, dass es eine Umweltkatastrophe gebe, erzählt einer von ihnen. Und dass die Kinder Fragen stellen, denn teils seien die Leichen einfach in Höfen oder entlang von Straßen begraben worden. "Wir wollten, dass die Kinder die Gräber und Kreuze nicht sehen."

"Alle Leute dachten, sie seien im Luftschutzkeller sicher"

Angefangen habe er nach dem Tod einer ehemaligen Klassenkameradin und ihrer Familie, so Pavel Holub. Den Journalisten von Radio Svoboda schildert er, sie seien unter fünf Stockwerken eines Wohnhauses begraben worden, als russische Bomben einschlugen. "Alle Leute dachten, sie seien im Luftschutzkeller sicher." Die Bergung der Leichen habe sich verzögert – die Mutter habe man schließlich nur noch anhand ihrer Tätowierungen identifizieren können. "Ich habe sie in einen Sack gesteckt, sie begraben und ein Kreuz aufgesteckt. Auch auf die Gräber ihrer Kinder."

Es folgten zahlreiche weitere Begräbnisse: "Friedliche Bürger, Kinder, Erwachsene, ältere Menschen", sagt Holub. Unter den Toten seien Menschen gewesen, die sich selbst getötet hätten, weil sie der psychischen Belastung nicht standgehalten hätten. Auch die Kälte sei ein Problem gewesen, vor allem für Menschen mit Behinderung. Sie seien zurückgelassen worden und hätten sich nicht selbst retten können, so ein anderer Anwohner dem Bericht zufolge.

Mann mit abgeschnittenen Armen und Beinen gefunden

Andere wurden getötet. Der Anwohner Dmytro Egorov erzählte den Reportern von einem Mann, den er und andere Freiwillige mit abgetrennten Gliedmaßen gefunden hätten. "Er wurde gefoltert. Weil es offensichtlich war, dass sie abgeschnitten worden waren." Sowohl die Leichen von Zivilisten als auch von Angehörigen des ukrainischen Militärs hätten Folterspuren aufgewiesen.

25 Gräber hätten die Freiwilligen am Tag ausgehoben, berichtet ein anderer Anwohner. Nicht alle der im Wald Begrabenen sind identifiziert. Radio Svoboda zufolge sind allein in einem der Massengräber die Identitäten von fast 200 Toten nicht geklärt.

Russische Kommandeure begingen wohl Kriegsverbrechen

Doch alle Leichen wurden dokumentiert – auch auf Geheiß der russischen Besatzungsverwaltung. Diese habe die Ukraine für die Verbrechen an den Menschen verklagen wollen, sagte ein Mitarbeiter eines Bestattungsdiensts dem ukrainischen Sender. Nun geht die Ukraine den vermuteten Kriegsverbrechen der russischen Truppen nach.

Dass russische Soldaten und Kommandeure beteiligt waren, sollen vom ukrainischen Geheimdienst mitgeschnittene Telefonate beweisen. Radio Svoboda berichtet von einem Anruf eines russischen Soldaten, der darin vom überstürzten Rückzug aus Isjum erzählte. Er habe auch die Erzählungen seiner Kameraden wiedergegeben – davon, wie zwei Kommandeure während des Rückzugs ein älteres Ehepaar getötet haben sollen.

Einer von ihnen soll den Mann, der andere die Frau erschossen haben. Bei Letzterem soll es sich um Sergey Safonov handeln. Gegen ihn wird nach Informationen von Radio Svoboda auch in Russland wegen der Tötung eines Zivilisten in der Region Charkiw ermittelt.