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Ukraine-Krieg | Sicherheitsexperte: "Russlands Niedergang bietet eine Chance"

Nicht nur die Ukraine, sondern die gesamte Weltordnung ist in Gefahr. Davor warnt Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Und er erklärt, warum Deutschland dringend aktiv werden muss.

Russlands führt in Europa Krieg gegen die Ukraine, doch der gesamte Globus ist betroffen. Denn Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping ignorieren das Völkerrecht nicht nur, nein, sie wollen eine andere Weltordnung. Deutschland und seine Partner müssen sich dem entgegenstellen, sagt Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und Experte für Sicherheitspolitik. Wie dies gelingen kann, erklärt Heusgen im Gespräch.

t-online: Herr Heusgen, Russland demontiert mit seinem Krieg gegen die Ukraine die Weltordnung, unterstützt wird es dabei von China. Sollten Deutschland und seine westlichen Verbündeten nicht eiligst neue Allianzen rund um den Globus schließen?

Christoph Heusgen: Wir brauchen schnell neue Allianzen, ja. Der russische Krieg gegen die Ukraine demonstriert dies noch einmal ganz eindeutig. Die globale Werteordnung steht auf dem Spiel, die Lage könnte kaum ernster sein. Andererseits bin ich mir nicht im Klaren, ob die Dringlichkeit zu handeln bereits überall bewusst ist.

Chinas Staatspräsident Xi Jinping machte neulich bei seinem Besuch in Moskau hingegen klar, dass er Wladimir Putin nicht fallen lassen wird.

Russland ist nun allerdings eindeutig der Juniorpartner, es herrscht kein Zweifel, dass China den Ton angibt. Entsprechend hat Xi Jinping großes Interesse, dass Wladimir Putin und sein Regime stabil bleiben. Ein Russland hingegen, das noch einmal eine Art Perestroika und eine Demokratie hervorbringt, wäre Chinas größter Albtraum. Denn dann würde sich Russland aus der Umklammerung befreien.

Der Konflikt spielt sich allerdings nicht nur zwischen Russland und China auf der einen Seite wie den Vereinigten Staaten und etwa Deutschland auf der anderen Seite ab.

Es geht um viel mehr, das ist richtig. Wir sollten uns keine Illusionen machen, diese heftige Auseinandersetzung spielt sich außerdem bei den Vereinten Nationen ab, in Afrika, Lateinamerika und in Asien.

Christoph Heusgen, Jahrgang 1955, ist seit 2022 Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz. 1980 trat der promovierte Wirtschaftswissenschaftler in den Auswärtigen Dienst ein, ab 2005 beriet Heusgen die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Anschließend war der Diplomat von 2017 bis 2021 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen. Am 15. Februar 2023 erschien Heusgens Buch "Führung und Verantwortung. Angela Merkels Außenpolitik und Deutschlands künftige Rolle in der Welt".

Die Münchner Sicherheitskonferenz legte entsprechend auch einen Schwerpunkt auf den Dialog mit Staaten des sogenannten Globalen Südens.

Da war mir sehr wichtig. Mit Francia Márquez war etwa die kolumbianische Vizepräsidentin ebenso zu Gast wie mit Saara Kuugongelwa-Amadhila die Premierministerin Namibias. Zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine nehmen diese und viele andere Länder eine Äquidistanz ein. Wir wollen bei der Münchner Sicherheitskonferenz diese unterschiedlichen Positionen offenlegen und zu vertieften Diskussionen miteinander anregen.

Tatsächlich ist das kriegführende Russland weit weniger isoliert, als es die westlichen Staaten gerne hätten.

Den Begriff "Westen" verwende ich ungern. Denn dem "Westen" wird – leider oft zu Recht – Doppelmoral angelastet. Wenn wir Staaten auffordern, sich gegen Russland und seinen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine zu positionieren, lautet die Gegenfrage oft: Haben die USA mit ihrer Invasion des Irak 2003 nicht ebenfalls das Völkerrecht verletzt? Haben die Vereinigten Staaten in Mittelamerika von Grenada bis Panama nicht immer wieder interveniert – unter Missachtung der Charta der Vereinten Nationen? Nein, es geht nicht um den "Westen" oder "westliche Werte", es geht um die Verteidigung der regelbasierten internationalen Ordnung!

Wie können wir aber mit China konkurrieren, das – salopp gesagt – großzügig auf dem Globus Milliardensummen investiert und Autokraten keine "lästigen" Fragen nach Menschenrechten stellt?

Allein aus seiner Geschichte heraus hat Deutschland die Verpflichtung, auf die weltweite Durchsetzung von Menschenrechten hinzuwirken, als Mitglied der Vereinten Nationen sowieso. Deutschland hat insgesamt eine sehr gute Ausgangsposition. In meiner Zeit als Botschafter bei den Vereinten Nationen habe ich immer wieder erfahren, wie ausgezeichnet unser Ruf in zahlreichen Regionen der Welt ist. Das hat einerseits mit unserer Verlässlichkeit als Partner zu tun, aber auch damit, dass wir international zweitgrößter Geber von Entwicklungshilfe sind.

Nun macht aber nicht nur China Geschäfte mit autokratischen Regimen, sondern auch Deutschland. Saudi-Arabien wäre ein Beispiel.