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Ukraine-Krieg: Mehrheit der Deutschen will die Ukraine unterstützen – aber nicht um jeden Preis

Freiwillige Helfer warten am Berliner Hauptbahnhof auf ukrainische Geflüchtete (März 2022)

Freiwillige Helfer warten am Berliner Hauptbahnhof auf ukrainische Geflüchtete (März 2022)

Foto: Maja Hitij / Getty Images

Eine gute Nachricht vorweg: Noch immer befürwortet eine große Mehrheit der Europäer die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter. Die Solidarität mit der Ukraine ist nach wie vor groß. Doch bleibt sie das auch?

Die Zahlen der fünften Jahresstudie des Mercator Forums Migration und Demokratie (MIDEM), die am Montag in Berlin veröffentlicht wurde, lassen daran erstmals Zweifel laut werden.

Nur noch 40 Prozent der Europäer finden demnach, dass ihr Land trotz eigener negativer wirtschaftlicher und sozialer Folgen die Ukraine weiterhin uneingeschränkt unterstützen solle.

In fast allen europäischen Ländern plädiert laut der MIDEM-Studie eine Mehrheit dafür, Zuwanderung zu begrenzen, selbst in Schweden, das Migration traditionell eher offen gegenüber steht.

Knapp neun Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine scheint die Solidarität mit ihr in der Bevölkerung also zu bröckeln – auch in Deutschland.

Über 20.400 Befragte aus zehn EU-Ländern

Über 20.400 Menschen in zehn EU-Mitgliedstaaten hat MIDEM in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut YouGov zwischen September und Oktober befragt – der Fokus lag dabei auf Ländern, die am stärksten von der Geflüchtetenbewegung betroffen waren. Auch Deutschland zählt dazu.

Mit über einer Million aufgenommenen ukrainischen Geflüchteten hat man hierzulande nach Polen den zweitmeisten Anteil der Aufnahmestaaten.

Mehrheiten für die Begrenzung von Zuwanderung aus der Ukraine

Doch die Solidarität in Europa mit der Ukraine beginnt zu schrumpfen. Deutlich wird das dadurch, dass sich laut der MIDEM-Studie in fast allen europäischen Ländern mittlerweile eine deutliche Mehrheit für die Begrenzung von Zuwanderung aus der Ukraine ausspricht. Am stärksten zeige sich das in ostmitteleuropäischen Staaten wie Tschechien und Ungarn, wo die Sorge vor Überlastung wachse und gezielte Falschmeldungen und Desinformationskampagnen diese Entwicklung noch verstärke.

Anders als in Deutschland, wo man an Erfahrungen von 2015 anknüpfen kann, konnten die ostmitteleuropäischen Staaten zu Beginn des Krieges nicht auf bestehende Strukturen zurückgreifen. Stattdessen war es die Zivilgesellschaft, die einen Großteil des Aufbaus der Erstversorgungseinrichtungen leistete.

Die Bereitschaft, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen und ihnen Zugang zu Bildung und Arbeit zu ermöglichen, war in Osteuropa zu Kriegsbeginn dennoch hoch, doch vor allem in Tschechien und Ungarn, so die Studie, beginne diese Solidarität mit der Ukraine nun zu schrumpfen.

Auch in Deutschland nimmt die Solidarität mit der Ukraine ab, auch hier findet sich mittlerweile eine relative Mehrheit, die dafür stimmt, die Ukraine nicht um jeden Preis zu unterstützen.

Knapp 42 Prozent der Deutschen sind demnach der Meinung, die Unterstützung der Ukraine angesichts der eigenen negativen Folgen einzuschränken. Mit diesem Wert liegt Deutschland gleichauf mit Frankreich im europäischen Mittelfeld, knapp vor Italien.

Große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland

Einig in der Frage ist man sich in Deutschland jedoch keineswegs. Laut der MIDEM-Studie liegen zwischen Ost- und Westdeutschland große Unterschiede. Im Osten Deutschlands würden die Menschen demnach – neben Tschechien und Ungarn – die geringste Bereitschaft unter den befragten Ländern aufweisen, die Ukraine auch angesichts wachsender wirtschaftlicher Kosten weiterhin zu unterstützen.

Nur 28 Prozent der Befragten stimmten demnach dafür, das liegt deutlich unter dem Durchschnitt von 39 Prozent.

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland ist hoch. Aber bleibt sie das auch?

Foto: Michael Hanschke / dpa

Zudem zeigt die Befragung, dass in Ostdeutschland mehr als ein Drittel der Menschen eine Teilschuld für den Krieg bei der Nato sieht. Auch die Zustimmung an migrationskritischen Aussagen sei dort höher als in Westdeutschland.

Im Winter, wo mit einer neuen Fluchtbewegung aus der Ukraine gerechnet wird, könnte deshalb, so MIDEM-Direktor Hans Vorländer, »ein Stresstest für die Solidarität mit der Ukraine anstehen«.

Caritasverband: Energiekrise hat Folgen für das gesellschaftliche Engagement

Bei Wohlfahrtsverbänden wie der Caritas zeigt man sich zunächst erfreut, dass auch neun Monate nach Beginn des Angriffskriegs eine »große Hilfsbereitschaft« vorherrsche. Noch immer seien einige Geflüchtete aus der Ukraine privat untergebracht oder würden von ehrenamtlich Engagierten unterstützt. »Was hier geleistet wurde und wird, ist ein großartiges Zeichen gesellschaftlicher Solidarität«, so das Statement des Deutschen Caritasverbands.

Gleichzeitig würden aber auch Sorgen und Ängste mit Blick auf die wachsenden Energie- und Lebenshaltungskosten steigen, was Folgen für das gesellschaftliche Engagement habe. »Die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist kein Selbstläufer – in dieser herausfordernden Situation braucht es klare politische Signale und Haltung«, so der Deutsche Caritasverband weiter. »Keinesfalls dürfen dabei schutz- oder hilfebedürftige Menschen gegeneinander ausgespielt werden.«